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Rechtstipps zum Familienrecht, Verkehrsrecht und Arbeitsrecht

Immer gut beraten durch Ihre Rechtsanwältinnen und Fachanwältinnen in Marl, Kreis Recklinghausen

Hallo liebe Rechtsuchende,

 

Unser Rechtstipps sind Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Familienrecht, Verkehrsrecht und Arbeitsrecht und Arzthaftungsrecht. Anders als bei den Neuigkeiten, die von einem externen Anbieter in Form einer Rechtsprechungsübersicht zur Verfügung gestellt wird, sind die nachfolgenden Texte von uns selbst erstellt. Wir waren dabei bemüht, die Texte für den juristischen Laien so verständlich wie möglich zu gestalten. Wenn Sie jedoch etwas dennoch nicht verstehen, rufen Sie uns gerne an. Wir werden es Ihnen so gut wir können erklären und gegebenenfalls unseren Text überarbeiten.

 

Mit herz­li­chen Grü­ßen

Sabine Hermann

&

Ulrike Ludolf

&

Silke Werner

Ihre Rechts­an­wäl­te in Marl, Kreis Recklinghausen

Fach­an­wäl­te für Fa­mi­li­en­recht für Ver­kehrs­recht und für Ar­beits­recht

im August 2023

Ein weiterer Service für Sie: Wir stellen Rechtstipps zu unseren Fachgebieten Familienrecht, Verkehrsrecht, Arbeitsrecht und Arzthaftungsrecht zur Verfügung.

Keine grobe Unbilligkeit beim Zugewinn durch pflichtwidrige Unterlassung des Auszuges

Bei einer Trennung bzw. Scheidung können viele Angelegenheiten der Ehegatten klärungsbedürftig sein. Unter anderem ist häufig zu klären, wie das jeweils erzielte Vermögen der Eheleute untereinander aufzuteilen ist. Der sogenannte Zugewinnausgleich.

Nach § 1378 Abs.1 BGB steht dem Ehegatten, der während des gesetzlichen Güterstands in der Zeit von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (§§ 1363, 1384 BGB) - den geringeren Zugewinn erzielt hat, gegen den anderen Ehegatten eine Ausgleichsforderung in Höhe der Hälfte des Betrags zu, um den dessen Zugewinn den eigenen übersteigt. Zugewinn ist der Betrag, um den das bei Beendigung des Güterstands vorhandene Vermögen eines Ehegatten (Endvermögen) zuzüglich des diesem etwaig hinzuzurechnenden Vermögen (§ 1375 Abs. 1 bis 3 BGB) sein bei Eintritt des Güterstands vorhandenes Vermögen (Anfangsvermögen) zuzüglich etwaiger diesem hinzuzurechnender Vermögenswerte (§ 1374 Abs. 1 und 2 BGB) übersteigt, § 1373 BGB.

Zusammengefasst muss geprüft werden, wieviel Vermögen der jeweilige Ehegatte erzielt hat und wie dieser Vermögenszuwachs auszugleichen ist. Häufig entstehen dabei Probleme, wenn sich die Beteiligten nicht über den Wert einzelner Vermögenswerte (z.B. Eigentumswohnung, Hausgrundstück etc.) einigen können. Über so einen Fall hatte das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 16.05.2022, 2 UF 184/21) zu entscheiden. Hier lag die Besonderheit darin, dass die Zugewinn begehrende Ehefrau im (im Eigentum des Ehemanns stehenden) Hausgrundstück verblieben ist und weder die Möglichkeit eingeräumt hat, Lichtbilder für Verkaufsanzeigen zu fertigen, noch Besichtigungstermine etwaiger Interessenten zugelassen hat. Dies, obwohl der Ehemann ihr mehrfach geschildert hat, dass er das Haus verkaufen muss, weil er die Finanzierungslasten nicht stemmen kann. Den Interessenten, die das Haus letztlich erwarben, gab die Ehefrau unmissverständlich zu verstehen, dass sie nicht ausziehen werde.

Durch dieses Verhalten konnte nur ein Verkaufspreis erzielt werden, der weit unter dem Marktwert lag. Das OLG Zweibrücken hatte zu entscheiden, wie der Wert zu berücksichtigen ist. Der Ehemann hat sich darauf berufen, dass dies insgesamt dazu führe, dass der Zugewinnausgleich (Vermögensausgleich) wegen „grober Unbilligkeit“ zu versagen sei. Dem hat das OLG eine Absage erteilt, aber als Wert des Grundstücks nur den tatsächlich erzielten Verkaufspreis und nicht den – wesentlich höheren – Marktwert zugrunde gelegt.

Dieser Fall verdeutlicht, wie wichtig es ist, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hätte die Ehefrau die Verkaufsbemühungen nicht boykottiert, wäre ein höherer Preis erzielt worden und die Ehefrau hätte einen höheren Ausgleichsanspruch gehabt. So hat sie sich selbst geschadet. In einigen Fällen ist eine einvernehmliche Lösung auf Augenhöhe eben eine bessere Lösung. Bei Fragen um das Thema Trennung, Scheidung, Unterhalt und Vermögensausgleich steht unser Team mit drei Fachanwälten bzw. Fachanwältinnen für Familienrecht Ihnen daher selbstverständlich zur Verfügung.

Düsseldorfer Kindesunterhaltstabelle zum 01.01.2023

Zum 1. Januar 2023 ändert sich die Düsseldorfer Kindesunterhaltstabelle, so dass sich andere Zahlbeträge für den Kindesunterhalt ergeben. Diese können Sie der Tabelle entnehmen.
Außerdem werden die Selbstbehalte erhöht, dies hat insbesondere dann Auswirkungen, wenn der Kindesunterhalt oder aber auch der Ehegattenunterhalt auf den Selbstbehalt begrenzt wurde.
Die folgende Tabelle enthält die Zahlbeträge für das 1. und 2. Kind, die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergeben.
Seit dem 1. Januar 2023 beträgt das Kindergeld einheitlich 250,00 € je Kind.
 
Stufe Einkommen    0 - 5       6 - 11     12 - 17      ab 18 
                                Jahre     Jahre      Jahre       Jahre

1. bis 1.900 312 377 463 378 100
2. 1.901 - 2.300 334 403 493 410 105
3. 2.301 - 2.700 356 428 522 441 110
4. 2.701 - 3.100 378 453 552 473 115
5. 3.101 - 3.500 400 478 581 504 120
6. 3.501 - 3.900 435 518 628 554 128
7. 3.901 - 4.300 470 558 675 605 136
8. 4.301 - 4.700 505 598 722 655 144
9. 4.701 - 5.100 540 639 768 705 152
10. 5.101 - 5.500 489 577 694 644 160
 
Gemäß der neuesten Rechtsprechung ist die Düsseldorfer Tabelle nicht mehr abschließend, sondern wird fortgeführt.

Ab wann ist man eigentlich fahruntüchtig?

Alkohol und Promille

Es ist untersagt, Auto zu fahren, wenn man fahruntüchtig ist. Ab wann liegt eigentlich eine Fahruntüchtigkeit vor? Man geht allgemein davon aus, wenn der Führer eines Fahrzeugs infolge von körperlichen oder geistigen Mängeln nicht mehr fähig ist, den Anforderungen des Straßenverkehrs gerecht zu werden und sein Fahrzeug sicher zu führen. Eine der häufigsten Ursachen der Fahruntüchtigkeit ist der Genuss von Alkohol oder Drogen. Aber auch Fieber oder die Fahruntüchtigkeit aufgrund einer Amputation oder Schwerhörigkeit kann vorliegen.

Die bedeutendste Ursache der Fahruntüchtigkeit ist aber weiterhin: Der Alkohol.

Dabei muss zwischen der absoluten und der relativen Fahruntüchtigkeit unterschieden werden. Die absolute Fahruntüchtigkeit liegt vor, wenn der Fahrzeugführer eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille aufweist. Eine relative Fahruntüchtigkeit liegt vor, bei jemanden, bei dem eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,3 Promille gemessen wird. Ein solch gemessener Wert allein reicht aber für die Fahruntüchtigkeit noch nicht aus. Vielmehr müssen noch weitere, alkoholbedingte Ausfallerscheinungen hinzutreten, wie etwa Schlangenlinien fahren, torkeln oder lallen. Nur wenn solche weiteren Umstände vorliegen, kann von einer Fahruntüchtigkeit ausgegangen werden.

Welche Folgen treten ein, wenn eine Fahruntüchtigkeit festgestellt wurde?

Wird bei einem Autofahrer die absolute oder relative Fahruntüchtigkeit festgestellt, so macht er sich zumindest wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB strafbar. Gefährdet der Autofahrer durch seine Trunkenheit zudem noch Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert, so kann er sich wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315 c StGB strafbar machen. Beide Straftaten können eine Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe nach sich ziehen.

Lassen sich aber bei einer relativen Fahruntüchtigkeit keine Ausfallerscheinungen feststellen, so kommt ab einem Promille-Wert von 0,5 eine Ordnungswidrigkeit in Betracht. Diese kann mit einer Geldbuße von bis zu 3.000,00 Euro geahndet werden, gemäß § 24 a StVG.

Wer wegen eines Alkoholmissbrauchs den Führerschein verloren hat, erlangt ihn unter Umständen erst wieder nach einer Therapie oder einer Alkoholabstinenz von einem Jahr zurück.

 

"Fahruntüchtigkeit bei Autofahrern bei 1,1 Promille"

 

Wussten Sie schon, dass der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 28.06.1990 den seit 1966 geltenden Grenzwert von 1,3 Promille aufgehoben hat und entschieden hat, dass die absolute Fahruntüchtigkeit bei Autofahrern bei 1,1 Promille liegt?

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde: An einem Abend im September 1989 verursachte ein Autofahrer einen Verkehrsunfall, weil er die Vorfahrt eines anderen Verkehrsteilnehmers missachtete. Bei ihm wurde eine Blutalkoholkonzentration von 1,24 Promille zum Unfallzeitpunkt festgestellt. Das Amtsgericht Wolfsburg verurteilte ihn wegen des Verstoßes gegen § 24 a StVG zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot. Nach Ansicht des Gerichtes kam eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB nicht in Betracht, da der Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit von damals 1,3 Promille nicht erreicht worden war. Die Staatsanwaltschaft legte gegen diese Entscheidung beim Oberlandesgericht Braunschweig Revision ein, mit der Ansicht, der Grenzwert sei auf 1,1 Promille festzulegen. Das Oberlandesgericht wollte damals vom Bundesgerichtshof wissen, ob der Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit tatsächlich bei Autofahrern bei 1,1 Promille liegen würde.

Der Bundesgerichtshof führte zunächst aus, dass aufgrund seiner Entscheidung aus Dezember 1966 eine absolute Fahruntüchtigkeit von 1,3 Promille galt. Dieser setzte sich aus dem Grundwert von 1,0 Promille zusammen. Ab diesem Wert lag laut der Alkoholforschung und nach den Ergebnissen von Fahrversuchen eine absolute Fahruntüchtigkeit vor. Da jedoch statistische Untersuchungen den Eintritt der absoluten Fahruntüchtigkeit zwischen einem Wert von 1,0-1,1 Promille festlegten und die Alkoholbestimmung ungenau war, nahm der Bundesgerichtshof damals zum anderen einen Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille vor. Das ergab den Grenzwert von 1,3 Promille.

1990 war aber nach Ansicht des Bundesgerichtshofs daran nicht mehr festzuhalten. Die juristische Bewertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse sei Aufgabe des BGH. Es sei festzuhalten, dass die Alkoholforschung und Fahrversuche den Wert von 1,0 Promille bestätigten. Hinzu komme, dass sich seit 1966 die Verkehrsverhältnisse stark verändert haben. Die Leistungsanforderungen an Autofahrer seien wesentlich gestiegen. Dies alles rechtfertige den Grundwert der absoluten Fahruntüchtigkeit auf 1,0 Promille festzulegen. Angesichts der verbesserten Bestimmung der Blutalkoholkonzentration war damals nach Auffassung des Bundesgerichtshofs der Sicherheitszuschlag auf 0,1 Promille festzulegen. Seitdem liegt der Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit bei 1,1 Promille.

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Ersatz von Kosten des Sachverständigen

Angemessen - erstattungsfähig

Das Amtsgericht Friedberg aus Hessen hat am 03.08.2016 bereits ein Urteil gefällt, indem es zu dem Ergebnis kommt, dass der Geschädigte sich bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darauf berufen darf, einen für ihn ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen.

Die beklagte Versicherung hatte nämlich behauptet, dass es sich bei dem Sachverständigen-Honorar um ein überhöhtes Grundhonorar handeln würde und die Honorarrechnung außer Verhältnis zum Fahrzeugschaden stehen würde. Das ortsübliche und angemessene Niveau sei deutlich überschritten.

Nach Ansicht des Gerichtes war dieser Vortrag nicht geeignet, darzulegen, dass der geschädigte Kläger hätte erkennen können, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze verlangt, die deutlich über denen in der Branche üblichen Preisen liegt.

Außerdem hatte die Beklagte überhaupt, der Kläger hätte mit dem Sachverständigen einen Festpreis vereinbaren können.

Unfall mit Rettungswagen: Fahrer von Rettungswagen haftet trotz Blaulicht und Martinshorn.

Unfall mit Rettungswagen: Fahrer von Rettungswagen haftet trotz Blaulicht und Martinshorn.

Diese Frage hat sich jeder schon mal gestellt: Was passiert bei einem Unfall mit einem Rettungswagenfahrer, der das Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet hat.

Antwort: Auch der Fahrer eines Rettungswagens mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn darf nicht blind auf sein Wegerecht vertrauen. Kommt es in einer unübersichtlichen Lage zu einem Unfall, muss der Rettungsfahrer unter Umständen mithaften. Das geht aus dem Urteil des Oberlandesgerichts München hervor.

Zum Sachverhalt: Ein Rettungswagen fuhr mit eingeschaltetem Martinshorn und Blaulicht zum Einsatzort. Links tauchte ein blinkendes Auto auf. Der Fahrer des Rettungswagens ging davon aus, dass der Autofahrer anhalten würde und setzte zum Überholen an. In diesem Moment scherte der Autofahrer ebenfalls nach links aus und stieß mit dem Rettungswagen zusammen.

Es kam wie es kommen musste: Der Fahrer des Rettungswagens sah die Alleinschuld beim Autofahrer. Aber: Das Gericht entschied anders, der Fahrer des Rettungswagens muss zu einem Drittel mithaften. Dieser habe zwar das so genannte Wegerecht, wonach ihm andere Verkehrsteilnehmer sofort Platz machen würden. Aber nur dann, wenn er darauf vertrauen darf, dass sich die anderen korrekt verhalten, dürfe er auf das Freimachen der Straße vertrauen. Der Unfallgegner hatte den Blinker nicht abgestellt und war auch nicht aktiv nach rechts gefahren. Deshalb handelte es sich um eine unübersichtliche Lage. Außerdem fuhr der Rettungswagen mit 82 km/h pro Stunde klar zu schnell

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Verurteilung zu Geldbuße und Fahrverbot wegen Rotlichtverstoßes setzt Angaben zur Art des Rotlichtverstoßes voraus.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Im September 2014 beging der Betroffene einen Rotlichtverstoß. Er wurde deshalb vom Amtsgericht Ludwigsburg wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts zu einer Geldbuße von 240 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Gegen das Urteil legte der Autofahrer Rechtsbeschwerde ein.

Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied zu seinen Gunsten. Das Urteil des Amtsgerichtes sei aufzuheben, da es auf unzureichenden Sachverhaltsangaben beruhe. Ein Urteil müsse so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht zur Nachprüfung der Richtigkeit des Urteils entnehmen könne, welche Feststellungen der Tatrichter getroffen hat und welche Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und des Fahrverbots zugrundeliegen. Denn: Bei der Verurteilung zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot wegen eines Rotlichtverstoßes muss das Gericht im Urteil Angaben zum Sachverhalt machen. Es reicht dabei nicht aus, lediglich den Wortlaut der Vorschrift wiederzugeben. Bleibt etwa unklar, ob ein einfacher oder qualifizierter Rotlichtverstoß vorliegt, so ist das Urteil aufzuheben.

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Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements

Bundesarbeitsgericht: Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht erforderlich für Wirksamkeit einer Versetzung durch Arbeitgeber.

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Im April 2015 kehrte der Kläger und Arbeitnehmer nach langer Erkrankung in den Betrieb zurück. Der Arbeitnehmer wollte wie vor seiner Erkrankung in der Nachtschicht tätig sein. Die Beklagte hielt das aber nicht für umsetzbar, wegen des Gesundheitszustandes des Klägers. Die Beklagte fürchtete einen weiteren krankheitsbedingten Ausfall des Klägers als Arbeitnehmer und versetzte ihn daher in die Wechselschicht. Dort sei er nämlich leichter ersetzbar, für den Fall, dass er wieder krank sei. Der Arbeitnehmer hielt dies für unzulässig und klagte auf Einsetzung in die Nachtschicht.

Das Arbeitsgericht Pforzheim hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gab ihr aber statt. Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass die Versetzung des Arbeitnehmers unzulässig gewesen sei, da die Arbeitgeberin kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt hatte. Sie habe daher bei der Ausübung ihres Weisungsrechts die Grenzen des billigen Ermessens überschritten. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin als Beklagte Revision ein.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX nicht erforderlich sei, um einen Arbeitnehmer zu versetzen. Dies gelte selbst dann, wenn die Versetzung auch auf dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers beruht. Das Bundesarbeitsgericht entschied also zu Gunsten der Arbeitgeberin und hob daher die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes auf. Zwar sei die Arbeitgeberin verpflichtet gewesen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Jedoch führe das Unterlassen nicht dazu, dass die Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber, die auch auf den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers gestützt werden, bereits deswegen unwirksam sei. Das Gesetz sehe im Fall der Unterlassung des betrieblichen Eingliederungsmanagements keine Rechtsfolgen vor.

Das Bundesarbeitsgericht wies deshalb den Fall an das Landesarbeitsgericht zurück. Das Landesarbeitsgericht muss nunmehr prüfen, ob die Versetzung billigem Ermessen entsprach. Denn das wurde noch nicht entschieden. Dabei muss das Landesarbeitsgericht auf Anweisung des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigen, dass es gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen entspreche, dass Nachtarbeit grundsätzlich für jeden Menschen schädlich sei und negative Auswirkungen habe. Zudem habe es den Vortrag der Arbeitgeberin zur einfacheren Ersetzbarkeit Normalschicht überprüfen müssen.

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Kann eine Scheidung trotz Vorliegens der Scheidungsvoraussetzungen verhindert werden?

Es kommt immer wieder in der Praxis vor, dass ein Ehegatte sich mit der Scheidung bzw. den Scheidungsplänen des anderen Ehegatten nicht einverstanden erklären will. Dann werden wir immer wieder gefragt, ob in diesem Fall die Möglichkeit besteht, die Scheidung zu verhindern.

Grundsätzlich ist es so, dass eine Scheidung bei Vorliegen sämtlicher Scheidungsvoraussetzungen von einem Ehegatten grundsätzlich nicht zu verhindern ist. Die Scheidung kann lediglich hinausgezögert werden. Denn für eine einvernehmliche Scheidung reicht es aus, ein Jahr getrennt zu leben, wenn beide Ehegatten geschieden werden wollen. Bei einer nicht einvernehmlichen Scheidung benötigt man aber 3 Trennungsjahre. Nach Ablauf dieser 3 Jahre kann man trotz Widerstandes des anderen Ehegatten geschieden werden.

Davon zu unterscheiden ist die Ehescheidung in besonderen Härtefällen, in denen sie ausgeschlossen werden kann. Gemäß § 1568 BGB kann im Ausnahmefall eine Ehe trotz Vorliegens der Scheidungsvoraussetzungen nicht geschieden werden, denn nach dieser Vorschrift kann eine Scheidung in zwei Härtefällen ausgeschlossen sein:

Eine Scheidung kann dann ausgeschlossen sein, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist. Aber: Erforderlich ist eine wesentliche Verschlechterung der Kindesverhältnisse durch die Scheidung. Diese müsste also zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls führen, beispielsweise: Das Kind droht im Falle der Scheidung mit Selbstmord, so hat beispielsweise das Oberlandesgericht Hamburg am 17.12.1985 entschieden. Nicht ausreichend sind daher alle mit der Trennung verbundenen nachteiligen Folgen für die Kinder, wie etwa Probleme mit dem Unterhalt oder dem Umgangsrecht.

Außerdem kann auch nicht geschieden werden, wenn die Scheidung für den anderen Ehegatten aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine schwere Härte darstellen würde. Aber: Nicht ausreichend sind die üblichenen mit der Trennung oder Scheidung verbundenen Nachteile, wie etwa die psychische Belastung, die Verschlechterung der Lebenssituation und der Verlust der Ehewohnung.

Nachfolgend ein paar Beispiele, in denen ein Härtefall bejaht wurde:

- Suizidgefahr des minderjährigen gemeinsamen Kindes

- Suizidgefahr des scheidungsunwilligen Ehegatten

- 85-jähriger Ehemann ist in seinen letzten Lebensjahren teilweise gelähmt und pflegebedürftig

- eine im Pflegeheim befindliche Ehefrau verliert durch die Scheidung ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland.

Zu beachten ist aber, dass der Ausschluss der Scheidung aufgrund eines Härtefalls nicht dauernd gilt! Die Ehe soll nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Härtefall wegfällt. Dem Betroffenen soll zunächst die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die veränderte Lebenssituation nach der Ehe einzustellen, bis dahin wird nicht geschieden. Hat sich der Ehegatte aber auf die veränderte Lebenssituation eingestellt, dann kann auch hier geschieden werden.

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Landgericht Hamburg: Volle Haftung bei Auffahren auf "wegen Martinshorn abgebremstes Fahrzeug "

Das Landgericht Hamburg:

Fährt beim Anfahren an einer Kreuzung das hintere Fahrzeug auf das vordere auf, weil dessen Fahrer sein Fahrzeug wegen eines wahrgenommenen Martinshorns abgebremst hat, haftet der Hintermann nach Auffassung des Landgerichtes Hamburg voll. Die einfache Betriebsgefahr des vorderen Fahrzeugs tritt in dieser Konstellation zurück.

Zum Sachverhalt:

Die beiden Pkw standen hintereinander, die Klägerin vorne, dahinter der Beklagte. Sie standen an einer roten Ampel auf einem Fahrstreifen für Rechtsabbieger. Als die Ampel auf „grün“ schaltete, fuhren beide Fahrzeuge an. Während des Anfahr- und Abbiegevorgangs hörte die Klägerin das akustische Signal eines Rettungswagens und unternahm eine Bremsung. Der Beklagte fuhr auf. Die Klägerin wurde verletzt und ihr Fahrzeug beschädigt.

Zwischen den Parteien war unstreitig, dass ein Einsatzfahrzeug in der Nähe war. Jedoch wies der Beklagte darauf hin, dass der Rettungswagen sich an der gegenüberliegenden Straßenseite befunden habe.

Das Gericht entschied dennoch auf volle Haftung des Beklagten. Im Rahmen der Abwägung gegenseitiger Betriebsgefahren und Verursachungsbeiträge könnten nur feststehende Tatsachen berücksichtigt werden. Der Anscheinsbeweis streite hier für die Klägerin. Es sei unstreitig, dass sie gebremst habe. Ein Verkehrsverstoß nach § 4 StVO könne nur darin liegen, wenn die Klägerin plötzlich scharf gebremst habe. Das hat aber der Beklagte noch nicht einmal behauptet. Dass die Klägerin abgebremst habe, entspreche sogar ihrer gesetzlichen Verpflichtung. Denn wer ein Martinshorn höre, dürfe erst weiterfahren, wenn er sich überzeugt habe, dass er oder sie dieses Einsatzfahrzeug nicht behindern werde.

Über Unfälle, die anlässlich einer Einsatzfahrt sich ereignen, wird häufig gestritten. Für den Ansatz der Betriebsgefahr auf Seiten der Klägerin ist in solchen Konstellationen tatsächlich kein Raum mehr. Der Hintermann muss gerade beim Anfahren an einer Kreuzung ständig mit dem Abbremsen rechnen, weil der Vordere mehr sieht oder mehr hört.

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OLG Hamm: Krankenhaus haftet nach fehlerhafter Operation auch für grobe Behandlungsfehler bei Revisionsoperation in einem anderen Krankenhaus

Ein für die erste Operation verantwortliches Krankenhaus kann auch für die Folgen einzustehen haben, die dem Patienten durch eine grob behandlungsfehlerhaft durchgeführte Revisionsoperation entstehen. Das hat das Oberlandesgericht Hamm im Urteil vom 15.11.2016 entschieden. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes Bochum hat der 26. Zivilsenat die Ansicht vertreten, dass die fehlerhafte Revisionsoperation im Juni 2009 den rechtlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem ersten Behandlungsfehler und den weiteren Schadensfolgen nicht unterbrochen hat.

Zum Sachverhalt:

Die Patientin ist 1962 geboren, aus Recklinghausen, litt an erheblichen Magenbeschwerden. Sie hatte eine Magenanomalie. Diese ließ sie im April 2009 im beklagten Krankenhaus in Recklinghausen operieren. Bei der Operation wurden die Nähte fehlerhaft so gesetzt, dass es erneut zum Abkippen und einer Verdrehung des Magens kam. Daraufhin war eine Revisionsoperation notwendig. Diese wurde im Juni 2009 in einer Klinik in Herne durchgeführt.

Bei dieser zweiten Operation löste der Operateur die bei der ersten Operation fehlerhaft fixierten Nähte. Er versäumte es aber, den Magen der Patientin nunmehr korrekt zu befestigen. Die Abkippung des Magens blieb weiterhin bestehen, längere Zeit unbehandelt und löste bei der Patientin eine Magenblähung aus. Diese Blähung machte eine Magenteilresektion notwendig. Infolge dieser Resektion kam es zu einer Magentransportschädigung. Außerdem stellten sich Wundheilstörungen ein. Die Patientin wurde bis zum Jahr 2013 wiederholt stationär behandelt und musste mehrfach operiert werden.

Von dem beklagten Recklinghäuser Krankenhaus begehrt die Patientin 70.000,00 € Schmerzensgeld sowie Haushaltsführungsschaden. Sie meint, dass das beklagte Krankenhaus aus Recklinghausen auch für die fehlerhafte Revisionsoperation und die weiteren Komplikationen einzustehen habe, die alle eine Folge der fehlerhaft durchgeführten ersten Operation seien. Das Landgericht hatte der Klägerin nur 8.000,00 € Schmerzensgeld und für 3 Monate Haushaltsführungsschaden zugesprochen. Das Landgericht meinte, die fehlerhafte Revisionsoperation habe dazu geführt, dass das beklagte Krankenhaus aus Recklinghausen nicht mehr für die Schäden hafte, die nach dieser Operation eingetreten seien.

Die Patientin legte Berufung ein und war überwiegend erfolgreich. Das beklagte Krankenhaus aus Recklinghausen hafte auch für die weiteren Schadensfolgen, die auf Behandlungsfehler des zweiten Krankenhauses zurückzuführen seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes habe nämlich die fehlerhafte Revisionsoperation im Juni 2009 den rechtlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem ersten Behandlungsfehler und den weiteren Schadensfolgen nicht unterbrochen. Zwar sei in der zweiten Operation grob behandlungsfehlerhaft versäumt worden, den Magen der Patientin korrekt aufzuhängen, diese Revisionsoperation sei aber aufgrund der behandlungsfehlerhaften Erstoperation notwendig gewesen.

Und deshalb haftet das beklagte Krankenhaus aus Recklinghausen.

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Nach einem Unfall muss der Unfallgegner dem Geschädigten auch die Kosten für den Anwalt bezahlen

Eigentlich ist das klar: Denn im Rahmen eines Unfalls sind dem Geschädigten nach regelmäßiger Rechtsprechung auch die Anwaltskosten als Schadensersatz zuzusprechen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main musste dazu aber eine Entscheidung fällen.

Interessant ist daran insbesondere, dass das OLG einen Rechtsanwalt bei der Unfallabwicklung für geradezu erforderlich hält. Wer also nach einem Unfall keinen Anwalt einschaltet, kann nach Ansicht des Gerichtes wegen der unüberschaubaren Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen und ähnlichem, nicht sicher sein, ob der eigene Schaden korrekt und vollständig beziffert wurde.

Deshalb müssen die Anwaltskosten grundsätzlich von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners getragen werden.

Das ist vielen unbekannt! Unfallopfern werden auch die erforderlichen Anwaltskosten ersetzt, und nicht nur die Schäden, die durch die Kollision am Fahrzeug oder an der Gesundheit entstanden sind. Das Oberlandesgericht verdeutlichte, dass auch bei einfachen Verkehrsunfällen die Einschaltung eines Anwalts als erforderlich anzusehen ist. Begründet wird dies damit, dass die komplexen Schadensberechnungen einen Fachmann erfordern würden. Insbesondere sei dies der Fall, weil die Rechtsprechung im Hinblick auf die Schadenssummen bei Unfällen nicht einheitlich und häufig sehr gespalten ist. Gerade, wenn Mietwagen an den Unfällen beteiligt sind. In diesen Fällen sind nach Ansicht des Gerichtes die Kalkulationen schwierig festzustellen, so dass ein erfahrener Anwalt diese Unsicherheiten am besten ausräumen kann.

Das Gericht geht sogar noch weiter und wirft einem Unfallopfer, welches die Schadenspositionen auf eigene Faust geltend zu machen versucht, eine fahrlässige Vorgehensweise voraus.

Das Oberlandesgericht spricht deutliche Worte: Diese verständlichen Lücken im rechtlichen Wissen vieler juristischer Laien, versuchen die Versicherungen der Unfallverursacher sich zunutze zu machen, indem sie zunächst die berechtigten Ansprüche kürzen. Es empfiehlt sich, wie das Oberlandesgericht jedem Unfallgeschädigten anrät, einen Anwalt bei der Abwicklung von Verkehrsunfallschäden einzuschalten. Dieser kann ein Schreiben an die Versicherungen aufsetzen, um mit Nachdruck zu verdeutlichen, dass der Geschädigte sich nicht so einfach abweisen lässt.

Somit sieht das Oberlandesgericht die Beauftragung eines Anwaltes quasi als ein „Muss" in Unfallstreitigkeiten und eine Nichteinbeziehung als fahrlässig. Damit soll verhindert werden, dass die Versicherungen die fehlenden juristischen Fachkenntnisse eines Unfallgeschädigten zu dem Vorteil der Versicherung ausnutzen. Das Urteil zeigt eindrucksvoll, dass mittlerweile auch Gerichte die Einschaltung eines (Fach-) Anwaltes in die Unfallabwicklung als Standard ansehen. Hiervon sollten Betroffene dementsprechend unbedingt Gebrauch machen.

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Weisungsrecht des Familiengerichtes bei Gefährdung des Kindeswohls

Sachverhalt:

Der Lebensgefährte der Kindsmutter hat unter anderem wegen wiederholtem sexuellen Missbrauchs von Kindern eine Freiheitsstrafe verbüßt. Das Familiengericht hat der Kindsmutter und ihrem Lebensgefährten Weisung zum Schutz des Kindes erteilt. Diese Entscheidung bestätigt der Bundesgerichtshof am 23.11.2016:

Der Lebensgefährte war in den Jahren 2000 und 2004 wegen mehrerer Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern, auch Vergewaltigung, rechtskräftig verurteilt worden und hatte deshalb einen 4 ½-jährige Freiheitsstrafe bis Dezember 2009 vollständig verbüßt. Danach stand er bis Februar 2016 unter einer dauernden Führungsaufsicht. Im April 2015 war ihm verboten worden, zu Kindern und Jugendlichen weiblichen Geschlechts Kontakt aufzunehmen, außer in Begleitung und unter Aufsicht eines Sorgeberechtigten. Ferner war er im Jahr 2012 wegen Besitzes von kinder- und jugendpornografischen Schriften und im Jahr 2013 wegen Nachstellung rechtskräftig verurteilt worden.

Auf Anregung des Jugendamtes hatte das Amtsgericht (Familiengericht) im Juli 2015 der Kindsmutter Teile des Sorgerechtes entzogen und auf das Jugendamt übertragen bzw. das Jugendamt als Ergänzungspfleger bestellt. Das Jugendamt veranlasste, dass das minderjährige Kind (7 Jahre alt) zunächst bei einer befreundeten Familie und anschließend in einem Kinderhaus wohnte. Hintergrund war, dass die zunächst alleinsorgeberechtigte Kindsmutter Mitte 2015 mit ihrer damals 7-jährigen Tochter in den Haushalt ihres Partners eingezogen war. Daraufhin wurde das Kind fremd untergebracht.

Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde der Kindsmutter die Wirksamkeit dieses Beschlusses im September 2015 ausgesetzt und der Mutter sowie dem Lebensgefährten Weisungen erteilt. Der Mutter hat es untersagt, das Kind ohne ihre gleichzeitige Anwesenheit mit dem Lebensgefährten verkehren zu lassen und zwischen 22:00 Uhr und 08:00 Uhr den Aufenthalt des Kindes in derselben Wohnung wie der Lebensgefährte zuzulassen.

Gegen den Lebensgefährten hat das Familiengericht entsprechende Verbote ausgesprochen.

Ferner hat es der Mutter aufgegeben, jederzeit unangekündigte Besuche des Jugendamtes zu gestatten. Das minderjährige Kind ist daraufhin in den Haushalt der Kindsmutter zurückgekehrt. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichtes abgeändert und die bereits ausgesprochenen Weisungen wiederholt. Angesichts einer bei dem Lebensgefährten sachverständig festgestellten 30%-igen Rückfallwahrscheinlichkeit seien die angeordneten Ge- und Verbote erforderlich.

Hiergegen legte die Kindsmutter Rechtsbeschwerde ein, weil sie den Wegfall der Ge- und Verbote anstrebte. Hier ist sie vor dem Bundesgerichtshof ohne Erfolg geblieben.

Denn:

Gem. § 1666 Abs.1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls erforderlichen Maßnahmen zu treffen, zu deren Abwendung die sorgeberechtigten Personen nicht gewillt oder in der Lage sind. Eine Kindeswohlgefährdung liegt dann vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts seien umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerwiegender der drohende Schaden ist. Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit müsse allerdings in jedem Fall auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. Außerdem müsse der drohende Schaden für das Kind erheblich sein.

Sofern eine Kindeswohlgefährdung festgestellt wird, habe das Gericht regelmäßig aus einer Vielzahl grundsätzlich möglicher Maßnahmen nach seinem Ermessen die gebotene Auswahl zu treffen.

Im vorliegenden Fall hatte ein Sachverständiger festgestellt, dass eine zwar nicht überwiegende, aber durchaus erhebliche Gefahr besteht, dass der Lebensgefährte gegenüber dem Kind in ähnlicher Weise übergriffig wird, wie in den Fällen, die seinen Verurteilungen in den Jahren 2000 und 2004 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu Grunde lagen. Die darauf vom Oberlandesgericht erfolgte Annahme, dass dem Kind schwerwiegender Schaden drohe, der mit einem sexuellen Missbrauch verbunden wäre, bestand eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Schädigung.

Auch die vom Oberlandesgericht getroffenen einzelnen Maßnahmen seien rechtlich nicht zu beanstanden. Sie stellen zwar einen Eingriff in die Grundrechte der Kindsmutter dar, seien aber in § 1666 Abs. 3 u. 4 BGB ausdrücklich benannt oder aber mit den dort aufgezählten Maßnahmen vergleichbar. Angesichts der schweren möglichen Folgen eines nur einmaligen Missbrauchs seien die getroffenen Maßnahmen auch im Hinblick auf die erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung der Mutter, des Kindes und des Lebensgefährten und unter Berücksichtigung des festgestellten Grades der Rückfallgefahr zumutbar.

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BGH: Kein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr allein durch scharfes Ausbremsen

Auch wenn sich der Abstand zwischen zwei Fahrzeugen aufgrund einer starken Bremsung stark verringert, muss im Urteil festgestellt werden, dass es zu einer konkreten Gefährdung von fremden Sachen mit bedeutendem Wert gekommen ist und der Täter mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat, ansonsten ist kein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gegeben.

Zum Sachverhalt:

Die Angeklagten A und B haben sich in einer Spielothek aufgehalten und bemerkt, dass der Nebenkläger N an einem Automaten etwa 700,00 € gewonnen hat. B hat A vorgeschlagen, sich gemeinsam diesen Gewinn zu verschaffen, womit A einverstanden war. B wollte N mit der Behauptung konfrontieren, er (N) habe ein in Wahrheit nicht existierendes Drogenversteck leergeräumt und müsse den Gewinn als Schadenswiedergutmachung zahlen.

A und B sind davon ausgegangen, dass N das Geld widerstandslos, ohne Anwendung von Gewalt oder Drohung, herausgeben werde. Auf der Landstraße hat B auf Anweisung von A den Pkw von N mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 km/h überholt. Kurz darauf hat der fahrende Angeklagte bis zum vollständigen Stillstand das Kfz abgebremst, weshalb N ebenfalls stark abbremsen musste, um eine Kollision zu vermeiden.

Zunächst hat der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen 15 – 20 Meter betragen, beide Fahrzeuge sind schließlich im Abstand von wenigen Metern zum Stehen gekommen. Die Angeklagten haben darauf vertraut, dass es nicht zu einem Zusammenstoß kommt. B ist in das Fahrzeug von N eingestiegen und hat ihn aufgefordert, ihm zu folgen, dann würde ihm nichts passieren. N ist mit zum Festplatz gefahren, wo er sich auf eine Rückbank gesetzt hat. Die Angeklagten haben N in aggressivem Ton mit der Geschichte konfrontiert und aufgefordert, den Gewinn als Wiedergutmachung für die Betäubungsmittel herauszugeben. N, der das Vorhaben der Angeklagten erkannt hat, hat vorgegeben, den Gewinn seinem Cousin übergeben zu haben. Darauf haben die Angeklagten aggressiv reagiert und N aufgefordert, seine Hosentaschen zu leeren und haben das Auto durchsucht. Zugleich hat man ihm Schläge angedroht und gesagt, man werde zum Cousin fahren und auch diesen „aufs Maul hauen“. Der verängstigte N hat sein Handy und eine Schachtel Zigaretten übergeben. Das Portmonee wurde nur zufällig gefunden. In dem Portmonee befanden sich ca. 700,00 €. Aus Wut haben die Angeklagten N am Hals gepackt und sein Gesicht gewaltsam in die Scheibe der Fahrertür gedrückt. Als man von N abgelassen hat, ist diesem die Flucht gelungen.

Das Landgericht hat einen der Angeklagten wegen Nötigung in Tateinheit mit gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zusammentreffend mit Raub zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den anderen Angeklagten hat es wegen Nötigung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr sowie wegen Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Einer der Angeklagten hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

Die Revision sei teilweise erfolgreich. Soweit das Landgericht das Ausbremsen von N als fahrlässigen Eingriff in den Straßenverkehr gewertet habe, werde der Schuldspruch von den Feststellungen nicht getragen. Ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr sei dann von § 315 b StGB erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kfz in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetze, er mithin in der Absicht handele, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“, und es ihm darauf ankomme, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Darüber hinaus setze die Strafbarkeit voraus, dass durch den Eingriff Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden. Schließlich müsse das Fahrzeug mit Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht werden.

Gemessen daran würden die Feststellungen hier einen fahrlässigen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nicht begründen. Der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen habe sich infolge der starken Bremsung verringert. Anhaltspunkte für eine Vollbremsung bestünden nicht. Die Angeklagten hätten zwar erkannt, dass ihr Bremsvorgang die Gefahr eines Zusammenstoßes geschaffen habe, aber darauf vertraut, dass sich dieses Risiko nicht verwirklichen werde. Außerdem enthielten die Urteilsgründe keine Feststellungen zum Wert der Fahrzeuge. Zwar hätten die Angeklagten in verkehrsfeindlicher Gesinnung ein Hindernis bereitet, eine konkrete Gefährdung könne den Feststellungen indes nicht entnommen werden.

 

Ein „Beinahe-Unfall“ werde von den Feststellungen nicht getragen und es fehle am Schädigungsvorsatz. Sämtliche zum Nachteil von N verwirklichten Tatbestände würden aufgrund der ununterbrochenen fortdauernden, nötigenden Einwirkung zur Tateinheit verbunden. Der Senat schließe daher aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die Grundlage einer tateinheitlichen Verurteilung auch wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr bilden können. Der Schuldspruch werde daher geändert, wodurch dem Strafausspruch die Grundlage entzogen sei, zumal das Landgericht nicht geprüft habe, ob wegen der Entschuldigung eines der Angeklagten eine Strafmilderung vorzunehmen sei.

Fazit:

Der BGH bestätigt mit dieser Entscheidung seine neuere Rechtsprechung, wonach zur Annahme des subjektiven Tatbestandes des § 315 b Abs. 1 StGB ein Gefährdungsvorsatz in Bezug auf eine konkrete Rechtsgutsgefährdung allein nicht ausreichend ist. Bei Vorgängen im fließenden Verkehr, wie im vorliegenden Fall, muss der gerade zweckwidrige Einsatz des Fahrzeuges in verkehrswidriger Absicht vom Täter gewollt sein, damit dieser mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Anderenfalls würden sich auch die sog. „Verkehrserzieher“, die die anderen Verkehrsteilnehmer auf deren – nach ihrer Auffassung – fehlerhaften Verhalten hinweisen oder auf andere Art und Weise schikanieren wollen, wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar machen. Wenngleich der Vorwurf naheliegt, dass sie die Nutzung ihres Fahrzeuges pervertieren, so wird doch in der Regel der Vorsatz fehlen, einen Unfall mit einem Personen- oder Sachschaden herbeizuführen. Eine Nötigung kommt, wie auch hier der entscheidende Fall zeigt, hingegen regelmäßig in Betracht, so dass die restriktive Auslegung des § 315 b StGB geboten und angemessen ist.

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Bundesrat beschließt neue Mindestanforderungen an Gutachter

Der Bundesrat hat am 23. September 2016 das Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts gebilligt. Danach sollen künftig nur noch besonders qualifizierte Sachverständige familiengerichtliche Gutachten erstellen dürfen.

Mindestanforderungen für die Sachverständigen

Sachverständige müssen eine psychologische, psychotherapeutische, psychiatrische oder ärztliche Berufsqualifikation haben. Pädagogen oder Sozialpädagogen können nur dann berufen werden, wenn sie über eine diagnostische oder analytische Zusatzqualifikation verfügen.

Bisher gab es keine förmlichen Anforderungen an die Ausbildung der Gutachter! Laut Bundesrat werden in Deutschland jährlich 270.000 familiengerichtliche Gutachten verfasst. Dabei gehe es in der Regel darum, welche Maßnahmen etwa bei Sorgerechtsentzug, Umgangsregelung für das Wohl des Kindes oder zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung erforderlich sind. In jüngster Zeit wird von Bürgerinnen und Bürgern sowie der öffentlichen Berichterstattung zunehmend die Unabhängigkeit und Neutralität gerichtlich bestellter Sachverständiger in Einzelfällen infrage gestellt. Zudem wird beanstandet, das gerichtliche Gutachten teilweise nicht die erforderliche Qualität aufweisen. Dies sei bisweilen – etwa bei medizinischen Gutachten – auch auf eine fehlerhafte Auswahl der Sachverständigen durch die Gerichte zurückzuführen. Die Regierungskoalition hat sich deshalb im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode die Gewährleistung der Neutralität gerichtlich beigezogener Sachverständiger sowie die Verbesserung der Qualität von Gutachten zum Ziel gesetzt. Durch größere Transparenz im gerichtlichen Auswahlverfahren sollen das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Neutralität der Sachverständigen erhöht werden und sichergestellt werden, dass die Gerichte qualifizierte Sachverständige ernennen.

Die in Fachkreisen und in den Medien verstärkt geäußerte Kritik an mangelhaften Gutachten in familiengerichtlichen – insbesondere in kindschaftsrechtlichen – Verfahren und an der zum Teil unzureichenden Qualifikation der Sachverständigen hat ebenfalls rechtspolitischen Handlungsbedarf ausgelöst. Der Koalitionsvertrag der Fraktionen von CDU / CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode sieht vor, dass die Qualität dieser Gutachten in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden verbessert werden soll.

Schließlich ist ein effizienter Rechtsschutz nur gewährleistet, wenn die Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles angemessen ist. Erhebliche Verzögerungen treten insbesondere dann auf, wenn vom Gericht Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Die Vorschriften zum Sachverständigenrecht sollen daher auch mit dem Ziel ergänzt werden, eine möglichst zügige Erstattung von Sachverständigengutachten unter gleichzeitiger Wahrung der Verfahrensgarantien zu erreichen. Der Entwurf sieht vor, die beteiligten Rechte der Parteien bei der Auswahl des Sachverständigen zu stärken und eine möglichst breite Entscheidungsgrundlage für das Gericht zu schaffen, in dem gesetzlich normiert wird, dass in der Regel eine Anhörung der Beteiligten vor der Ernennung eines Sachverständigen zu erfolgen hat.

Zudem hat der Sachverständige zur Gewährleistung der Neutralität unverzüglich zu prüfen, ob Gründe vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen und diese dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

In Kindschaftssachen sollen zur Verbesserung der Qualität der Gutachten Qualifikationsanforderungen für Sachverständige gesetzlich vorgegeben werden. Parallel dazu und entsprechend der Koalitionsvereinbarung entwickeln die Berufsverbände Mindestanforderungen an die Qualität von Gutachten in Kindschaftssachen.

Zur effektiven Verfahrensbeschleunigung hat das Gericht schließlich dem Sachverständigen bei Anordnung der schriftlichen Begutachtung eine Frist zur Übermittlung des Gutachtens zu setzen. Missachtet der Sachverständige die Frist, soll künftig gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, das bis zu 5.000,00  € betragen kann.

Es wird zudem klargestellt, dass das Gericht auch eine schriftliche Ergänzung und Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen anordnen kann.

 

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OLG Hamm: Kein Wertersatz ohne Sachverständigengutachten für möglicherweise mangelhaften Bentley

zu OLG Hamm, Urteil vom 22.03.2016 – 28 U 44/15, VIII ZR 87/16

Mängel an einem eingebauten Navigationssystem in einem Bentley sind lediglich aufzuklären, wenn das mangelhafte Navigationssystem durch einen Sachverständigen begutachtet werden kann. Kann der Käufer die Untersuchung des Wagens nicht ermöglichen, beispielsweise wegen Verkauf des Bentleys, kann sein Anliegen gegenüber dem Verkäufer schon deshalb erfolglos bleiben. So entschied das Oberlandesgericht Hamm am 22.03.2016 (Urteil vom 22.03.2016, Az.: 28 U 44/15, nicht rechtskräftig, beim BGH: BIII ZR 87/16).

Sachverhalt:

Eine klagende Firma aus Bad Salzuflen, die auf dem Immobiliensektor tätig ist, kaufte im September 2013 bei einem Autohaus einen Bentley Continental GTC für etwa 200.000,00 Euro. Nach Kauf des Wagens stellte  sie fest, dass das Navigationssystem falsche bzw. nicht existenten Wegführungen vorschlägt. Die Beklagte teilte im April 2014 mit, dass laut Herstellerangaben ein Fehler in der Grundprogrammierung der Software vorliege, der durch Softwareaktualisierung bis Ende 2014 behoben werden solle. Die Klägerin  wollte nicht so lange abwarten und trat daraufhin vom Kaufvertrag zurück. In dem darauffolgenden Prozess verlangte sie die Rückzahlung des Kaufpreises aufgrund des mangelhaften Navigationssystems, dieses sei beinahe unbrauchbar. Die Beklagte trug vor, das Navigationssystem entspreche dem Stand der Technik, Einbaugeräte seien aber nie auf dem neuesten Stand und müssten deshalb in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Im Übrigen sei der Mangel nicht erheblich. In erster Instanz gab das Landgericht der Beklagten Recht und wies die Klage durch Urteil ab. Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Nach Zwischenzeitlicher Veräußerung des Bentleys forderte die Klägerin nunmehr 25.000,00 €.

Mängel waren nicht nachweisbar:

Das Gericht sah von der Einholung eines Sachverständigengutachtens ab, weil das streitbefangene Fahrzeug durch den Weiterverkaufe für eine Begutachtung nicht mehr zur Verfügung stand. Das darauffolgende Urteil wies die Berufung ab. Der geltend gemacht Anspruch stünde ihr nicht zu, weil sie den Schaden am Navigationssystem zum Zeitpunkt des Wiederverkaufs nicht nachweisen konnte.

Abweichungen vom Stand der Technik kann nur Sachverständiger feststellen

Als Käufer kann man ein Navigationsgerät mit der für ein Neufahrzeug des verkauften Modells aktuellen Hard- und Software erwarten. Dass das in den Wagen eingebaute Navigationssystem einen technischen Fehler aufgewiesen habe und deswegen vom Stand der Technik abgewichen sei, habe die insoweit beweisbelastete Klägerin nicht nachgewiesen. Ein derartiger Mangel lasse sich auch unter Berücksichtigung eines möglichen Fehlens in der Grundprogrammierung im vorliegenden nur durch Sachverständigengutachten klären, weil der Sachverständige das in dem verkauften Wagen eingebaute Navigationssystem untersuchen müsse. Ein Gutachten dieser Art könne nicht mehr eingeholt werden, weil die Klägerin den Bentley bereits verkauft habe und nicht mehr für eine Begutachtung zu Verfügung stellen könne.

Vorsätzliche Ordnungswidrigkeit bei 78 km/h innerorts bejaht das OLG Hamm

zu OLG Hamm, Beschluss vom 10.05.2016 – 4 RB´s 91/16

Je nach der Schwere des Verstoßes, muss derjenigen mit einem Verwarnungs- oder Bußgeld rechnen, der innerhalb einer geschlossenen Ortschaft mit dem Auto schneller als 50 km/h fährt.Im Regelfall richtet sich die Höhe des Verstoßes nach dem Bußgeldkatalog. Handelt es sich jedoch um eine vorsätzliche Begehungsweise droht ein erhöhtes Bußgeld. Das OLG Hamm hat einem Autofahrer, der mit seinem Pkw innerorts 28 km/h zu schnell unterwegs war, solch einen Vorsatz unterstellt (Beschloss vom 10.05.2016, Az.: 4 Rbs 91/16).

Vorsatz: 28 km/h zu schnell:

Der 55 Jahre alte Betroffene aus Höxter, der bereits mehrfach verkehrsrechtlich auffiel, ist im August innerhalb eines Ortes bei einem Überholmanöver mit 78 km/h unterwegs gewesen und ist dabei von der Polizei mittels Lasermessung überführt worden. Das Amtsgericht Höxter ahndete die Sache des Betroffenen, der den Verkehrsverstoß ausübte, mit einem Bußgeld in Höhe von 300,00 € und verhängte damit eine Geldbuße. Der vorhergesehene Betrag für solch derartige Geschwindigkeitsüberschreitungen liegt bei 100,00 € also somit deutlich höher als im Bußgeldkatalog vorgeschrieben ist. Das Amtsgericht ging dabei von einer vorsätzlichen Begehung aus und so wurde zu Lasten des Betroffenen die Voreintragungen mitberücksichtigt. Gegen die Verurteilung legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein, diese wurde jedoch unbegründet vom Vierten Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm mit Beschluss verworfen.

OLG: Durch vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung zu Recht verurteilt

Zu Recht wurde der Betroffene wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung nach Ansicht des Senats verurteilt. So heißt es wer die Geschwindigkeitsüberschreitung kenne und bewusst dagegen verstößt, der handele vorsätzlich. Es kommt auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit an, um herauszufinden, ob das Handeln des Betroffenen mit der Überschreitung der Geschwindigkeit vorsätzlich war oder nicht.

Richtwert: 40 % Überschreitung=Vorsatz

Das OLG Hamm sagt, die Tat des Fahrers, hängt vom persönlichen Wissen und der inneren Einstellung ab, ob man vorsätzlich zu schnell fährt oder ob es tatsächlich nur fahrlässig gewesen ist.  Aber das weiß der Betroffene Fahrer nur selbst. Der Richter könne auf sie aber aus Indizien zurückschließen. Der Senat ging insoweit von dem Erfahrungssatz aus, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibe, wenn er die zulässige  Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % überschreitet so auch Übereinstimmung mit anderer obergerichtlicher Rechtsprechung. Im Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle ist es hier nämlich der Fall gewesen, der Betroffene habe die Geschwindigkeit um mehr als 50 % überschritten, indem er ein anderes Fahrzeug überholte. Solch einen Verstoß müsse der Tatrichter nicht mit weitergehenden Feststellungen begründen, wenn bei diesem Falle klar ersichtlich ist, dass man die Geschwindigkeit vorsätzlich überschritten hat.

Bei Vorsatz tritt die Verkehrs-Rechtsschutzversicherung nicht ein

Erhebliche Konsequenzen könne die unterschiedliche Einschätzung für den Betroffenen haben, so das OLG weiter: Der Betroffene muss damit rechnen, falls er wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeit verurteilt wird, dass er nicht nur höheres Bußgeld zahlen muss sondern er riskiert ebenso den Eintritt seiner Verkehrs-Rechtsschutzversicherung, weil diese bei vorsätzlichen Ordnungswidrigkeiten die Kosten fürs Gericht und dem Anwalt nicht mehr übernehmen.

 

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Bundesarbeitsgericht: Tarifliche Stichtagsregelung kann mittelbar altersdiskriminierend sein

Zum Sachverhalt:

Der Kläger ist bei der beklagten Fluggesellschaft als Pilot beschäftigt. Außerdem ist er Mitglied der Tarifschließenden Gewerkschaft. Sein Arbeitsverhältnis begann am 01.03.1990 bei einer Konzerngesellschaft und er wechselte zum 30.10.2008 zur Beklagten. Bei der Konzerngesellschaft und bei der Beklagten galten unterschiedliche Tarifverträge zur Regelung der Übergangsversorgung. Für den Kläger beläuft sich der monatliche Rentenanspruch bei Bezug einer Übergangsversorgung nachdem Tarifvertrag der Konzerngesellschaft auf 1.388,88 €, im Fall der Anwendung des Tarifvertrages der Beklagten würde sein Anspruch 8.572,81 € monatlich betragen.

Bis zum 23.06.2016 galt bei der Beklagten ein Tarifvertrag, nachdem sich die Übergangsversorgung für Arbeitnehmer, die von einer Konzerngesellschaft zur Beklagten wechselten, weiter nachdem für die jeweilige Konzerngesellschaft geltenden tariflichen Regelungen richtet. Mit Wirkung zum 23.06.2010 wurde diese Regelung insoweit geändert, als das Wechsel von einer anderen Konzerngesellschaft unter der Voraussetzung in die Übergangsversorgung der Beklagten einbezogen wurden, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Konzerngesellschaft ab 01.12.1992 begonnen hätte. Arbeitnehmer, die wie der Kläger ihr Arbeitsverhältnis mit der Konzerngesellschaft vor dem 01.12.1992 begonnen hatten, blieben von der Übergangsvorschrift der Beklagten ausgeschlossen. Der Ausschluss betraf insgesamt 107 Arbeitnehmer der Beklagten mit einem Durchschnittsalter von 49 Jahren. Die Einbeziehung betraf insgesamt 482 Arbeitnehmer der Beklagten mit einem Durchschnittsalter von 36,5 Jahren.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass sein Ausschluss aus der Übergangsversorgung der Beklagten altersdiskriminierend sei. Er verlangt die Feststellung, dass der Tarifvertrag der Beklagten zur Regelung der Übergangsversorgung auch für ihn gilt. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt.

Die Beklagte legte Revision ein, ohne Erfolg. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes ist die tarifliche Stichtagsregelung unwirksam. Sie verstoße mit ihrer Gruppenbildung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung des § 7 Abs. 1 AGG.

Denn:

Die Gruppe derjenigen Arbeitnehmer, die vor dem 01.12.1992 ein Arbeitsverhältnis mit einer anderen Konzerngesellschaft begonnen haben, würde gegenüber der Gruppe derjenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis mit einer anderen Konzerngesellschaft ab dem 01.12.1992 begonnen hat, objektiv schlechter gestellt. Mit der Verwendung des Eintrittsdatums als Differenzierungskriterium erfolge eine mittelbare Diskriminierung nach dem Alter. Die Diskriminierung sei deshalb nicht ausgeschlossen, weil mit der Tarifregelung ein rechtmäßiges Ziel verfolgt würde und die dafür eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich waren                       (§ 3 Abs. 2 AGG). Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes habe die Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt, was das rechtmäßige Ziel der Differenzierung sei. Zwar hat sich diese im Verfahren auf eine „Tarifhistorie“ bezogen, nach der die „Abkopplung“ der Tarifsysteme zwischen den Konzerngesellschaften zum 01.12.1992 beendet worden sei. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes lasse dieser Vortrag sich aber aus den tatsächlich geschlossenen Tarifverträgen nicht ableiten. Dementsprechend sei die Stichtagsregelung als mittelbar altersdiskriminierend anzusehen. Rechtsfolge dieser Benachteiligung sei die Anwendung der diskriminierenden Regelung (§ 7 Abs. 2 AGG). Da diese in einer Ausgrenzung der diskriminierten Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich einer begünstigenden Regelungen bestehe, sei auf die Angehörigen der durch die Diskriminierung benachteiligten Gruppe die gleiche Regelung wie auf die begünstigten Arbeitnehmer anzuwenden, um die Benachteiligung zu beseitigen.

Kurz und gut:

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Ausschluss von Arbeitnehmern, die vor einem bestimmten Stichtag ein Arbeitsverhältnis begonnen haben von tariflichen Leistungen eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellen. Zu dieser Diskriminierung bedürfe es einer Rechtfertigung, die zumindest ein erkennbar legitimes Ziel der differenzierenden Regelung erkennen lassen muss.

 

Das Bundesarbeitsgericht betont in seinen Orientierungssätzen, welche Anforderungen das Verbot der Altersdiskriminierung an Stichtagsregelungen in Kollektivvereinbarungen stellt: Die Wahl des Stichtags muss sich am gegebenen Sachverhalt orientieren, sie muss vertretbar erscheinen und sie darf nicht gegen gesetzliche Regelungen verstoßen. Praktische Bedeutung hat insbesondere die erste Voraussetzung der Orientierung am gegebenen Sachverhalt. Wegen Fehlens dieser Voraussetzung hat das Bundesarbeitsgericht etwa jüngst „Spätehenklauseln“ in betrieblichen Altersversorgungssystem für unwirksam erklärt, die den Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung auf ein Zeitpunkt vor Erreichen der Regelaltersgrenze festsetzen. Das solche Stichtagsregelungen oft Ergebnis eines Kompromisses nach langen Verhandlungen darstellen, reicht für eine Rechtfertigung nicht aus.

 

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OLG Hamm: Patientenwunsch rechtfertigt keine Fehlbehandlung

Zum Sachverhalt: Die heute 50 jährige Klägerin ließ sich Ende 2008 bis Anfang 2010 vom beklagten Zahnarzt behandeln. Sie war mit einer durch einen anderen Zahnarzt eingegliederten Krone im Seitenzahnbereich unzufrieden. Deshalb äußerte sie den Wunsch nach einer Sanierung ihrer Frontzähne. Der Beklagte Zahnarzt stellte in der Funktion gestörte Kiefergelenke, eine CMD fest. Diese wollte er zunächst mit einer Aufbiss-Schiene therapieren. Danach sollten die Seitenzähne stabilisiert werden, um erst dann mit der Sanierung der Frontzähne zu beginnen. Auf Wunsch der Kläger – so die Darstellung des Beklagten – begann er dann jedoch vorzeitig mit der Frontzahnsanierung.

Schadensersatz begehren wegen fehlerhafter Behandlung erstinstanzlich erfolgreich

In Folge der Behandlung stellten sich bei der Klägerin eine zu niedrige Bisshöhe und eine Kompression der Kiefergelenke ein. Sie war jetzt der Ansicht, dass es zu einer fehlerhafter zahnärztlichen Behandlung gekommen sei, sodass die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz verlangt, unter anderem 25.000,00 € Schmerzensgeld, ca. 17.300,00 € Haushaltsführungsschaden sowie die Rückzahlung des an den Beklagten geleisteten Zahnarzt Honorars von ca. 3750,00 €.

Das zuständige erstinstanzlich Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben, die Ersatzpflicht des Beklagten für weitere Schäden festgestellt und ihn Zurückzahlung des Zahnarzthonorars verurteilt.

Fehlerhafte Behandlung führte zu Kompression der Kiefergelenke

Die Berufung des Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil ist erfolglos geblieben. Das OLG Hamm ließ sich von einem zahnmedizinischen Sachverständigen beraten und hat die vom Landgericht dem Grunde nach festgestellte Schadensersatzpflicht des Beklagten bestätigt. Die Klägerin habe unter einer  CMD gelitten. Diese habe der Beklagte zunächst auch fachgerecht therapieren wollen. Davon habe er sich aber abbringen lassen und die notwendige Schienentherapie nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt. Die endgültige Frontzahnsanierung habe er Behandlungsfehlerhaft zu früh begonnen. Hierdurch sei die Bisshöhe falsch festgelegt worden, es habe sich eine Kompression der Kiefergelenke eingestellt, die durch die weitere Behandlung nicht beseitigt worden sei.

Haftung auch bei Hinweis auf abweichen vom medizinischen Standard

In diesem Zusammenhang könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die Klägerin ein Vorziehen der Frontzahnsanierung ausdrücklich verlangt habe. Selbst wenn man ein solches Verlangen unterstellen würde, verstöße die von der Klägerin gewünschte Behandlung gegen den medizinischen Standard und habe vom Beklagten abgelehnt werden müssen. Auch eine eingehende ärztliche Belehrung über die möglichen Behandlungsfolgen legitimiere kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen. Im Übrigen habe der Beklagte auch nicht hinreichend dargelegt, die Klägerin eindringlich auf die dauerhaften Beeinträchtigungen und Auswirkungen einer CMD hingewiesen zu haben.

Die Leistung des Beklagten sei insgesamt unbrauchbar gewesen und könne bei der zukünftigen zahnärztlichen Behandlung der Klägerin keine Verwendung finden. Deshalb habe die Klägerin zudem auch Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Zahnarzthonorars, neben Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden.

Fazit aus dem Urteil des OLG Hamm: Verlangt ein Patient eine Behandlung, die gegen medizinischen Standard verstößt, muss ein Arzt diese ablehnen. Auch eine eingehende ärztliche Aufklärung über die möglichen Behandlungsfolgen legitimiert kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen. Unter Hinweis auf diese Grundsätze hat das Oberlandesgericht Hamm am 26.04.2016 die erstinstanzliche Verurteilung des Zahnarztes bestätigt.

 

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Landgericht Braunschweig: Bedeutender Sachschaden bei Fahrerflucht ab 1500,00 €

Zum Sachverhalt:

Der Beschuldigte fuhr mit seinem VW Golf gegen zwei geparkte Fahrzeuge. Er verursachte dadurch einen Gesamtschaden in Höhe von ca. 1380,00 €. er entfernte sich von der Unfallstelle. Er wartete nicht ab. Später räumte er den Sachverhalt ein und erklärte, dass er beim Abbiegen die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe. Deshalb sei er rechts gegen die geparkten Fahrzeuge gestoßen. Er habe sich sehr erschrocken und sei aber weiter gefahren. Später sei er aber zur Unfallstelle zurückgekehrt. Die beiden Fahrzeuge, die er beschädigt hatte, seien nicht mehr vor Ort gewesen.

Die Staatsanwaltschaft beantragte die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Amtsgericht lehnte den Entzug der Fahrerlaubnis mit der Begründung ab, dass unterhalb eines Betrages von 1500,00 € noch kein bedeutender Sachschaden anzunehmen sei. Es gebe zwar Entscheidungen, dass ab 1300,00 € ein bedeutender Schaden vorlege, diese Entscheidungen lägen aber längere Zeit zurück.

Die Staatsanwaltschaft hat hiergegen Beschwerde eingelegt, weil sie weiterhin der Ansicht ist, dass ab einem Schaden von 1300,00 € ein bedeutender Sachschaden anzunehmen sei. Die Beschwerde hatte aber keinen Erfolg.

Das Landgericht Braunschweig, als Beschwerdeinstanz, hat entschieden, dass nach derzeitigen Stand der Ermittlungen keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden sein, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis durch Urteil entzogen werden müsse. Der Beschuldigte habe sich des Vergehens des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht schuldig gemacht, denn er habe nicht gewusst und auch nicht wissen können, dass bei dem Unfall an fremden Sachen ein bedeutender Schaden entstanden ist.

Zwar läge die Grenze bei einem bedeutenden Sachschaden seit dem Jahr 2002 nach ständiger Rechtsprechung bei 1300,00 €. Darauf verweise die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung zu recht. Auch aktuelle strafrechtliche Kommentare hielten an dem bekannten Wert von 1300,00 € fest.

Jedoch stützten sich sämtliche Kommentierung zur Begründung dieses Schadens alleine auf die dazu ergangene Rechtsprechung. Diese sei aber überwiegend älteren Datums. Die Grenze von 1300,00 € sei seit 2002 anerkannt.

Die allgemeine Geldentwicklung könne aber nicht außer Betracht bleiben. Daher müsse bei einem seit 2002 unveränderten Wert nach nunmehr 14 Jahren eine Anpassung vorgenommen werden.

Das Gericht führt dann aus, dass als Anhaltspunkt die Anpassung der Verbraucherindex sei. Daher erscheine es angemessen, den Wert eines bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 1 Nr. 1 StGB ab dem Jahr 2016 auf mindestens 1500,00 € festzusetzen. Diese Entscheidung des Landgerichtes Braunschweig vom 03.06.2016 ist für die Praxis sehr interessant. Denn in der Tat findet man im Literatur und Rechtsprechung stets für einen bedeutenden Sachschaden noch den „alten“ Betrag von 1300,00 €.

Das Landgericht hat die eigene Rechtsprechung grundlegend geändert.

 

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Gesetzlicher Mindestlohn für Bereitschaftszeiten

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen einer vier-Tage-Woche in zwölf Stunden Schichten durchschnittlich 48 wöchentlich beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach dem Arbeitsvertrag der Parteien die tarifvertraglichen Regelungen des TVöD. Die tarifliche Wochenarbeitszeit beträgt nach § 61 Abs. 1 TVöD-V regelmäßig 39 Stunden. Für Tätigkeiten im Rettungsdienst enthält der Abschnitt B des Anhanges zu § 9 TVöD-V Sonderregelungen für Bereitschaftszeiten. Danach beträgt die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit 12 Stunden zzgl. der gesetzlichen Pausen. § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages bestimmt zudem:

Bei Beschäftigten im Rettungsdienst fallen regelmäßig und im nicht unerheblichen Umfang Bereitschaftszeiten an. Aus diesem Grunde wird die wöchentliche Arbeitszeit unter Anwendung der Sonderregelung im Anhang zu § 9 TVöD auf durchschnittlich 48 Stunden gesetzt.

Das Bruttomonatsgehalt des Klägers beläuft sich auf 2.680,00 €, nebst Zulagen. Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte vergüte Bereitschaftszeiten nicht mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Er begehrt weitere ca. 1.300,00 €, da er bis zu 30 Stunden Vollarbeit schuldet, entfielen, so trägt der Kläger vor, 30/39 seines Regelentgelts auf Vollarbeitszeit und 9/39 auf Bereitschaftszeiten von 18 Stunden pro Woche. Entweder würden von insgesamt 18 Bereitschaftsstunden/Woche nur 9 bezahlt oder diese würden mit dem Rest des Regelentgelts von 618,53 € entgolten, was 7, 90 € pro Stunde entsprechen würde. Durch das in Krafttreten des MiLoG (Mindestlohngesetz) sei die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung unwirksam geworden. Deshalb stehe ihm die übliche Vergütung von 15,81 € Brutto je Arbeitsstunde zu. Die Klage blieb erfolglos.

Der 5. Senat des BAG (Bundesarbeitsgerichtes) hat die zugelassene Revision des Klägers zurückgewiesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat folgendes entschieden: Dem Kläger stehe für seine geleisteten Bereitschaftszeiten keine weitere Vergütung zu. Zwar Bereitschaftszeit mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten, der Anspruch des Klägers hierauf sei aber erfüllt. Bei maximal 228 Arbeitsstunden, die der Kläger mit Vollarbeit und Bereitschaftszeiten in einem Monat tatsächlich leisten könne, erreiche die gezahlte Monatsvergütung den gesetzlichen Mindestlohn. Berechnet wurde: 228 Stunden zu 8,50 € = 1.938,00 € Brutto monatlich. Damit wurde der gesetzliche Mindestlohn nicht nur erreicht, sondern er wurde sogar überstiegen. Einen Anspruch auf weitere Vergütung bestehe nicht. Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung sei nicht wegen des in Krafttretens des MiLoG (Mindestlohngesetz) unwirksam geworden.

Wenig überraschend ist, dass der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichtes die Bereitschaftszeit als Arbeitszeit im Sinne des Mindestlohngesetzes qualifiziert.

Wenn ein Brutto-Monatsentgelt vereinbart wird, ist die Vergütung je Stunde am Brutto-Monatsentgelt zu messen. Es kann also nicht darauf ankommen, dass jede einzelne Bereitschaftsstunde mit 8,50 € vergütet wird, vielmehr  reicht es aus, wenn der Durchschnitt aus monatlichem Bruttoentgelt und den vertraglich geschuldeten bzw. tatsächlich geleisteten Stunden im Ergebnis 8,50 €/Stunde erreicht. Die Bereitschaftszeiten sind also mit der regelmäßigen Vergütung bereits abgegolten. Die innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegenden Bereitschaftszeiten werden also nicht unentgeltlich erbracht, sondern stehen zusammen mit der Vollarbeit in einem synallagmatischen Verhältnis zur Vergütung. Die tarifvertraglichen Regelungen unterscheiden nicht bei der Vergütung zwischen Vollarbeitszeit und Bereitschaftszeit.

 

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Privateigentümer muss Verhältnismäßigkeit von „Abschleppen lassen“ eines Falschparkers nicht prüfen

 

Zum Sachverhalt:

Der Kläger aus Köln stellte seinen PKW am Samstag, 24.10.2015, gegen 22:30 Uhr auf eine Parkfläche für Bahnbedienstete in Augsburg ab. Diese Parkfläche war als privater Parkplatz von der Beklagten Grundstücksbesitzerin gekennzeichnet. Als er am 25.10.2015 um 01:30 Uhr (ca. 3 Stunden später) zu seinem PKW zurückkehrte, war dieser nicht mehr da. Der Kölner wandte sich an die örtliche Polizeidienststelle und erfuhr dort, dass sein Fahrzeug von einem Abschleppdienst auf Veranlassung der Grundstücksbesitzerin abgeschleppt worden war. Die Grundstücksbesitzerin hatte mit dem Abschleppdienst eine Rahmenvereinbarung getroffen. Nach dieser Vereinbarung hat die Grundstücksbesitzerin alle ihre Ansprüche gegen unberechtigte Parkplatznutzer auf Kostenerstattung an den Abschleppdienst abgetreten, sodass der Abschleppdienst nun vom Kläger die Abschleppkosten verlangte. Der Kläger zahlte an den Abschleppdienst insgesamt 253,00 € bevor er sein Fahrzeug wieder in Empfang nehmen konnte. Er hatte hinter der Windschutzscheibe seines PKW´s einen Zettel mit dem Hinweis „bei Parkplatzproblemen bitte anrufen“ mit seiner Mobilfunknummer hinterlassen. Der Kläger ist der Meinung, dass das Abschleppen unverhältnismäßig gewesen sei. Er hätte das Fahrzeug umgehend entfernen können, er habe niemanden behindert. Zudem seien die von ihm verlangten Kosten zu hoch. Den Aufwand für die Dokumentation schulde er nicht, ebenso wenig den Nachtzuschlag. Er verlangte die Abschleppkosten zurück und klagte.

Das Amtsgericht München erklärte dem Kläger: Ein privater Grundstücksbesitzer ist in der Regel berechtigt, Falschparker sofort abschleppen zu lassen, ohne die Verhältnismäßig der Maßnahme beachten zu müssen, solange die Maßnahme erforderlich ist, um die Besitzstörung zu beenden.

Deshalb wies das AG München die Klage ab. Die Beklagte Grundstückseigentümerin habe von dem falsch parkenden Kläger Schadensersatz verlangen können, die Zahlung des Klägers an den Abschleppdienst sei daher mit Rechtsgrund erfolgt. Indem der Kläger sein Fahrzeug auf dem nicht der Öffentlichkeit gewidmeten Grundstück der Beklagten abgestellt habe, habe er deren Eigentum und Besitz verletzt. Hierin liege eine verbotene Eigenmacht und ein teilweiser Besitzentzug (§ 858, 859 Abs. 3 BGB). Der Kläger habe auch schuldhaft gehandelt (§ 823 Abs. 2 S. 2 BGB). Dem Kläger hätte diese Verletzung des Eigentums und des Besitzes der Beklagten beim abstellen seines Fahrzeugs auffallen müssen. Er habe selbst eingeräumt, dass entsprechende Hinweisschilder für eine private Nutzung der Parkfläche vorhanden waren. Der Schaden der Grundstücksbesitzerin liege in den Kosten, die sie wegen Falschparkens des Klägers hatte, also den Abschleppkosten.

Dabei sei die Grundstückseigentümerin, die Beklagte, anders als eine staatliche Stelle, nicht an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, solange ihre Maßnahme dazu erforderlich war, den Schaden (also die Besitzstörung durch den Falschparker) zu beseitigen. So habe die Beklagte, die dort Parkplätze für übernachtende Bahnmitarbeiter bereithält, nicht mitten in der Nacht bei einem ihr völlig unbekannten Kfz-Halter anrufen müssen. Aus dem Zettel, den der Kläger hinter seiner Windschutzscheibe geklemmt hatte, sei nicht hervorgegangen, dass er sich nur wenige Minute auf dem Parkplatz der Beklagten aufhalten wolle. Ebenso wenig habe dem Zettel entnommen werden können, dass sich der Kläger im Fall eines Anrufs sofort wieder einfinden werde. Die Beklagte habe unter diesen Umständen das ihr zur Verfügung stehende effektivste Mittel des Abschleppens wählen  dürfen, um die vom Kläger verübte Eigentumsstörung und die darin liegende verbotene Eigenmacht sofort zu beenden.

 

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Urlaubsabgeltung: EuGH bestätigt Anspruch auf finanzielle Vergütung nach Kündigung bei nicht Verbrauch des Jahresurlaubes

 

Zum Sachverhalt:

Ein Beamter der Stadt Wien wurde auf seinen Antrag mit Wirkung zum 01.07.2012 in den Ruhestand versetzt. In der Zeit vom 15.11.2010 bis 30.06.2012 war er nicht zum Dienst erschienen, zunächst war er krank, danach aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber nicht mehr verpflichtet, zum Dienst zu erscheinen, wobei ihm sein Arbeitsentgelt fortgezahlt wurde.

Nach seinem Eintritt in den Ruhestand verlangte der Kläger von seinem Arbeitgeber, ihm eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub zu zahlen. Er trägt vor, er sei kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand erneut erkrankt. Der Arbeitgeber wies diese Forderung mit der Begründung zurück, nach der Besoldungsordnung der Stadt Wien habe ein Arbeitnehmer, der von sich aus das Arbeitsverhältnis beende keinen Anspruch auf solche Vergütung. Das Verwaltungsgericht Wien, bei dem der Kläger Klage erhoben hat, möchte vom EuGH wissen, ob eine solche Regelung mit Unionsrecht und insbesondere mit der Richtlinie 2003/88/EG vereinbar ist.

Der EuGH hat folgendes entschieden: Auch wenn ein Arbeitnehmer von sich aus sein Arbeitsverhältnis beendet, hat er Anspruch auf eine finanzielle Vergütung, wenn er seinen bezahlten Jahresurlaub ganz oder teilweise nicht verbrauchen konnte.

In seinem Urteil weist der EuGH daraufhin, dass nach der Richtlinie 2003/88/EG jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat und dass dieser Anspruch einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Union darstellt. Er werde jedem Arbeitnehmer unabhängig von seinem Gesundheitszustand gewährt. Wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde und es deshalb nicht mehr möglich ist, bezahlten Jahresurlaub tatsächlich zu nehmen, habe der Arbeitnehmer nach der Richtlinie Anspruch auf eine finanzielle Vergütung, um zu verhindern, dass ihm wegen dieser fehlenden Möglichkeit jeder Genuss des Urlaubsanspruchs, selbst in finanzieller Form vorenthalten wird.

Nach Auffassung des EuGH spielt der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Rolle. Daher habe der Umstand, dass sein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis von sich aus beendet, keine Auswirkungen darauf, dass er gegebenenfalls eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub beanspruchen kann, den er vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchen konnte. Die Richtlinie stehe deshalb nationalen Rechtsvorschriften wie der Besoldungsordnung der Stadt Wien entgegen, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in Folge seines Antrages auf Versetzung in den Ruhestand beendet wurde und der nicht in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub hat. Der EuGH weist ferner in seiner Rechtsprechung hin, wonach ein Arbeitnehmer beim Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf die finanzielle Vergütung hat, wenn er seinen bezahlten Jahresurlaub wegen einer Krankheit nicht verbrauchen konnte.

Das Gericht fügte hinzu, dass mit dem Anspruch auf Jahresurlaub ein doppelter Zweck verfolgt werde, der darin bestehe, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Damit die praktische Wirksamkeit dieses Anspruchs auf Jahresurlaub gewährleistet werde, gelte folgender Grundsatz: Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis beendet worden sei und der nach einer mit seinem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung während eines bestimmten Zeitraums vor seiner Versetzung in den Ruhestand weiterhin sein Entgelt bezog, aber nicht mehr verpflichtet war, an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, habe keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den während dieses Zeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubes, es sei denn, dass er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen könnte.

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Gesetzlichen Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen Kindesmutter über leiblichen Vater fordern Justizminister

Einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegen die Kindesmutter auf Benennung des leiblichen Vaters sollen zur Durchsetzung von Unterhaltsregressansprüchen Scheinväter erhalten. Das Bayerische Justizministerium teilte dies am 02.06.2016 mit, dass sich die Justizministerkonferenz auf Initiative Bayerns dafür ausgesprochen hat. Nach geltender Rechtslage bestehe hier eine Lücke, die dringend geschlossen werden müsse, so Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU).

Bausback: Durchsetzbar muss auch Unterhaltsregressanspruch sein

Das Gesetz räumt dem Scheinvater zwar einen Regressanspruch ein, gibt ihm aber nicht die Möglichkeit,für den nicht seltenen Fall, dass er nicht weiß, wer der leibliche Vater ist, den Anspruch auch durchzusetzen, so Bausback. Dies sei unbefriedigend. Dringend erforderlich sei, eine gesetzliche Regelung, die den Gerichten unter Abwägung der jeweiligen Rechte und Interessen von Scheinvater und Mutter eine Entscheidung über die Erteilung der Auskunft ermögliche.

Gesetzliche Grundlage für Auskunftsanspruch fordert BverfG

Als rechtlicher Vater gilt derjenige, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist oder die Vaterschaft anerkannt hat. Ist er aber nicht der leibliche Vater des Kindes, so nennt man dieses Scheinvater. Aus der Generalklausel des § 242 BGB hat der Bundesgerichtshof zunächst einen Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter zur Vorbereitung des Regressanspruch hergeleitet. Beanstandet hat diese Rechtsprechung das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24.02.2015 (NJW 2015, 1506). Die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Unterhaltsregressanspruchs des Scheinvaters geschlechtliche Beziehungen zu bestimmten Personen preiszugeben, stelle eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Das BverfG sagt, dafür bedürfe es einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht, an der es fehle.

 

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OLG Hamm: Raser haftet trotz Vorfahrt zu 70 % für Unfall

Zum Sachverhalt:

Das OLG Hamm hatte mit Urteil vom 23.02.2016 über die Klage einer Krankenkasse zu entscheiden. Ein 28 Jahre alter Motorradfahrer, Mitglied der Klägerin, also der Krankenkasse, verunfallte im September 2011. Die Krankenkasse nimmt den zum Unfallzeitpunkt 58 Jahre alten PKW Fahrer und dessen Haftpflichtversicherung auf Erstattung von Aufwendungen in Anspruch, die der Krankenkasse aufgrund des Unfalls des Motorradfahrers entstanden sind.

Im September 2011 befuhr der Motorradfahrer den Haaweg in Werl. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem Haaweg ist auf 50 km/h begrenzt und zwar im Bereich der von rechts einmündenden Autobahnabfahrt.

Diese Geschwindigkeitsbegrenzung ließ der Motorradfahrer außer Acht. Sein Motorrad war mindestens 121 km/h schnell.

Der Beklagte PKW Fahrer bog mit seinem PKW langsam nach links ab, als das Motorrad noch ca. 250 Meter entfernt war. Aufgrund des Abbiegevorganges leitete der Motorradfahrer eine Bremsung ein und wich nach links aus, kollidierte jedoch mit dem abbiegenden PKW. Bei dem Unfall zog sich der Motorradfahrer schwere Verletzungen zu.

Mitverantwortung des PKW- Fahrers strittig

Im Zivilprozess haben die Parteien im Wege einer Feststellungsklage darüber gestritten, ob der beklagte PKW-Fahrer für den Unfall mit verantwortlich ist und die Beklagten der Klägerin deshalb ein Drittel der unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen haben. Im Unterschied zum Landgericht, das die Klage abgewiesen hat, weil es die Verantwortung der Beklagten ausschloss, wegen eines überwiegenden Verschuldens des Motorradfahrers, hat das OLG dagegen eine 30 %  Haftung der Beklagten für das Unfallgeschehen bejaht.

Nicht- beachten des Verkehrs auf Vorfahrtstraße führt zur Mithaftung des PKW-Fahrers

Auf Seiten des Motorradfahrers sei zunächst, so das OLG Hamm, die unfallursächliche, massive Tempoüberschreitung zu berücksichtigen. Von der geht die Klägerin, die Krankenkasse, selbst aus. Allerdings läge auch auf Seiten des PKW-Fahrers ein schuldhaftes Verhalten vor. Denn bei Beginn seines Abbiegevorganges sei das mit einschalteten Fahrlicht herannahende Motorrad für den PKW-Fahrer zu sehen gewesen. Wenn er dieses -seinen Angaben vor Gericht entsprechend- erst nach Abbiegebeginn erstmals wahrgenommen habe, habe er den Verkehr auf der bevorrechtigten Straße nicht ausreichend beachtet. Denn: Bei ausreichender Ausschau hätte er die erhebliche Geschwindigkeit des Motorrads erkennen können und dann hätte er warten müssen. Keinesfalls habe er in der tatsächlich erfolgten langsamen Weise mit nur geringer Beschleunigung abbiegen dürfen, sondern -wenn überhaupt- zügig anfahren müssen. Denn beim zügigen Anfahren wäre der Zusammenstoß zu vermeiden gewesen. Er hätte also warten müssen, dann wäre der Zusammenstoß zu vermeiden gewesen, oder aber zügig abbiegen, dann wäre der Zusammenstoß ebenfalls zu vermeiden gewesen. Das nach den Angaben eines vom OLG befragten Sachverständigen. Die damit ebenfalls unfallursächliche Vorfahrtsverletzung des PKW-Fahrers rechtfertige eine Haftungsquote von 70 % zu 30 % zu Lasten der Beklagten:

Fazit des OLG Hamm am 23.02.2016: Die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (hier 121 km/h statt zugelassener 50 km/h) durch einen vorfahrtsberechtigten Motorrad vor dem Zusammenstoß mit einem aus einer rechtsseitig gelegenen  untergeordneten Autobahnabfahrt nach linksabbiegendem PKW-Fahrer kann einer Haftung des Motorradfahrers zu 70 % rechtfertigen.

Allerdings haftet auch der PKW-Fahrer zu 30 %, wenn der Unfall nur deswegen geschehen ist, weil er den Verkehr auf der Vorfahrtstraße nicht ausreichend beachtet und deswegen die Hohe Geschwindigkeit des Motorrads nicht erkannt hat. Das Urteil des OLG Hamm ist mittlerweile rechtskräftig.

 

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Bundesregierung: Der Mindestlohn soll 2017 auf 8,84 € steigen

Der gesetzliche Mindestlohn soll zum 01.01.2017 von Brutto 8,50 € je Stunde auf 8,84 € je Stunde steigen. Das hat jetzt die Mindestlohn-Kommission der Bundesregierung vorgeschlagen.

Die Mindestlohn-Kommission hat sich bei ihrer Entscheidung am Tarifindex des statistischen Bundesamtes orientiert. Der Index berücksichtigt, welche Tariferhöhungen von Januar 2015 bis einschließlich 2016 erstmals gezahlt haben. Dabei ist Maßstab der tarifliche Stundenlohn (ohne Sonderzahlungen) und deren monatliche Entwicklung. Laut statistischen Bundesamt entspricht die Entwicklung der Tarifverdienste in diesem Zeitraum 4 %. Der öffentliche Dienst mit seiner Tariferhöhung ab 01.03.2016 eingerechnet. Dieser wird dann aber bei der nächsten Anpassung im Jahr 2018 ausgeklammert, damit man ihn nicht doppelt anrechnet. Deshalb stellte die Mindestlohn-Kommission für die nächste Entscheidung in 2018 (gültig dann ab 01.01.2019) bereits einen Tarifindex von 3,2 % fest.

Keine Verwerfungen am Arbeitsmarkt festgestellt

Bei ihrer Entscheidung hat die Kommission auch geprüft, ob der Mindestlohn den Arbeitnehmer auch angemessen schützt. Denn: Der Mindestlohn darf den fairen Wettbewerb und die Beschäftigung nicht gefährden. „Es gibt keine Verwerfungen am Arbeitsmarkt“, so stellte ein Kommissionsmitglied auf Gewerkschaftsseite fest.

Abweichungen vom Mindestlohn nur noch bis Ende 2016 möglich

Bis zum 31.12.2016 läuft die Übergangsregelung aus, die es erlaubt, Tarifvertraglich vom Mindestlohn abzuweichen. Übergangsweise gelten noch in der Land- und Forstwirtschaft, im Gartenbau und in der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie niedrigere Mindestlöhne.

Spätestens zum 01.01.2017 müssen die Beschäftigten auch hier mindestens 8,50 € bekommen.

Ab Januar 2018 entfällt auch Sonderregelung für Zeitungsausträger und Saisonarbeiter

Zwei Sonderregelungen gelten für Zeitungsausträger und Saisonkräfte: Zeitungsausträger müssen im Jahr 2016 mindestens 7,23 € Brutto pro Stunde verdienen (das sind 85 % des gesetzlichen Mindestlohnes). Ab dem 01.01.2017 haben sie dann Anspruch auf Brutto 8,50 €.

Ab dem 01.01.2018 gilt auch für Zeitungsausträger dann der neu festgesetzter Mindestlohn.

Für Saisonarbeitskräfte, zum Beispiel Erntehelfer, gilt der gesetzliche Mindestlohn. Allerdings können sie kurzfristig statt 50 bis 70 Tage pro Jahr Sozialabgabenfrei arbeiten. Diese Regelung gilt noch bis Ende 2018. Ab dem 01.01.2017 müssen alle Beschäftigten in allen Branchen einen Mindestlohn von wenigsten 8,50 € erhalten. Ab 01.01.2018 gilt der von der Mindestlohn-Kommission festgesetzte Mindestlohn ohne jede Einschränkung.

Rund 3,7 Millionen Arbeitnehmer profitieren vom Mindestlohn

Die Bundesregierung hat in ihrer Mitteilung darauf hingewiesen, dass der Mindestlohn die Beschäftigten in niedrig Lohn Branchen vor Dumping-Lohnen schützen würde. Rund 3, 7 Millionen Arbeitnehmer profitieren von der gesetzlichen Lohnuntergrenze ; dies gilt vor allem für ungelernte. Der Zoll kontrolliert, ob Arbeitgeber den Mindestlohn einhalten. Verstöße gegen die Zahlung des Mindestlohnes können den Arbeitgeber Geldbußen bis zu 500.000,00 € kosten. Bußgelder werden zum Beispiel fällig, wenn Arbeitgeber in bestimmten Branchen und bei geringfügig Beschäftigten gegen Dokumentationspflichten verstoßen. Das betrifft zum Beispiel das Baugewerbe, Gaststätten und Herbergen, Speditions, Transport- und Logistikunternehmen, Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau und Fleischwirtschaft.

 

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Haftung bei grob fehlerhaftem Handeln eines Rettungssanitäters

 

Sachverhalt:

Der beklagte Amtsträger ist Dienstherr von zwei Rettungsassistenten. Der Kläger rief die Feuerwehr wegen erheblicher Atembeschwerden und Schmerzen im Brustbereich. Daraufhin suchten die zwei Rettungsassistenten den Kläger in seiner Wohnung auf. Sie stellten die Pulsfrequenz, den Blutdruck im Bereich einer Hypertonie mittleren Grades und die Sauerstoffsättigung fest. Im Rettungsdienst-Einsatzbericht hielten sie fest, der Kläger habe über einen „Atem- und bewegungsabhängigen Intercostalschmerz“ geklagt. Sie verwiesen den Kläger an seinen Hausarzt. Wenige Stunden später begab sich der Kläger zu seinem Hausarzt, welcher die Einweisung in das Krankenhaus wegen des Verdachts auf einen Herzinfarkt veranlasste. Im Krankenhaus wurde ein Herzinfarkt diagnostiziert. Ferner erlitt der Kläger während einer Herzkatheteruntersuchung einen Schlaganfall, weshalb mehrere Stents gesetzt werden mussten. Der Kläger leidet nunmehr unter einer Herzinsoffizienz.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Rettungsassistenten, durch Anhörung des Klägers und nach Einholung eines medizinischen Sachverständigen Gutachtens der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Dagegen wendet sich der beklagte Amtsträger mit seiner Berufung.

Das Kammergericht Berlin wies die Berufung zurück. Es entschied, dass der Beklagte gemäß           § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG, weil die Rettungsassistenten fahrlässig die ihnen gegenüber dem Kläger obliegenden Amtspflichten verletzten.

Nach dem Berliner Rettungsdienstgesetz bestehen die primären Aufgaben des Rettungsdienstes in der so benannten Notrettung einerseits und dem davon abzugrenzenden Krankentransport andererseits. Eine Notrettung betreffe die Versorgung von Notfallpatienten, das heißt von Personen, die sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befinden und bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie nicht umgehend geeignete medizinische Hilfe erhalten.

Der Kläger war als Notfallpatient anzusehen, auch aus der heutigen Sicht. Denn er hatte über Schmerzen im Brustbereich geklagt und diese Schmerzen als „atemabhängig“ beschrieben. Die Schilderung einer gewissen Atemnot also vorlag. Darüber hinaus habe sich der Blutdruck des Klägers im Bereich einer Hypertonie mittleren Grades befunden, was für eine mit dem Gefühl der Atemnot typischerweise einhergehende hohe körperliche und nervliche Belastung spreche. Deshalb sei es pflichtwidrig gewesen, dass die Rettungssanitäter von einer umgehenden ärztlichen Abklärung durch Verständigung des Notarztes absahen und die geschilderten Beschwerden im Rettungsdienst-Einsatzbogen als Intercostalschmerzen abtaten. Denn im Unterschied zu einem Notarzt seien Rettungsassistenten nicht befugt, Diagnosen wie „Intercostalschmerz“ zu stellen. Die primäre Aufgabe der Notfallrettung sei die Erstversorgung und die Beförderung. Rettungssanitäter seien lediglich Helfer eines Notarztes. Unabhängigkeit davon sei die Angabe „Intercostalschmerz“ ohne weitergehende Untersuchungen, insbesondere Durchführung eines EKG vorwerfbar falsch.

Der Sachverständige in der ersten Instanz hatte festgestellt, dass man an der Kompetenz eines Arztes zweifeln würde, wenn dieser in einer solchen Weise verfahren würde.

Durch diese Handlung wurde der Kläger verspätet in das Krankenhaus eingeliefert, darauf beruhe, dass es in Folge des Infarktes zu einem Absterben von Herzmuskelgewebe und damit verbunden zu einer Narbenbildung kam. Dadurch hatte sich letztendlich eine Herzinsuffizienz mit den Symptomen Belastungsluftnot und Leistungsschwäche herausgebildet. Infolge der verspäteten Einlieferung in das Krankenhaus habe beim Kläger keine Rekanalisierung innerhalb der Leitlinien gerechten 90 Minuten mehr erfolgen können.

Obwohl es nach den tragenden Entscheidungsgründen nicht mehr darauf ankommt, verweist der Senat hinsichtlich des genauen Zeitpunktes des Eintretens des Verschlusses darauf, dass zu Gunsten des Klägers eine Beweislastumkehr greife. Zwar seien die Grundsätze der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern beim Handeln von Rettungssanitätern grundsätzlich nicht anwendbar. Allerdings rechtfertige die zur Entscheidung anstehende Fallkonstellation eine Übertragung der im Rahmen der Arzthaftung entwickelten Grundsätze zu mindestens auf diesem Fall. Denn es könne nicht darauf ankommen, dass die Rettungssanitäter auf der Grundlage hoheitlichen Handelns und nicht auf der Grundlage eines Behandlungsvertrages tätig wurden. Der Fehlervorwurf gegenüber den Rettungssanitätern, den Kläger keiner notfallmedizinischen Versorgung zugeführt zu haben, beziehe sich auf ein „im eigentlichen Sinne medizinischen Vorgehens“. Dies komme einer „Behandlung“ im medizinischen Sinne gleich. Deshalb seien die arzthaftungsrechtlichen Grundsätze zum groben Behandlungsfehler auch auf das hoheitliche Verhalten bzw. Handeln der Rettungssanitäter anzuwenden.

Hinweis:

Fehler im Rettungsdiensteinsatz können nach Amtshaftungsgrundsätzen zu beurteilen sein. Dies hängt davon ab, ob die Wahrnehmung der rettungsdienstlichen Aufgaben der hoheitlichen Betätigungen zuzuordnen ist. Grundlage für die Beantwortung dieser Frage ist das jeweilige Landesrecht betreffend Rettungseinsätze. Bereits bei ärztlichen Fehlern im Zusammenhang mit hoheitlichem Handeln ist umstritten, ob die arzthaftungsrechtlich entwickelten Grundsätze einer Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern auf Fälle der Amtshaftung übertragen werden können. Für das Kammergericht ist die Sicht des Patienten maßgeblich. Aus dessen Sicht ist es irrelevant, ob der handelnde Arzt auf der Grundlage hoheitlichen Handelns oder eines Behandlungsvertrages tätig werde. Die Grundsätze der Haftung bei groben Behandlungsfehlern sind aber nicht immer auf die Konstellation anwendbar, dass Rettungssanitäter handeln, ohne einen Notarzt hinzuzuziehen. Das Kammergericht verweist zwar darauf, dass nach der Rechtsprechung auch Maßnahmen oder Unterlassungen von nicht ärztlichem Personal als grobe Behandlungsfehler aufgefasst werden können. Voraussetzung dafür sei aber, dass es sich um einen im eigentlichen Sinne „medizinisches Vorgehen“ handele. Das Tätigwerden der Rettungssanitäter im konkreten Fall habe eine „Behandlung“ im medizinischen Sinne gleichgestanden, weil diese eine unverständliche Diagnose gestellt und zudem von einer notärztlichen Abklärung abgesehen hätten.

Das OLG Köln beispielsweise verweist darauf, dass die Leere vom groben Behandlungsfehler Ausnahmecharakter haben müsse, weil sie die allgemein Kausalitätsregeln durchbreche. Beweiserleichterung bis hin zur Beweislastumkehr wegen grober Fehler seien nur vor dem Hintergrund zu rechtfertigen, dass es für den Patienten aufgrund eines fehlerhaften (ärztlichen) Vorgehens zu besonderen Beweisproblemen komme.

Kurz und gut:

Nimmt ein Rettungssanitäter pflichtwidrig eine entsprechende Einordnung vor, wird er im Kompetenzbereich des Arztes tätig, was eine Anwendung der zur Arzthaftung entwickelten Beweislast regeln im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs gestattet.

 

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Gesetzliche Neuregelung zum Juli 2016

 

Zum Juli 2016 gibt es zahlreiche neue Regelungen:

Höherer Kinderzuschlag

Zum 01.07.2016 steigt der Kinderzuschlag um 20,00 € und damit auf maximal auf 160,00 € monatlich. Die Bundesregierung will damit gezielt gering verdienende Eltern unterstützen. Anfang 2016 hatte sie bereits das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöht. Die Änderung beruht auf einem im Jahr 2015 beschlossenen Gesetz, dass Familien in Deutschland stärker entlasten soll.

Rente steigt

Ab 01.07.2016 erhöht sich die Rente in den neuen Bundesländern um 5,95 %, in den alten Bundesländern um 4,25 %.

So stark sind die Renten seit 23 Jahren nicht mehr gestiegen! Sie brauchen nichts unternehmen! Die Deutsche Rentenversicherung überweist die höheren Altersbezüge automatisch. Rund 161.000 Berechtigte erhalten mehr Geld.

Höhere Entschädigung für Impfstoff- Geschädigte aus DDR Zeit

Die Entschädigung für Menschen, die sich in der DDR 1978/1979 bei der Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus angesteckt haben, steigt ab 01.07.2016 um 4,25 %. Die Höhe der Entschädigung hängt von der schwere der Schädigung ab und kann monatlich sogar bis zu 1261,00 € betragen. Der Anstieg entspricht der gesetzlichen Rentenerhöhung in den alten Bundesländern.

Deutschkurse für Flüchtlinge

Der Bund finanziert ab 01.07.2016 Sprachförderung für Flüchtlinge, die eine gute „bleibe-Perspektive“ haben.

Aber auch EU-Bürger sowie deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund können an diesen berufsbezogenen Sprachkursen teilnehmen. Das Programm selbst baut auf den Integrationskursen auf. So soll eine individuelle Förderung möglich sein, die mit einer Beschäftigung oder Ausbildung verbunden werden kann.

Fahrverbote für LKW

Im Juli und August dürfen LKW auch am Samstag nicht fahren - das Sonn- und Feiertagsverbot wird entsprechend ausgedehnt.

Damit soll der Ferienreiseverkehr entlastet werden. 7,5-Tonner oder LKW mit Anhänger dürfen auf hochbelasteten Strecken nur in Ausnahmefällen zwischen 07.00 Uhr und 20:00 Uhr verkehren.

Korruption im Gesundheitswesen jetzt strafbar

Erstmals werden Bestechungen und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen strafbar! Die Änderung des Strafgesetzbuches ist bereits am 04.06.2016 in Kraft getreten.

Lohnsteuereinbehalt für Reedereien

Es gibt nur noch ca. 360 Handelsschiffe, die unter deutscher Flagge fahren. Die Bundesregierung will diesen Abwärtstrend stoppen. Deshalb soll es Steuererleichterungen für Reedereien geben, um den Kostendruck zu senken. Reedereien dürfen deshalb seit Juni 2016 die Lohnsteuern einbehalten!

Pflicht zu kostenloser Rücknahme von Elektrogeräten

In alten Elektrogeräten stecken viele wertvolle und wiederverwertbare Rohstoffe. Aber natürlich auch umweltschädliche Materialien. „Große“ Händler sind ab 24.07.2016 verpflichtet, Altgeräte wie Kühlschränke oder Fernseher beim Kauf eines gleichwertigen Gerätes kostenlos zurückzunehmen. Das gilt auch für den Online Handel. Dafür gibt es ein Elektrogerätegesetz. Kleingeräte wie Rasierer, Föhne oder Handys können Kunden aber auch ohne den Kauf eines neuen Gerätes abgeben. Kommunale Recyclinghöfe und Mobilfunkanbieter nehmen Altgeräte ebenfalls kostenlos zurück.

Vertragsabschlüsse via Internet werden einfacher

Verbraucher können ab 01.07.2016 Europaweit leichter Verträge per PC, Tablet oder Smartphone im Internet abschließen. Es gibt jetzt einheitliche Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Nutzungen elektronischer Unterschriften. Das regelt eine entsprechende EU Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste. Geregelt ist darin auch die Zustellung elektronischer Einschreiben sowie elektronischer Siegel und Stempel. Für besonders vertrauenswürdige Webseiten gibt es ein neues, europaweit anerkanntes Zertifikat.

LAG Düsseldorf: 200-Kilo-Mann kann Kündigung durch Fettleibigkeit abwenden

 

Zum Sachverhalt:

Der Kläger, ein vor kurzem noch 200-Kilogramm schwerer Arbeiter konnte vor dem Landesarbeitsgericht in Düsseldorf seine Kündigung wegen Fettleibigkeit abwenden. Unternehmen und Arbeitnehmer vereinbarten einen Vergleich: Der Kläger bleibt weiterhin beschäftigt, muss sich aber bemühen abzunehmen und die Firma regelmäßig über sein Gewicht informieren.

Der beklagte Arbeitgeber, ein Garten- und Kanalbaubetrieb, hatte argumentiert, der Kläger könne seine Arbeit wegen seiner Körperfülle (200 Kilogramm) nicht mehr vertragsgemäß leisten. Es gebe für ihn weder passende Warnwesten noch Arbeitsschuhe oder Leitern im Betrieb, die für sein Gewicht zugelassen seien. Der Kläger hatte zunächst erfolglos in einem Adipositaszentrum versucht, Gewicht zu verlieren. Die Ärzte hätten ihm dort gesagt, ohne eine Operation komme man in seinem Fall nicht weiter.

Der beklagte Arbeitgeber hatte argumentiert, dass sogar am Pritschenwagen eine Fußraste unter dem Gewicht des Klägers abgebrochen sei. Der Kläger passe auch nicht mehr in die Gräben, die er ausheben müsse. Wenn er dann aber im Graben drin sei, komme er alleine nicht mehr heraus. Am Steuer des Firmenwagens sei er eine Gefahr, weil das Lenkrad an seinem Körper hängen bleiben würde. Der Kläger könne nur noch als Handlanger eingesetzt werden. Weiter hatte der Arbeitgeber argumentiert: Wenn der Kläger über ein frisch verlegtes Straßenpflaster läuft, verschiebt sich das Straßenpflaster. Vor allem das Bücken sei ein Problem. Seine Körperfülle betreffe auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Der habe sich nämlich die Frage gestellt, ob er ihm wegen seines Zustandes, also 200 Kilo, in praller Sonne zu harter körperlicher Arbeit einsetzen dürfe.

Der Kläger war aber in dem Betrieb schon seit 30 Jahren beschäftigt. Mittlerweile war er 49 Jahre alt. Er ist 1,94 m groß, wiege zwar 200 Kilo, er meinte aber, er könne die geforderten Arbeiten in dem Gartenbaubetrieb leisten. Er benötige lediglich, wie seine Kollegen auch, eine Leiter, um aus den Gräben herauszukommen.

Das Gericht wies daraufhin, dass viel von der Prognose für die weitere Gewichtsentwicklung des Klägers abhänge. Sei die Prognose negativ, sei es dem Arbeitgeber als Unternehmen kaum zuzumuten, den Kläger noch 18 Jahre bis zur Rente weiter zu beschäftigen. Die dauerhafte Erkrankung ist letztlich ein Problem des Arbeitnehmers. Notfalls müsse ein Gutachter klären, ob er eingesetzt werden könne. Das Gericht wollte dem Kläger aber eine Magenverkleinerung nicht vorschreiben.

Der Kläger hatte sich aber in der Zwischenzeit auch bemüht, abzunehmen, nach einer siebenwöchigen Kur wog er nur noch 188 Kilo. Deshalb hat der Kläger den guten Willen, abzunehmen.

Daraufhin wurde der Vergleich geschlossen, dass er weiter beschäftigt bleibt, sich aber bemühen muss, abzunehmen und die beklagte Firma regelmäßig über sein Gewicht informieren muss.

 

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Erwerbsobliegenheit nach der Trennung

 

Sachverhalt:

Das Amtsgericht hat der Antragsstellerin nur für insgesamt sechs Monate Trennungsunterhalt zugesprochen, ohne Berücksichtigung eines eigenen Einkommens. Danach hat das Amtsgericht ein fiktives Einkommen angenommen in Höhe ihres zuletzt erzielten bereinigten Nettoeinkommens und dieses angerechnet. Ergebnis ist, dass bereits nach sechs Monate Trennung die Antragsstellerin weniger Trennungsunterhalt erhält. Dies, obwohl gerade im Trennungsjahr eigentlich eine Erwerbsobliegenheit nicht erforderlich ist.

Deshalb hat die Antragsstellerin gegen die Entscheidung des Amtsgerichtes auch sofortige Beschwerde eingelegt. Diese sofortige Beschwerde hat das OLG in Koblenz zurückgewiesen.

Das OLG Koblenz sagt kurz:

Wenn ein Ehepartner, der Trennungsunterhalt beansprucht, während des ehelichen Zusammenlebens weitgehend Erwerbstätig war, kann er bereits mit der Trennung zur Aufnahme oder Fortsetzung seiner Erwerbsbemühungen verpflichtet sein. Der Ablauf eines vollen Trennungsjahres ist dann für eine Erwerbsobliegenheit nicht mehr erforderlich.

Das OLG Koblenz meint, dass das Amtsgericht zu Recht eine Erwerbsverpflichtung bereits vor Ablauf des Trennungsjahres, also gut sechs Monate nach der Trennung angenommen hat.

Zwar kann der nicht Erwerbstätige Ehegatte gemäß § 1361 Abs. 2 BGB nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit und unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann.

Damit könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass während des ersten Trennungsjahres eine Erwerbstätigkeit nicht aufgenommen werden muss. Das ist zwar in der Regel der Fall, aber nicht stets und sei es auf jeden Fall nicht im vorliegenden Fall.

Dem lag nämlich folgendes zu Grunde: Die Antragsstellerin, eine Diplombetriebswirtin mit dem Schwerpunkt Steuerrecht, zog mit dem Antragsgegner zusammen und nahm eine Erwerbstätigkeit bei einer Steuerberatungsfirma auf. Mit Ablauf der Probezeit verlor sie diese Arbeitsstelle. Sie hat sich dann zwar beim Arbeitsamt gemeldet, meldete sich dort aber nicht arbeitslos, sondern stellte sich dort nur vor, in der Folgezeit hat sie ein paar Bewerbungen geschrieben.

Somit meint das OLG, sei davon auszugehen, dass sie wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollte, also sich dem angeblichen Wunsch des Antragsgegners (der hat das bestritten) nicht beugte, im Hinblick auf die angestrebte Kindererziehung zuhause zu bleiben, sodass die Trennung für ihr Erwerbsleben keinen Einschnitt bedeutete und sie ohne weiteres ihre Bemühungen um Arbeit umgehend fortsetzen konnte und musste.

Im April trennten sich die Beteiligten, bis November 2015 legte sie nur drei Bewerbungen und eine Absage vor. Das OLG entschied (zu Recht) dass dies völlig unzureichende Bemühungen seien, für ihren Unterhalt selbst zu sorgen. Außerdem soll sie zum Wintersemester 2015 ein zweites Studium, nämlich Jura, begonnen haben, um ihre Kenntnisse in Steuern und Recht zu vertiefen. Diese Zweitausbildung muss der Antragsgegner nicht finanzieren. Das OLG meint, dass ein ernsthaftes Bemühen um eine Erwerbstätigkeit nicht ersichtlich sei. Auch sei nicht anzunehmen oder jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Antragsstellerin binnen sechs Monate eine Arbeit hätte finden können. Aus der Dauer der Ehe bis zur Trennung würde sich nichts anderes ergeben.

Aus dieser Entscheidung ist folgendes zu folgern:

Ein getrenntlebender Ehegatte, der Unterhalt geltend machen will, muss sich darauf einrichten, dass ihm relativ zeitnah eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit entgegengehalten wird. Früher wurde getrenntlebenden Ehegatten eine längere Übergangszeit gewährt („Bestandsgarantie“).

Dagegen ist die Rechtsprechung heute strenger und bejaht „wenn keine Kinder betreut werden“ eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit teilweise bereits nach Ablauf des ersten Trennungsjahres, so beispielsweise auch der BGH im Urteil vom 05.03.2008 zum Aktenzeichen XII ZR 22/06. Das Trennungsjahr wird dabei als Orientierungsphase bewertet, nach deren Ablauf bereits eine entsprechende Erwerbstätigkeit ausgeübt werden muss.

Das sollten Sie also wissen:

Nur ausreichende und nachvollziehbar dokumentierte Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit können verhindern, dass fiktive Einkünfte in Höhe des erzielbaren Einkommens angerechnet werden. Dabei sind auch konkrete Darlegungen zur Ausbildung und zur beruflichen Entwicklung des Unterhaltsberechtigten unabdingbar.

 

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Dashcam-Videos doch verwertbar?

Sachverhalt:

Das Amtsgericht Reutlingen hatte gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Owi (Vorwurf der Missachtung des Rotlichtes einer Ampel) eine Geldbuße in Höhe von 200,00 € verhängt. Hinzu kam ein Fahrverbot von einem Monat.

Das Gericht hat den Tatnachweis allein aufgrund eines Videos geführt. Dieses Video hat das Gericht von einem anderen Verkehrsteilnehmer erhalten, der den Rotlichtverstoß ohne irgendeinen Anlass mit seiner „Dashcam“ aufgenommen hatte.

Was ist eine Dashcam? Als Dashcam wird eine kleine Videokamera bezeichnet, die auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Fahrzeuges befestigt wird und während der Fahrt alles aufnimmt.

Der Betroffene ist gegen die Entscheidung vorgegangen, deshalb landete das Verfahren beim OLG Stuttgart.

Das OLG Stuttgart hält es grundsätzlich für zulässig, in einem Bußgeldverfahren ein Video zu verwerten, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer ohne jeglichen Anlass mit seiner „Dashcam“ aufgenommen hat. Das Gericht meint, dass dies jedenfalls für die Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten gelten soll, so wie im vorliegenden Fall um einen Rotlichtverstoß an einer seit mindestens 6 Sekunden rot-zeigenden Ampel.

Damit hat das OLG Stuttgart die Entscheidung des Amtsgerichtes bestätigt und die Rechtsbeschwerde des Betroffenen verworfen.

Das Gericht hat aber offen gelassen, ob die Nutzung einer „Dashcam“ durch einen Verkehrsteilnehmer gegen § 6 b des Bundesdatenschutzgesetzes ( BDSG) verstößt. § 6 b BDSG lässt die Beobachtung von öffentlich zugänglichen Räumen mit Optisch- Elektronischeneinrichtungen nämlich nur in engen Grenzen zu.

Das Gericht meinte aber, dass § 6 b Abs. 3 S. 2 BDSG kein Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren beinhalten würde.

Somit könne man aus einem eventuell vorliegendem Vorstoß gegen die Vorschrift des § 6 b BDSG nicht zwingend eine Unverwertbarkeit der Videoaufnahme machen.

Über die Verwertbarkeit sei vielmehr im Einzelfall unter Abwägung der Widerstreitenden Interessen zu entscheiden.

Das Amtsgericht hatte im vorliegenden Fall kein Beweisverwertungsverbot angenommen. Das OLG meinte, dies sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar griffen Videoaufnahmen von Verkehrsvorgängen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG ein. Die Intensität und Reichweite des Eingriffes sei im konkreten Fall jedoch gering.

Ein Video, das lediglich Verkehrsvorgänge dokumentiere und mittelbar die Identifizierung des Betroffenen über das Kennzeichen seines Fahrzeuges ermögliche, stehe nicht im Kernbereich seiner privaten Lebensgestaltung oder seiner engeren Privat- oder gar Intimsphäre. Deshalb sei im Rahmen der Abwägung die hohe Bedeutung der Verfolgung schwerer Verkehrsverstöße für die Sicherheit des Straßenverkehrs mit einzustellen und das Gewicht des Verstoßes im Einzelfall zu berücksichtigen.

Der Senat des OLG hob zugleich hervor, dass die Bußgeldbehörden ihrerseits bereits bei Verfahrenseinleitung die Verwertbarkeit derartige Aufnahmen zu prüfen hätten und u. a. die schwere des Eingriffes gegen die Bedeutung und das Gewicht der angezeigten Ordnungswidrigkeit abzuwägen hätten. Aufgrund des Opportunitätsgrundsatzes (Vergleiche § 47 OWiG) stehe es den Bußgeldbehörden frei, ein ausschließlich auf der Ermittlungstätigkeit von Privaten mittels „Dashcam“ beruhendes Verfahren nicht weiter zu verfolgen.

Kurz und gut, Rechtsfragen, die sich beim Einsatz von Dashcam´s stellen, sind seit einiger Zeit in der auch Zivil-  und Verwaltungsrechtlichen- Rechtsprechung und Literatur stark umstritten und werden uneinheitlich beantwortet. Auch der 54. deutsche Verkehrsgerichtstag hatte im Januar 2016 sich mit dieser Thematik befasst. Soweit ersichtlich handelt es sich um die erste Obergerichtliche Entscheidung zu dieser Fragestellung. Gegen den Beschluss ist kein weiteres Rechtsmittel statthaft.

 

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OLG Hamm: Kein Wertersatz ohne Sachverständigengutachten für möglicherweise mangelhaften Bentley

zu OLG Hamm, Urteil vom 22.03.2016 – 28 U 44/15, VIII ZR 87/16

Mängel an einem eingebauten Navigationssystem in einem Bentley sind lediglich aufzuklären, wenn das mangelhafte Navigationssystem durch einen Sachverständigen begutachtet werden kann. Kann der Käufer die Untersuchung des Wagens nicht ermöglichen, beispielsweise wegen Verkauf des Bentleys, kann sein Anliegen gegenüber dem Verkäufer schon deshalb erfolglos bleiben. So entschied das Oberlandesgericht Hamm am 22.03.2016 (Urteil vom 22.03.2016, Az.: 28 U 44/15, nicht rechtskräftig, beim BGH: BIII ZR 87/16).

Sachverhalt:

Eine klagende Firma aus Bad Salzuflen, die auf dem Immobiliensektor tätig ist, kaufte im September 2013 bei einem Autohaus einen Bentley Continental GTC für etwa 200.000,00 Euro. Nach Kauf des Wagens stellte sie fest, dass das Navigationssystem falsche bzw. nicht existente Wegführungen vorschlägt. Die Beklagte teilte im April 2014 mit, dass laut Herstellerangaben ein Fehler in der Grundprogrammierung der Software vorliege, der durch Softwareaktualisierung bis Ende 2014 behoben werden solle. Die Klägerin wollte nicht so lange abwarten und trat daraufhin vom Kaufvertrag zurück. In dem darauffolgenden Prozess verlangte sie die Rückzahlung des Kaufpreises aufgrund des mangelhaften Navigationssystems, dieses sei beinahe unbrauchbar. Die Beklagte trug vor, das Navigationssystem entspreche dem Stand der Technik, Einbaugeräte seien aber nie auf dem neuesten Stand und müssten deshalb in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Im Übrigen sei der Mangel nicht erheblich. In erster Instanz gab das Landgericht der Beklagten Recht und wies die Klage durch Urteil ab. Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Nach zwischenzeitlicher Veräußerung des Bentleys forderte die Klägerin nunmehr 25.000,00 €.

Mängel waren nicht nachweisbar:

Das Gericht sah von der Einholung eines Sachverständigengutachtens ab, weil das streitbefangene Fahrzeug durch den Weiterverkauf für eine Begutachtung nicht mehr zur Verfügung stand. Das darauffolgende Urteil wies die Berufung ab. Der geltend gemacht Anspruch stünde ihr nicht zu, weil sie den Schaden am Navigationssystem zum Zeitpunkt des Wiederverkaufs nicht nachweisen konnte.

Abweichungen vom Stand der Technik kann nur Sachverständiger feststellen

Als Käufer kann man ein Navigationsgerät mit der, für ein Neufahrzeug des verkauften Modells, aktuellen Hard- und Software erwarten. Dass das in den Wagen eingebaute Navigationssystem einen technischen Fehler aufgewiesen habe und deswegen vom Stand der Technik abgewichen sei, habe die insoweit beweisbelastete Klägerin nicht nachgewiesen. Ein derartiger Mangel lasse sich auch unter Berücksichtigung eines möglichen Fehlens in der Grundprogrammierung im vorliegenden nur durch Sachverständigengutachten klären, weil der Sachverständige das in dem verkauften Wagen eingebaute Navigationssystem untersuchen müsse. Ein Gutachten dieser Art könne nicht mehr eingeholt werden, weil die Klägerin den Bentley bereits verkauft habe und diesen nicht mehr für eine Begutachtung zu Verfügung stellen könne.

OLG Hamm: 80.000,00 € Schmerzensgeld wegen verminderter Sehfähigkeit nach augenärztlichem Behandlungsfehler

Sachverhalt:

Die 19 Jahre alte Klägerin litt seit dem 10. Lebensjahr an Diabetes Mellitus. Von 2007-2009 war sie in augenärztlicher Behandlung bei der Beklagten, einer Augenärztin. Nach den Sommerferien 2008 suchte die Klägerin die Beklagte mehrfach wegen fortschreitender Verschlechterung ihrer Sehleistung auf. Die Beklagte veranlasste bis zur letzten Behandlung im Februar 2009 keine Augeninnendruckmessung.

Die Klägerin musste wegen eines erhöhten Augendrucks notfallmäßig aufgenommen werden. Die Augenklinik diagnostizierte im März 2009 einen fortgeschrittenen sogenannten grünen Star.

In der Folgezeit musste sich die Klägerin operativen Eingriffen am rechten und linken Auge unterziehen, die jedoch eine hochgradige Verschlechterung ihrer Sehfähigkeit von zuvor über 60 % auf Werte unterhalb von 30 % nicht mehr verhindern konnten.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von zunächst 45.000,00 €. Als ihr bekannt wurde, dass die Möglichkeit bestehen würde, dass sie noch zu Lebzeiten erblinden könne, hat sie ihr Schmerzensgeld auf 80.000,00 € erhöht. Die Schadensersatzklage der Klägerin war erfolgreich. Das Landgericht hatte nur einen Teil Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 € zugesprochen, der 26. Zivilsenat des OLG Hamm hat der Klägerin aber weitere 55.000,00 € zugesprochen und damit das Schmerzensgeld auf insgesamt 80.000,00 € erhöht.

Der OLG Senat entschied, dass die Beklagte haftet. Ein medizinischer Sachverständige hatte einen groben Befunderhebungsfehler festgestellt. Bei der letzten Behandlung im Februar 2009 habe die Klägerin es versäumt, eine Augeninnendruck- und eine Gesichtsfeldmessung durchzuführen und so der Ursache der sich verschlechternden Sehfähigkeit weiter nachzugehen. Wäre der erhöhte Augeninnendruck bei der Klägerin seinerseits medikamentös behandelt und die Klägerin als Notfall in eine Augenklinik eingewiesen worden, hätten die später eingetretene Gesichtsfeldeinschränkung und der weitere Verlust der Sehfähigkeit möglicherweise erheblich geringer ausfallen können. Dabei sei der tatsächliche Verlauf der Erkrankung im vorliegenden Fall zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen. Es liege ein grober Befunderhebungsfehler vor, dem die eingetretenen Folgen zuzurechnen sei, so das OLG.

Der Klägerin war auch ein Schmerzensgeld in Höhe von 80.000,00 € zuzusprechen. Denn durch die verspäteten Behandlung sei der noch sehr jungen Klägerin die Möglichkeit genommen worden adäquates Leben zu führen. Unter anderem sei sie bei sportlichen Aktivitäten sehr stark eingeschränkt und könne keinen PKW fahren. Weiter müsse sie ein Beruf ergreifen, der ihrer stark eingeschränkter Sehfähigkeit Rechnung trage. Außerdem benötigt sie für ihre geringe Sehkraft einen speziell eingerichteten Arbeitsplatz. Außerdem besteht die Gefahr, dass sie zu Lebzeiten erblindet, auch wenn sich der Zeitpunkt jetzt noch nicht abschätzen lässt. Das zugesprochene Schmerzensgeld sei aufgrund der bestehenden und absehbaren Folgen gerechtfertigt.

 

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AGB-Klausel zu Schadensersatzpflicht bei Absage eines OP-Termins regelmäßig unwirksam

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte hatte am 19. Juni 2015 mit einer Schönheitsklinik in München eine Wahlleistungsvereinbarung über eine Magenballonbehandlung geschlossen. Operationstermin des Ballons war für den 31.7.2015 vereinbart. Der Vereinbarung lagen folgende Geschäftsbedingungen zu Grunde: Bei Absage oder Verschiebung eines durch den Patienten zugesagten Eingriffstermins erhebt die Klinik stets eine Verwaltungsgebühr von 60,00 €. Bei Abwesenheit des Patienten am Eingriffstag oder einer kurzfristigen Absage des Eingriffstermins erhebt die Klinik darüber hinaus eine Stornogebühr.“

Diese Gebühr sollte bei Absage weniger als 14 Tage vor dem Eingriff 40 % des Gesamtrechnungsbetrages betragen und bei Absage innerhalb von sieben Tagen vor dem Eingriff 60 %.

Bei einer Absage innerhalb von 48 Stunden vor dem Eingriff oder bei Abwesenheit am Eingriffstag sollte die Gebühr sogar 100 % des Rechnungsbetrages betragen.

Am 29.07.2015 sagte die Beklagte den Behandlungstermin zunächst telefonisch und dann auch schriftlich ab. Die Schönheitsklinik stellte ihr eine Rechnung von insgesamt 1.494,00 €. Das waren 60 % der Behandlungsgebühren. Die Beklagte zahlte nicht, daraufhin klagte die Schönheitsklinik.

Das Amtsgericht München wies die Klage ab. Die AGB der Schönheitsklinik seien unwirksam. Die von der Klinik geforderte Stornogebühr übersteige den normalerweise zu erwartenden Schaden und sei unangemessen hoch.

Denn in einem derartigen Fall müsse der Patient bei einer Absage innerhalb von 48 Stunden vor dem Eingriff 100 % Prozent des Bruttobetrages bezahlen, außerdem auch noch eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 60,00 €.

Der Patient müsse also bei einer kurzfristigen Absage des Eingriffs mehr bezahlen, als er bei Durchführung des Eingriffes zahlen müsste. Ein derart hoher Schaden sei völlig realitätsfern und offenkundig einseitig zugunsten der Klinik festgelegt, so urteilte das Gericht. Außerdem würde die AGB nicht berücksichtigen, dass sich die Klinik bei Absage eines Operationstermins Aufwendungen ersparen würde, nämlich wie Medikamente und Verbrauchsmaterialien und so weiter. Diese seien eigentlich zugunsten des Patienten abzuziehen.

Die Klausel der Klinik benachteilige den Patienten unangemessen, so urteilte das Amtsgericht München.

Eine Heilbehandlung setze immer ein gesteigertes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Behandelndem und Patienten voraus. Das sei allgemein anerkannt. Das führe aber dazu, dass der Behandlungsvertrag jederzeit gemäß § 621 Nr. 5, 627 BGB fristlos gekündigt werden könne, ohne hierfür sachliche oder sogar wichtige Gründe angeben zu müssen. Der Patient müsse jederzeit die Möglichkeit haben, frei darüber zu entscheiden, ob er einen Eingriff in den Körper oder seine Gesundheit zulassen will. Das wirtschaftliche Interesse der Klinik müsse hinter dem schützenswerten Interesse des Patienten zurücktreten.

Kurz und gut:

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) in einem Wahlleistungsvertrag mit einer Klinik, wonach der Patient zum Schadensersatz verpflichtet wird, wenn er einen Operationstermin abgesagt wird, sind in der Regel und wirksam. Das geht aus dem Urteil des Amtsgerichtes München vom 28. Januar 2016 hervor.

 

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Umkleidezeit kann zur Arbeitszeit zählen!

Bekanntlich hat sich in der Rechtsprechung herausgestellt, dass im Arbeitsrecht Umkleidezeiten zur Arbeitszeit gehören. Dies galt immer dann, wenn das Tragen von Arbeitskleidung Pflicht ist und die Arbeitskleidung erst im Betrieb angelegt werden darf. Damit hat die Rechtsprechung dokumentiert, dass diese Zeit zu bezahlen ist.

Was ist nun mit Umkleidezeit, bei der nicht vorgeschrieben wurde, dass die betriebliche Umkleidestelle benutzt werden muss? Das Landesarbeitsgericht Hessen hat nun entschieden, dass auch ein Arbeitgeber zahlen muss, der nicht vorgeschrieben hatte, die betriebliche Umkleidestelle zu nutzen. Vorliegend war aber das Tragen von Schutzkleidung Pflicht. Die notwendige Arbeitskleidung bzw. Schutzkleidung wurde regelmäßig durch die Arbeit erheblich verschmutzt. Der Arbeitnehmer konnte deshalb den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz weder mit dem eigenen Pkw noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln in dieser verschmutzten Kleidung zurücklegen. Dass sei aus hygienischen Gründen weder dem Mitarbeiter selbst noch Mitreisenden in Bussen und Bahnen zuzumuten. Deshalb entschied das Gericht, dass die Arbeitsbekleidung eigentlich nur im Betrieb an- und ausgezogen werden könne. Dort hatte der Arbeitgeber auch die Reinigung der Arbeitskleidung organisiert. Und genau deshalb müsse der Arbeitgeber auch die Umkleidezeit und die deswegen erforderliche Wegezeit bezahlen. Außerdem sei es Mitarbeitern auch nicht zumutbar, den Weg zur Arbeit in der Arbeitskleidung zurückzulegen, weil das Firmenemblem sehr auffällig war.

Kurz und gut:

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat entschieden, dass die Umkleidezeit Teil der Arbeitszeit sein kann, wenn die Arbeitskleidung stark verschmutzt wird und auffällig ist. Dies geht aus dem Urteil des hessischen Landesarbeitsgerichtes vom 23.11.2015 hervor. Danach kann der Mitarbeiter eines Müllheizkraftwerkes verlangen, dass ihm die Zeiten als Arbeitszeit vergütet werden, die für das An- und Ausziehen der Arbeitskleidung auf dem Werksgelände und den Weg zwischen Umkleidestelle und Arbeitsplatz anfallen. Die Entscheidung ist auch rechtskräftig.

 

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Verwaltungsgericht Düsseldorf: Ein vorzeitig in Ruhestand versetzter Beamter  kann für Überstunden Geldentschädigung verlangen

Zum Sachverhalt:

Kläger war ein Beamter, der in der Justizvollzugsanstalt Essen beschäftigt war. Er hatte durch den Dienstplan Überstunden in erheblichem Umfang aufgebaut. Er war nämlich für Wochenend- und Schichtdienste eingeteilt. Freizeitausgleich hat er nicht erhalten.

Nun wurde der Kläger krankheitsbedingt vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Er hat einen Antrag auf finanziellen Ausgleich für die geleisteten Überstunden gestellt, das beklagte Land lehnte ab. Dagegen hat er Klage erhoben.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung ergebe sich zwar nicht aus § 61 Abs. 2 des nordrhein-westfälischen Beamtengesetzes, da diese Vorschrift nur bei rechtmäßig angeordneter Mehrarbeit eingreife. Der Beamte könne sich aber auf einen allgemein beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) berufen. Denn er sei über mehrere Jahre zu Mehrarbeit in erheblichem Umfang herangezogen worden, ohne dass es bis zu seinem Ruhestand zu einem Freizeitausgleich gekommen sei.

Dabei wäre es Sache des beklagten Landes als Dienstherr gewesen, für einen Abbau von Überstunden zu sorgen. Den Kläger treffe kein Mitverschulden, welches den Entschädigungsanspruch ausschließen würde. Ihm könne insbesondere nicht seine Erkrankung entgegengehalten werden, die letztlich zur vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand geführt habe. Es sei ihm auch nicht zumutbar gewesen, sich bereits vorher gegen die für ihn nicht erkennbar rechtswidrig auferlegten Überstunden zur Wehr zu setzen.

Kurz und gut:

Ein ehemaliger Bediensteter im Justizvollzug kann für Überstunden als Ausgleich eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn der Abbau der Überstunden aufgrund krankheitsbedingter vorzeitiger Versetzung des Beamten in den Ruhestand nicht mehr möglich ist. Dies hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 4. Mai 2016 entschieden.

 

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OLG Hamm: Elternwille bestimmt auch nach Entzug der elterlichen Sorge Religionszugehörigkeit des Kindes

Sachverhalt:

Die Kindsmutter ist Mutter der 2007 geborenen Tochter. Die Kindesmutter stammt aus einem Land Nordafrikas und ist muslimischen Glaubens. Der Vater ist nicht sorgeberechtigt, er ist 1968 in Duisburg geboren und stammt von evangelischen Eltern ab. Direkt nach der Geburt nahm das Jugendamt das Kind in Obhut und verbrachte es in eine Bereitschatspflegefamilie. Direkt danach Entzog das Familiengericht der Kindesmutter Teile der elterlichen Sorge, unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge. Es kam dann zum Sorgerechtsverfahren. Die Kindesmutter hat in mehreren an das Familiengericht gerichteten Schreiben ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass das Kind nach dem muslimischen Glauben großgezogen werden solle. Auch gegenüber dem Sachverständigen äußerte sie sich so.

Im Jahr 2008 Entzog das Familiengericht der Kindesmutter die elterliche Sorge und übertrug diese auf das Jugendamt als Vormund. Seit 2009 lebt das Kind inkognito in einer Dauerpflegefamilie, die ihre eigenen Kinder nach christlichen Wertvorstellungen erzieht und römisch-katholisch taufen ließ. Nach den Vorstellungen der Pflegeeltern und des Vormundes soll die Pflegetochter katholisch getauft werden. Sie soll nämlich nach der Teilnahme am katholischen Religionsunterricht auch die Erstkommunion empfangen. Dies sei Wunsch des Kindes, meinen die Beteiligten. Das Familiengericht hat die vom Vormund getroffene Anordnung, das Pflegekind in der römisch-katholischen Religion zu erziehen, genehmigt.

Gegen diese Entscheidung hat die Kindesmutter Beschwerde eingelegt, die mit einer Taufe der Tochter und ihrer römisch-katholischen Erziehung nicht einverstanden ist.

Die Beschwerde war erfolgreich. Der zweite Senat für Familiensachen des OLG Hamms hat die familiengerichtliche Genehmigung, das Pflegekind nach dem römisch-katholischen Glauben zu erziehen, abgelehnt. Das Jugendamt als Vormund könne die Religionszugehörigkeit des Kindes nicht mehr bestimmen. Das lassen die Vorschriften des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung nicht zu. Die Kindesmutter habe zuvor entschieden, dass ihre Tochter nach dem muslimischen Glauben erzogen werden solle. An diese Bestimmung sei das Jugendamt als Vormund gebunden, weil es sich um die Erstbestimmung handle. Das Gesetz über die religiöse Kindererziehung erlaube es ihnen nicht, diese zu ändern.

Dieses erste Bestimmungsrecht habe die Kindesmutter noch vor dem vollständigen Entzug der elterlichen Sorge ausgeübt. Das ergebe sich aus ihren im Sorgerechtsverfahren dokumentierten schriftlichen und persönlichen Äußerungen.

Zu diesem Zeitpunkt sei die Kindesmutter nämlich noch Inhaberin des zur religiösen Erziehung des Kindes berechtigten Teils der elterlichen Sorge gewesen. Nach dem einschlägigen Gesetz sei insoweit unerheblich, ob diese Entscheidung aus heutiger Sicht dem Kindeswohl entsprechen würde.

Es sei auch vollkommen unerheblich, dass die Kindesmutter zu keiner Zeit in der Lage gewesen sei, mit ihrem Kind ihre Religionszugehörigkeit auszuleben bzw. zu erleben. Die gesetzliche Vorschrift erfordere lediglich ein nach außen dokumentiertes Bekenntnis der Kindesmutter zur Religionszugehörigkeit des Kindes. Und ein derartiges Bekenntnis hat die Kindesmutter nun mal abgegeben. Das kann das Jugendamt nicht ändern.

Kurz und gut: Das OLG Hamm hat entschieden, dass Kindeseltern die Religionszugehörigkeit ihres Kindes bestimmen können und diese Bestimmung auch dann verbindlich bleibt, wenn das Kind nach Entzug der elterlichen Sorge in einer Pflegefamilie aufwächst, die einer anderen Religion angehört und nach dieser lebt. Dies hat das OLG Hamm mit Beschluss vom 29. März 2016 entschieden und damit den Antrag des Vormundes, des Jugendamtes also, die römisch-katholische Erziehung des Kindes zu genehmigen, zurückgewiesen. Das Jugendamt sei nicht befugt, die Erstbestimmung der leiblichen Eltern zu ändern, so das OLG Hamm.

 

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LG Kleve: Entschädigung für fünf Monate in Psychiatrie

Ein 37-jähriger Metallbauer aus Rheinberg hat Anspruch auf Entschädigung für einen fünfmonatigen Zwangsaufenthalt in einer geschlossenen Psychiatrie. Das hat das Landgericht Kleve (Nordrhein-Westfalen) am 07.04.2016 entschieden. Die lange Unterbringung des Mannes sei nicht gerechtfertigt gewesen.

Sachverhalt

Der Mann war im November 2016 betrunken Auto gefahren, hatte Drohungen gegen Polizisten ausgestoßen und mit einer Schreckschusswaffe auf die Beamten geschossen. Die Polizisten forderten eine Spezialeinheit an, die mit einem Rammbock das Haus stürmte, in dem sich der Betrunkene inzwischen verschanzt hatte. Als der Mann die Waffe auf einen SEK-Beamten richtete, schoss dieser ihm gezielt ins  Bein. Während die Staatsanwaltschaft den Mann weiterhin in der Psychiatrie untergebracht sehen wollte, setzte das Gericht ihn auf freien Fuß.

Entschuldigung für Schuss auf Beamten

Der 37-jährige entschuldigte sich für seinen Auftritt im November: Er habe auf die Beamten geschossen, weil er nicht zurück in die Psychiatrie wollte, aus der er gerade entlassen worden war. Nach Ansicht des Gerichts geht inzwischen keine Gefahr mehr von dem Mann aus. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Arbeitsrecht: OP-Schwester arbeitet nicht selbstständig

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin, eine staatlich anerkannte Fachkrankenschwester für operative Funktionsbereiche, schloss im Jahr 2013 mit einem Klinikum einen Dienstvertrag ab. Dieser sah unter anderem vor, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin Dienstleistungen als Fachkraft im OP-Dienst zu erbringen hatte. Hierunter fiel unter anderem die Planung, Durchführung und Dokumentation von OP-Diensten. Die Tätigkeit sollte im Namen des Klinikums erfolgen, ohne dabei aber ein Arbeitsverhältnis zu begründen. Die Klägerin hatte eigene Berufsbekleidung und ein eigenes Namensschild einzusetzen. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestand nicht.

Die Klägerin wurde in der Folgezeit mehrfach für die Klinik tätig. Sie wurde ausschließlich im OP-Bereich eingesetzt. Aus hygienischen Gründen war dort zwingend eine Berufskleidung, eine so genannte Bereichskleidung zu tragen, die vom Klinikum gestellt wurde. Die Klägerin hatte an dieser Kleidung ein eigenes Namensschild angebracht, welches sie als Honorarkraft auswies. Im Operationssaal hat die Klägerin über diese Bereichskleidung einen sterilen Kittel gezogen, der ebenfalls von der Klinik gestellt wurde. Bei der Operation musste die Klägerin dem operierenden Arzt die von ihm gewünschten Instrumente und Materialien reichen, ohne dass sie hierauf selbst Einfluss nehmen konnte. Im Gegensatz zu anderen Schwestern oder Pflegern konnte die Klägerin aber selbst bestimmen, in welcher Reihenfolge sie das Besteck und die Materialien vor sich auslegte. Die Klägerin hatte zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu Patienten im wachen Zustand.

Nachdem sowohl die Klinik als auch die Klägerin einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gestellt hatten, stellte die beklagte Rentenversicherung fest, dass die Klägerin abhängig beschäftigt sei und daher eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken, PflegeRentenund Arbeitslosenversicherung bestehe. Die Klägerin erhob hier Gegenklage, diese hatte keinen Erfolg. Die Richter des Sozialgerichtes kamen nach einer Gesamtabwägung aller Umstände zu dem Urteil, dass die Klägerin als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte für das Klinikum tätig war. Zwar spreche der Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung für eine selbstständige Tätigkeit. Das hätten die Vertragsparteien auch ungewollt, das sei aber nicht ausschlaggebend. Entscheidend seien vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse, die vorliegend für einen Status als abhängig Beschäftigte sprächen.

Das Fehlen eines eigenen unternehmerischen Risikos spricht nämlich gegen Selbstständigkeit. So habe die Klägerin etwa keinen Einfluss darauf gehabt, wann konkret Operationen durchgeführt wurden. Diesbezüglich habe sie sich in den Klinikbereich eingliedern müssen. Sie habe auch kein besonders unternehmerisches Risiko getragen, wie sonst die Selbstständigen. Weiter habe sie im Krankheitsfall lediglich dem Klinikum absagen müssen, sich aber nicht weiter um Ersatz kümmern müssen. Das sei aber beinormalen Arbeitnehmernnun mal der Fall. Schließlich habe sie während der Operation die Krankenhauskleidung der Klinik tragen müssen, so dass von außen eine Unterscheidung von anderen angestellten Mitarbeitern nicht möglich gewesen sei.

Kurz und gut: Eine OP-Schwester ist auch dann sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wenn sie aufgrund eines Dienstvertrages als freie Mitarbeiterinfür ein Krankenhaus tätig wird. Dies geht aus einem Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 18. März 2016 hervor.

 

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Arbeitsrecht: Landgericht Berlin-Brandenburg: Stundenlohn von 3,40 € als Hungerlohn sittenwidrig

Sachverhalt:

Das Jobcenter hat in den Jahren 2011 bis 2014 Leistungen zur Grundsicherung an eine Arbeitnehmerin erbracht. Diese arbeitete in einer Pizzeria im östlichen Brandenburg. Sie war dort seit 2001 als Auslieferungsfahrerin tätig. Sie erhielt durchgängig pauschal 136,00 € pro Monat, bei einer Arbeitszeit von 35-40 Stunden pro Monat.

Das Jobcenter hatte geltend gemacht, die Vergütung dieser Arbeitnehmerin sei sittenwidrig niedrig. Bei Zahlung der üblichen Vergütung wären geringere Leistungen an Grundsicherung angefallen. Deshalb nahm das Jobcenter den Arbeitgeber auf Erstattung der Differenz in Anspruch.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 5.744,18 € stattgegeben. Das Gericht hat ausgeurteilt, dass es sich bei dem ergebenden Stundenlohn von 3,40 € pro Stunde um einen Hungerlohn handeln würde. Selbst bei unterstellter Vollzeittätigkeit werde ein Einkommen erzielt, von dem man nicht leben könne. Die Vereinbarung von Hungerlöhnen sei sittenwidrig und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

Das Gericht hat die übliche Vergütung aus den Feststellungen des statistischen Landesamtes entnommen. Das klagende Jobcenter sei zutreffend im Jahr 2011 von einem Stundenlohn von 6,77 € ausgegangen, der bis zum Jahr 2014 sich sogar auf 9,74 € steigern könne.

Kurz und gut: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat einer Klage eines Jobcenters gegen einen Arbeitgeber wegen sittenwidriger Löhne vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes stattgegeben. Wie das Gericht meldet, hatte das Jobcenter Brandenburg Leistungen zur Grundsicherung für eine Arbeitnehmerin erbracht, die Pizza auslieferte für einen pauschalen Monatslohn in Höhe von 136,00 €. Die monatliche Arbeitszeit betrug 35-40 Stunden pro Monat.

 

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Tarifliche Ausschlussfristen

Man kennt das: Im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag sind Ausschlussfristen für Gehälter oder sonstige Zahlungen vereinbart. Das heißt, dass der Arbeitnehmer immer prüfen muss, ob er ordnungsgemäß seine Zahlungen vom Arbeitgeber erhält, sei es Gehalt, sei es sonstige Zahlungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber. Dreimonatige Ausschlussfristen sind die Regel und auch wirksam. Problematisch ist, wie die diese geltend gemacht werden, dazu gibt es jetzt eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, kurz hat das Bundesarbeitsgericht folgendes entschieden: Gilt in einem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Ausschlussfrist, innerhalb derer einen Anspruch gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden muss, reicht es zur Fristwahrung nicht aus, dass das Anspruchsschreiben vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist und dem Anspruchsgegner gegebenenfalls später zugestellt wird. Das BAG meint in seinem Urteil vom 16.03.2016, dass alleine der Zugang beim Anspruchsgegner entscheidend ist. § 167 ZPO finde für die Wahrung einer einfachen tariflichen Ausschlussfrist bei der außergerichtlichen Geltendmachung keine Anwendung.

Tatsächlicher Zugang erforderlich!

Zum Sachverhalt: Der Kläger begehrt von seinem Arbeitgeber eine Entgeltdifferenz für den Monat Juni 2013. Den Anspruch hat er erstmals mit seiner bei Gericht am 18.12.2013 eingegangenen Klageschrift geltend gemacht. Dem beklagten Arbeitgeber wurde die Klage am 07.01.2014 zugestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Anwendung, danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn die nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten -und konkreten Fall für die klägerische Forderung: Bis 30.12.2013- schriftlich geltend gemacht werden.

Der Kläger meint, zur Wahrung dieser Ausschlussfrist habe der fristgerechter Eingang der Klageschrift bei Gericht ausgereicht. § 167 ZPO, der dies jedenfalls für bestimmte Maßnamens gegen den Ablauf von Verjährungsfristen ausdrücklich regele, sei auch auf die Einhaltung tariflicher  Verfallfristen anzuwenden. Der Beklagte Arbeitgeber meint, es komme bei außergerichtlichen Fristen alleine auf den tatsächlichen Zugang des Anspruchsschreiben an.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben; also das Anspruchsschreiben als fristgerecht angesehen.

Hiergegen hat der Arbeitgeber Revision eingelegt und hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hatte entschieden, dass § 167 ZPO auf tarifliche Ausschlussfristen, die durch eine bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, nicht anwendbar ist. Erfolgt damit der langjährigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, nach der der Gläubiger einer Forderung sich dem Zeitverlust durch die -in der Sache nicht zwingend erforderliche- in Anspruchsnahme des Gerichtes selbst zuzurechnen hat. Die Zustellung der Klageschrift am 07.01.2014 sei danach verspätet und die Klage ist abzuweisen.

 

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Nach mehrfachem Fahren ohne Führerschein kommt Haftstrafe

Man kann es kaum glauben: Ein junger Mann, ein Bauunternehmer, muss ins Gefängnis, weil er trotz fehlender Fahrerlaubnis immer wieder Auto gefahren ist. Und er wurde immer wieder gefasst.

Gegen ihn wurde eine Strafe von einem Jahr Haft verhängt, außerdem bekam er eine erneute Führerscheinsperre von einem Jahr.

Was war geschehen? Der junge Mann war zwei Wochen vor der Tat zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil er ohne Fahrerlaubnis am Steuer seines Firmenwagens erwischt wurde. Während dieser Fahrt wurde er ohne Sicherheitsgurt geblitzt. Da er vorher schon verurteilt worden war, bekam er die Bewährungsstrafe.

Kurze Zeit nach diesem Urteil auf Bewährungsstrafe fuhr er auf den Zivilpolizisten zu, der ihn noch vom Prozess her kannte. Der Polizist wusste, dass der junge Mann keine Fahrerlaubnis hatte.

Vor Gericht räumte der Bauunternehmer die Vorwürfe ein. Seine Einlassung: Er brauche beruflich ein Fahrzeug, um auf die Baustellen zu kommen, sagte er. Er habe aber aufgrund der gegen ihn verhängten Führerscheinsperren keine Möglichkeit, die Fahrprüfung zu absolvieren.

Das brachte ihm neben der Haftstrafe eine erneute Führerscheinsperre von einem Jahr ein.

 

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OLG Oldenburg verurteilt Jetski Fahrer nach tödlichem Unfall auf der Ems zu Schadensersatz

Am Sonntag, 19.08.2012 war es warm und sonnig. Ein 22 jähriger junger Mann aus Haren fuhr zur Ems, pustete seine Luftmatratze auf, ließ sich darauf nieder und paddelte über die Ems. Er wollte ein wenig entspannen. Auf der Ems fuhr ein 26 jähriger mit seinem Jetski. Der Jetski Fahrer wollte zwei Boote links überholen.

Dabei übersah er den 22 jährigen auf der Luftmatratze und überfuhr ihn. Der 22 jährige fiel von seiner Luftmatratze und verschwand sofort unter der Wasseroberfläche. Der Jetski Fahrer und andere Personen suchten sofort nach ihm und tauchten auch nach dem 22 jährigen. Jedoch: Er konnte erst Stunden später durch Rettungskräfte tot geborgen werden. Die Mutter des 22 jährigen klagte vor dem Landgericht Osnabrück. Sie verlangt vom Jetski Fahrer Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € an die Erbengemeinschaft, Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von   20.000,00 € an sich selbst, Schadensersatz in Höhe von  rund 7.000,00 € an die Erbengemeinschaft und Erstattung aller ihr künftig entstehenden Schäden.

Die Klägerin wirft dem 26 jährigen vor, dass er die Ems an der Unfallstelle nicht mit dem Jetski habe befahren dürfen. Außerdem sei er viel zu schnell gefahren und unaufmerksam gewesen.

Der Jetski Fahrer verteidigt sich damit, dass er den 22 jährigen auf der Luftmatratze wegen der Lichtspiegelung auf der Wasseroberfläche erst sehr spät hätte wahrnehmen können.

Außerdem meint er, dass an der Unfallstelle das Baden verboten gewesen sei, weswegen dem 22 jährigen auf der Luftmatratze ein Mitverschulden treffe.

Das Landgericht gab der Klage teilweise statt und verurteilte den Jetski Fahrer an die Erbengemeinschaft ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000,00 € und Schadensersatz in Höhe von ca. 6.500,00 € zu zahlen.

Außerdem verurteile das Landgericht den Jetski Fahrer an die Mutter des verstorbenen ein Schmerzensgeld in Höhe von 14.000,00 € zu zahlen (Angehörigenschmerzensgeld) sowie alle ihr auf den Unfall beruhenden Schäden zu ersetzen. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass der Jetski Fahrer zu 100 % für die Unfallfolgen hafte.

Er hätte den Unfall vermeiden können, wenn er seine Fahrgeschwindigkeit den Licht- und Sichtverhältnissen angepasst hätte.

Dem 22 jährigen auf der Luftmatratze treffe kein nennenswertiges Mitverschulden.

Und dann das besondere: Die Mutter des verstorbenen habe Anspruch auf eigenes Schmerzensgeld (Angehörigenschmerzensgeld) da sie durch den Unfall seines Sohnes über eine „normale“ Trauerreaktion hinaus in eine schwere depressive Krise geraten sei.

Der Jetski Fahrer ging in Berufung, das OLG meinte, den 22 jährigen treffe ein Mitverschulden an den Unfall.

Es hätte ein Badeverbot bestanden, unabhängig davon hätte ihm klar sein müssen, dass das Treiben lassen auf einer Luftmatratze nicht völlig ungefährlich war.

Es seien zwar am Sonntag keine größeren Binnenschiffe auf der Ems unterwegs gewesen, Bootsverkehr habe aber auf jeden Fall bestanden.

Der 22 jährige auf der Luftmatratze hätte also nicht vor sich hin dösen dürfen, er hätte das Geschehen auf das Wasser beobachten müssen, um eine Gefährdung für sich zu vermeiden. Sein Mitverschulden sei mit 20 % zu werten.

 

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Kein Anspruch auf isolierte Klärung der Abstammung außerhalb der rechtlichen Familie

Sachverhalt:

Die 1950 nichteheliche geborene Beschwerdeführerin meint, dass der Antragsgegner ihr leiblicher Vater sei. Im Jahr 1954 nahm sie den Beschwerdeführer das erste Mal in Anspruch nach dem damaligen Recht auf „Feststellung blutsmäßiger Abstammung“.

Damals wurde durch das Landgericht ihre Klage im Jahr 1955 rechtskräftig abgewiesen.

2009 forderte die Beschwerdeführerin den Antragsgegner zur Einwilligung in die Durchführung eines DNA-Tests auf, um die Vatershaft „abschließend zu klären“. Der Antragsgegner lehnte dies ab.

Die Beschwerdeführerin beantragte daraufhin bei Gericht unter Berufung auf § 1598 a BGB Einwilligung vom Antragsgegner in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe.

Zur Erklärung: § 1598 a BGB gibt dem Vater, der Mutter und dem Kind innerhalb der rechtlichen Familie gegenüber den jeweils anderen beiden Familienmitgliedern einen solchen Anspruch.

Die Beschwerdeführerin meinte, dass diese Norm im vorliegenden Fall verfassungs- und menschenrechtskonform dahingehend auszulegen sei, dass auch der Antragsgegner als mutmaßlich leiblicher, aber nicht rechtlicher Vater auf Teilnahme an einer rechtsfolgenlosen Abstammungserklärung in Anspruch genommen werden könne.

Das Amtsgericht wies den Antrag der Beschwerdeführerin zurück. Ihre Beschwerde beim Oberlandesgericht blieb erfolglos. Daraufhin hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben, sie meint, sie sei in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG verletzt.

Leitsatz des Bundesverfassungsgerichtes: Ein Kind hat gegen einen Mann, den es für seinen leiblichen Vater hält, der aber nicht sein rechtlicher Vater ist, keinen Anspruch auf eine isolierte Abstammungserklärung.

Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin sei nicht in ihren Grundrechten verletzt, denn die Auslegung des § 1598 a BGB durch das Amtsgericht und das Oberlandesgericht sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es komme nicht in Betracht, die Norm erweiternd verfassungskonform auszulegen. Denn das Bundesverfassungsgericht erachtet das Fehlen eines isolierten Abstammungserklärungsanspruchs gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater für verfassungskonform. Insbesondere verstöße es nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrechts eines Kindes, dass es seine Abstammung gegen den Willen des vermuteten, biologischen, aber nicht rechtlichen Vater, nur im Wege der Feststellung der rechtlichen Vaterschaft nach § 1600 d BGB klären kann.

Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass die Frage der Aufklärbarkeit der eigenen Abstammung vom vermeintlich leiblichen Vater zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht beträfe, das Bundesverfassungsgericht unterstreicht aber auch die Gefahr von Abstammungsuntersuchungen „ins Blaue“ hinein. Das wäre nämlich dann möglich, wenn eine isolierte Abstammungserklärung zwischen Personen, die nicht durch ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis verbunden sind, ermöglicht würde.

Würde man sich gegen die vom Gesetzgeber gewählte Lösung entscheiden, würde zwar die Abstammungsuntersuchung auf der einen Seite dem Kind nicht die gewünschte Gewissheit über seine leibliche Abstammung verschaffen (weil das Abstammungserklärungsverfahren zu einem negativen Ergebnis führen könne) beeinträchtige aber auf der anderen Seite die Grundrechte des anderen Betroffenen, also des behaupteten Kindsvaters.

 

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Einheitliches Fahrverbot bei Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Viele wissen es nicht, man kann Fahrverbot gleichzeitig antreten. Jetzt gibt es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes, über Fahrverbot in Tatmehrheit.

Zum Sachverhalt:

Auf der A2 ist teilweise die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h begrenzt. Der Betroffene fuhr auf diesem Stück der A2.

Und das sogar zweimal!

Im April befuhr er das Stück der A2 mit einer Geschwindigkeit von 160 km/h pro Stunde und im Juni dann etwas langsamer aber mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h.

Für beide Vorfälle erhielt der Betroffene Bußgeldbescheide. Über beide Ordnungswidrigkeiten bzw.  Bußgeldbescheide kam es zu einem Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht. Das Amtsgericht verurteilte ihn wegen der beiden Ordnungswidrigkeiten und verhängte für jede Ordnungswidrigkeit jeweils ein einmonatiges Fahrverbot. Also: Ein Monat Fahrverbot für April mit 160 km/h und einen Monat Fahrverbot für Juni mit 150 km/h pro Stunde.

Der Betroffene legte dagegen Rechtsbeschwerde ein.

Das OLG Hamm wollte die Rechtsbeschwerde verwerfen und es bei der Verurteilung des Betroffenen zu zwei Fahrverboten belassen. Doch das OLG Hamm stand alleine mit seiner Meinung da, denn verschiedene andere Oberlandesgerichte, Bamberg, Brandenburg, Düsseldorf, Schleswig-Holstein und Stuttgart vertreten die Meinung, dass nur ein Fahrverbot verhängt werden kann.

Deshalb musste das OLG Hamm die Sache dem BGH vorlegen, denn die OLG´s sollen eine einheitliche Rechtsprechung haben.

Und der BGH entscheidet wie folgt:Wird über zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können, gleichzeitig entschieden, so ist nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen.

Der BGH wies das OLG Hamm darauf hin, dass es nicht entscheiden könne, zwei Fahrverbote zu verhängen. Das Gesetz habe schließlich bei der Tatmehrheit im § 20 OWiG eine Regel getroffen. Diese beziehe sich auf die Festsetzung einer Geldbuße. Der Gesetzeswortlaut gebe nichts darüber her, wie im Falle der Tatmehrheit hinsichtlich der Nebenfolgen (und dazu gehört das Fahrverbot) zu verfahren sei.

BGH sagt: Wenn der Gesetzgeber die Nebenfolgen auch hätte entscheiden wollen, dann hätte er dies tun können. Er hat das aber nur hinsichtlich der Geldbußen getan, aber nicht hinsichtlich der Nebenfolgen.

Und deshalb gilt: Es gibt nur ein Fahrverbot bei Tatmehrheitlich zu behandelnden Ordnungswidrigkeiten.

 

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Neues zur Höhe von Mietwagenkosten

Sachverhalt:

Das OLG hatte einen Verkehrsunfall zu beurteilen, der sich im August 2014 in Bielefeld ereignet hat. Der Kläger kollidierte im Kreuzungsbereich mit seinem Pkw Toyota mit einem entgegenkommenden Mercedes Benz, der unter Befahren einer Sperrfläche in den Kreuzungsbereich eingefahren war.

Aufgrund des verbotswidrigen Befahrens der Sperrfläche hatte das Gericht eine Haftungsquote von 70:30 ausgeurteilt, das bedeutet, dass der Kläger 30 % seines Schadens selbst zu tragen hatte.

Die Schadenshöhe betrug insgesamt € 11.250,00. Darin enthalten war eine Mietwagenkostenrechnung in Höhe von € 828,00, der Senat zu beurteilen, ob diese Schadensposition gerechtfertigt war.

Der Senat meinte, der Kläger habe zu der Schadensposition der Mietwagenkosten beim Anmieten des genutzten Ersatzfahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht Genüge getan. Sein diesbezüglicher Schaden sei deswegen nach dem angemessenen Normaltarif zu schätzen, wobei es darauf ankomme, zu welchen Konditionen der Kläger einen Mietwagen erhalten hätte, wenn er dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen hätte.

Bei der Schätzung kann das Gericht entweder auf die Marktpreiserhebungen nach der „Schwacke-Liste“ oder nach dem Frauenhofer-Marktpreisspiegel zurückgreifen. Beide Marktpreiserhebungen seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich geeignete Schätzungsgrundlage. Aufklärungsbedürftig ist erstmal, welche unterschiedlichen Erhebungsmethoden denn beide Auswertungen vornehmen: Die Erhebungen des Frauenhoferinstituts beruhen im Wesentlichen auf einer anonymen Internetabfrage. Die Schwacke-Erhebung beruht auf einer nicht anonymisierten, aber örtlich genaueren Anbieterabfrage. Diese unterschiedlichen Erhebungsmethoden hätten Vor- und Nachteile, die es dem Senat als sachgerecht erscheinen ließen, keine der Listen isoliert heranzuziehen, sondern auf einen Mittelwert abzustellen.

Im vorliegenden Fall sei nach der „Schwacke-Liste“ ein Tarif von € 1.142,52 und nach dem Frauenhofer-Marktpreisspiegel ein Wert von € 490,51 zu ermitteln. Der Mittelwert hieraus ergibt € 816,52. Dieser Mittelwert weicht nur unerheblich von den angefallenen tatsächlichen Mietwagenkosten in Höhe von € 828,00 ab, so dass diese als erstattungsfähig angesehen wurden.

Leitsatz des OLG Hamm: Sind bei der Abwicklung eines Verkehrsunfallschadens Mietwagenkosten nach dem angemessenen Normaltarif zu schätzen, ist als Schätzungsgrundlage auf den Mittelwert der Marktpreiserhebungen nach der „Schwacke-Liste“ und dem Frauenhofer-Marktpreisspiegel abzustellen.

 

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Entziehung der Fahrerlaubnis

Einem Mann, der mit einem Druckgasgewehr auf einen Schüler geschossen und diesen verletzt hatte, ist zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen worden, nachdem das angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten negativ ausgefallen war.

Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt a. d. Weinstraße mit Beschluss vom 08.03.2016 entschieden.

Es handelte sich um eine Straftat mit einem hohen Aggressionspotenzial. Im Untersuchungsgespräch habe der Mann sein Verhalten bagatellisiert.

Zum Sachverhalt:

Der Antragsteller wurde wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichen, unerlaubten Besitzes und Führen einer Schusswaffe per Strafbefehl zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Er hatte mit einem Druckgasgewehr durch ein offenes Wohnzimmerfenster auf eine Schülergruppe gezielt, die etwa vierzig Meter entfernt auf einem Schulhof stand und geäußert: „Das wäre ein guter Kopftreffer“.

Anschließend schoss er auf einen dreizehnjährigen Schüler, der mit dem Rücken zu ihm stand. Das Geschoss traf den Schüler leicht links versetzt im oberen Schulterbereich. Der Schüler erlitt dabei ein Hämatom.

Nach Rechtskraft des Strafbefehls forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller auf, zur Klärung seiner Fahreignung ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Der TÜV kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass aufgrund der strafrechtlichen Auffälligkeit mit Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial zu erwarten sei, dass der Antragsteller zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche / strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Daraufhin wurde dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis entzogen. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und beantragte vorläufigen gerichtlichen Rechtschutz.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag abgelehnt. Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Gutachtens hatte das Verwaltungsgericht nicht. Der Gutachter habe ausgeführt, dass Forschungsergebnisse einen engen Zusammenhang zwischen allgemein-strafrechtlichen Delikten, Aggressivität und Verkehrsauffälligkeiten belegten.

Das Gefährdungsrisiko im Straßenverkehr steige mit der Anzahl allgemein-strafrechtlicher Delikte. Personen, die außerhalb des Straßenverkehrs wenig Rücksicht auf Regeln und Gesetzte nähmen, setzten sich auch beim Fahren leicht über die Verkehrsbestimmungen hinweg. Zudem sei bei Straftaten, bei denen ein hohes Aggressionspotenzial zu erkennen sei, zu berücksichtigen, dass die hier gezeigte erhöhte Impulsivität eine zuverlässig kontrollierte Verhaltenssteuerung erschwere.

Unter Zugrundelegung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse und dem Gesprächsverhalten des Antragstellers bei dem psychologischen Untersuchungsgespräch habe der Gutachter nachvollziehbar gefolgert, dass der Antragsteller zukünftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche / strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde, so das Verwaltungsgericht. Der Antragsteller habe im Wesentlichen äußere Umstände (das geladene Luftgewehr) oder andere Personen (seinen Cousin, der auf ihn einen ungünstigen Einfluss ausgeübt habe) und nicht persönliche Anteile für sein Fehlverhalten verantwortlich gemacht.

Er habe die Auffälligkeit insgesamt bagatellisiert und als von ihm nicht gewollt und auch nicht bemerkbar dargestellt.

Immer wieder tauchen derartige Vorhalte der Behörden auf, es würde ein Aggressionspotenzial vorliegen. Dann kann es zu Problemen mit der Fahrerlaubnis kommen.

 

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Keine fristlose Kündigung wegen eigenmächtiger Selbstbeurlaubung

Zum Sachverhalt:

Die Arbeitgeberin ist eine Gießerei mit weit über 1.000 Beschäftigten. Der Kläger und Arbeitnehmer ist Betriebsratsvorsitzender.

Er hatte als Betriebsratsvorsitzender den Urlaub bei der Arbeitgeberin beantragt, weil er eine gewerkschaftliche Schulungsmaßnahme besuchen wollte. Der Urlaub wurde ihm nicht gewährt. Der Arbeitgeber hat den Urlaubsantrag abgelehnt, durch den zuständigen Personalleiter, wegen dringend zu erledigender Aufgaben und aufgrund der Kurzfristigkeit des Urlaubsbegehrens.

Daraufhin wollte die Arbeitgeberin kündigen, benötigt dazu aber natürlich die Zustimmung des Betriebsrates. Deshalb ist sie dann vor Gericht gezogen und hat die Zustimmung des Betriebsrates zu einer fristlosen Kündigung beantragt. Hilfsweise hat sie beantragt, dass der Arbeitnehmer und Betriebsratsvorsitzende vom Vorsitz ausgeschlossen werde, da er quasi „im Alleingang“ immer wieder Beteiligungsrecht missbräuchlich ausnutze. So habe der Arbeitnehmer und Betriebsratsvorsitzende beispielsweise über einen Antrag auf Mehrarbeit nicht entschieden, um den Arbeitgeber zu einem Verzicht auf Ausschlussfristen zu bewegen.

Der Arbeitnehmer, also der Betriebsratsvorsitzende, und der Betriebsrat selbst haben dem gegenüber die Auffassung vertreten, ein Mitglied der Geschäftsleitung habe den Urlaub vorab bewilligt. Außerdem könne der Vorsitzende des Betriebsrates die Lage seiner Arbeitszeit nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen. Ein Ausschluss aus dem Betriebsratsgremium komme nicht in Betracht, da der Arbeitnehmer nicht persönlich, sondern der Betriebsrat als solcher die Entscheidung treffe.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat kurz und knapp folgendes entschieden:

Die Klage bzw. die Anträge der Arbeitgeberin wurden zurückgewiesen. Der eigenmächtige Urlaubsantritt sei zwar eine Pflichtverletzung. Aufgrund der erforderlichen Interessenabwägung genüge er aber ausnahmsweise nicht als Grund für eine fristlose Kündigung. Zugunsten des Betriebsratsvorsitzenden sei zu berücksichtigen, dass dieser seit 15 Jahren beschäftigt sei, es keine Abmahnung gegeben habe und die Anforderungen an die fristlose Kündigung sehr hoch seien, da der Vorwurf mit der besonders geschützten Betriebsratstätigkeit zusammenhänge.

Der hilfsweise geltend gemachte Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Betriebsrat scheitert daran, dass die dargelegten Pflichtverletzungen, beispielsweise unzulässige Koppelungsgeschäfte, jeweils vom gesamten Betriebsrat beschlossen wurden.

 

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Arzthaftungsrecht: Dialyse bei blindem Patienten

Zum Sachverhalt:

Die Ehefrau des verstorbenen Patienten verklagte die Ärzte. Diese haben eine Praxis betrieben, in der sich der 67 Jahre alte Patient 3 x wöchentlich einer Dialyse-Behandlung unterzogen hat. Der Patient war aufgrund einer Diabetes-Erkrankung erblindet. Bei einer im Juni 2014 durchgeführten Dialyse-Behandlung löste sich eine der im linken Oberarm befestigten Dialyse-Nadeln. Es kam zu einer Blutung des Patienten.

Nach dem Entdecken der Blutung wurde der Patient in der Praxis reanimiert und in ein Krankenhaus verbracht, in dem er am Folgetag verstarb.

Die Ehefrau des Patienten hat geklagt, weil sie meint, der Patient sein von den Beklagten nicht ordnungsgemäß überwacht und zu spät notfallmäßig behandelt worden. Sie begehrte ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 €.

Das Oberlandesgericht Hamm hat inhaltlich Folgendes entschieden:

Bei der Dialyse von Patienten mit Einschränkungen können besondere Maßnahmen, wie z.B. die Fixierung des mit der Dialyse-Nadel versehenen Armes geboten sein, um eine lebensgefährdende Dislokation (Lageveränderung) der Dialyse-Nadel während der Behandlung von vornherein zu verhindern. Demgegenüber sei von einer Dialyse-Praxis aufgrund des damit verbundenen personellen und finanziellen Aufwandes keine dauerhafte Überwachung eingeschränkter Patienten zu fordern, entschied das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 16.02.2016.

Das heißt:

Die Klage war überwiegend erfolgreich. Das Oberlandesgericht Hamm hat der Ehefrau 5.000,00 € Schmerzensgeld und rund 2.700,00 € Beerdigungskosten zugesprochen. Die Dialyse-Behandlung der Beklagten sei, so das Oberlandesgericht Hamm, nach medizinisch-sachverständiger Beratung, fehlerhaft gewesen. Die Beklagten hätten es versäumt, die in der besonderen Situation des blinden Patienten gebotenen Maßnahmen zu treffen, mit denen eine Dislokation der Dialyse-Nadel von vornherein zu verhindern gewesen wäre.

So können Bewegungen eines Patienten auch eine ordnungsgemäß befestigte Dialyse-Nadel abrutschen lassen, so das Oberlandesgericht Hamm. Eine derartige Dislokation der Nadel sei zwar eine seltene Komplikation, sie könne aber in kürzester Zeit zum Tod eines Patienten führen. Der Patient kann dadurch in wenigen Minuten ausbluten! So habe der bei dem Verstorbenen für die Dialyse eingestellte Blutfluss zu einem Blutverlust von 1 Liter in 3 Minuten führen können.

Da der Patient blind gewesen sei, hätte man seinen linken Arm während der Dialyse-Behandlung fixieren müssen. Hierbei hätte das Risiko einer Dislokation der Dialyse-Nadel mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können, erklärte das Gericht. Aufgrund der Erblindung habe man sich beim Patienten nicht darauf verlassen können, dass er bei einem Blutverlust rechtzeitig Alarm auslöse.

Demgegenüber sei aber eine dauerhafte Überwachung des Patienten aufgrund des damit verbundenen personellen und finanziellen Aufwandes nicht zu fordern. Nach den Ausführungen des Sachverständigen genüge auch bei Patienten, die nicht selbst Alarm auslösen könnten, in der Regel eine stündliche Kontrolle. Nur bei kreislaufinstabilen Patienten müsse eine häufigere Kontrolle stattfinden.

Eine Fixierung kann natürlich nicht gegen den Willen des Patienten erfolgen. Der Patient hätte deshalb vor Behandlungsbeginn darüber aufgeklärt werden müssen, dass es im seltenen Fall einer Dislokation der Dialyse-Nadel zu einem tödlichen Blutverlust kommen könne und dieses Risiko durch eine Fixierung des Armes nahezu ausgeschlossen werde. Dann hätte der Patient sicherlich seine Einwilligung in die Fixierung gegeben.

Ein blinder Patient kann nämlich eine Dislokation nicht bemerken und kann deshalb auch keinen Alarm auslösen. Wäre er aufgeklärt worden, und das ist bei blinden Patienten zwingend erforderlich, hätte er in die Fixierung eingewilligt.

 

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Jobcenter muss bei Umzug Kosten für Umstellung des Telefon- und Internetanschlusses übernehmen

Wer kennt das nicht: Ein Umzug ist teuer, das Jobcenter sichert zu, Aufwendungen für die neue Unterkunft zu übernehmen. Dennoch bleibt vieles an Ihnen hängen. Eine neue Entscheidung lässt nun weiter aufatmen, denn die Kosten für Telefon und Internet können sehr hoch sein.

Im vorliegenden Fall war es so, dass der Kläger nach der Trennung von seiner Ehefrau umzog. Das Jobcenter hatte ihm zugesichert, dass die Aufwendungen für die neue Wohnung berücksichtigt werden, also vom Jobcenter getragen werden. Das Jobcenter bezahlte aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers die Kosten für ein Umzugsunternehmen.

Die Kosten für die Umstellung des Telefon- und Internetanschlusses und des Nachsendeantrages wollte das Jobcenter nicht übernehmen.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat ausgeurteilt, dass auch die Kosten für den Nachsendeantrag und für die Umstellung des Telefon- und Internetanschlusses zu den „eigentlichen“ Umzugskosten im engeren Sinne des § 22 Abs. 6 SGB II zählen.

Schließlich habe das Jobcenter die Zusicherung erteilt, sämtliche Umzugskosten zu übernehmen, weil der Umzug erforderlich und die neue Wohnung des Klägers auch angemessen war. Aufgrund der Zusicherung war das Jobcenter verpflichtet, die notwendigen und erforderlichen Kosten des Umzuges auch zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten für den Nachsendeantrag und für die Umstellung des Telefon- und Internetanschlusses. Denn diese Kosten fallen doch zwangsläufig bei einem Umzug an. Sie sind durch den Umzug unmittelbar veranlasst und können nicht vermieden werden. Anders kann der Kläger seine postalische und telefonische Erreichbarkeit ja auch nicht gewährleisten.

Weiter führt das Landessozialgericht aus, dass zwar der Begriff der berücksichtigungsfähigen Umzugskosten eng auszulegen sei und das Bundessozialgericht bislang über diese Kosten noch nicht ausdrücklich entschieden hätte. Das heißt also, dass das Bundessozialgericht über die Kosten für Nachsendung, Umstellung Telefon- und Internetanschluss bislang noch nicht entschieden hat bzw. diese bislang noch nicht als Umzugskosten ausgeurteilt hat.

Aber: Das Bundessozialgericht hat schon einmal ausgeurteilt, dass die Kosten für die Sperrmüllentsorgung zu den erstattungsfähigen Umzugskosten gezählt werden. Damit stellt das Bundessozialgericht klar, dass unter dem Begriff der Umzugskosten nicht nur die unmittelbaren Transportkosten fallen.

Kurz und gut: Bei einem Umzug, für den das Jobcenter eine Zusicherung hinsichtlich der Aufwendungen für die neue Unterkunft erteilt hat, zählen auch die Kosten für die Umstellung des Telefon- und Internetanschlusses zu den „eigentlichen“ Umzugskosten im engeren Sinn. Diese seien daher vom Jobcenter zu erstatten, so das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.

Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, es wurde Revision eingelegt.

 

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Eichung einer Geschwindigkeitsmessanlage

Sachverhalt:

Dem Beschuldigten wurde zur Last gelegt, am 12. November 2014 als Führer eines Pkws die zulässige Höchstgeschwindigkeit Innerorts von 30 km/h um 34 km/h überschritten zu haben. Der Messwert betrug 67 km/h.

Die Bußgeldbehörde zog Toleranz ab und ging von einer Geschwindigkeit von 64 km/h aus und erließ am 23. Januar 2015 einen Bußgeldbescheid über eine Geldbuße von 160,00 € und einem Fahrverbot von einem Monat.

Der Beschuldigte legte Einspruch ein, das Amtsgericht hat nur eine Geldbuße von 80,00 € verhängt. Es hat nämlich festgestellt, dass der Beschuldigte die zulässige Höchstgeschwindigkeit lediglich um 30 km/h überschritten habe, weil von dem Messwert von 67 km/h eine Toleranz von 20 % abzuziehen sei.

Die Messung erfolgte nämlich mit einem Überwachungsgerät vom Typ T, das der Firma G GmbH gehöre. Das Gerät sei am 02.07.2014 mit einer Gültigkeit bis Ende 2015 geeicht worden. Es gäbe aber keine Lebensakte über das Gerät. Die Stadt, die das Gerät gemietet hatte, konnte keine Angaben mehr darüber machen, ob Reparaturen an dem Gerät nach der Eichung durchgeführt worden seien. Daher sei die Gültigkeit der Eichung zweifelhaft und zugunsten des Betroffenen von einer erloschenen Eichgültigkeit auszugehen, sodass ein Toleranzabzug von 20 % des abgelesenen Tachowertes vorzunehmen sei.

Die Stadt hat gegen die Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, die Ordnungsgemäßheit der Messeinrichtung werde durch die Eichordnung gewährleistet. Da es keine Lebensakte gäbe, könne man nun einmal keine Einsicht erhalten. Das Amtsgericht hätte von einem standartisierten Messverfahren ausgehen müssen.

Unglaublich aber wahr: Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg. Das Urteil wurde aufgehoben.

Zwar sei entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht ohne weitere Ermittlungen davon auszugehen, dass die vorgenommene Messung in einem standartisierten Verfahren gewonnen sei. Allein die Tatsache, dass die Eichsiege bei der Messung unversehrt waren, mache die Prüfung, ob an dem Gerät nach der Eichung Reparaturen vorgenommen wurden, nicht entbehrlich. Dem Amtsgericht sei auch zuzustimmen, dass die Frage, ob und welche Reparaturen nach der Eichung an dem Messgerät durchgeführt worden seien, nicht offen bleiben könnten.

Der Senat habe aber nicht zu entscheiden, welche rechtlichen Folgen die Unaufklärbarkeit dieser Fragen hätte. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei nämlich davon auszugehen, dass eine Auskunft der Eigentümerin des Messgerätes bzw. eine Reparaturanfrage Aufklärung geben könne.

Um die „Lebensakte“ von Messgeräten gibt es häufig Streit.

Der Verteidiger wird oft darauf hingewiesen, es gäbe keine Lebensakte und deshalb sei diese auch nicht vorzulegen. Außerdem könne auch das Amtsgericht Unterlagen anfordern.

Dem aber wiederum ist der Senat entgegengetreten, denn die nur wenigen bekannte Norm des § 1 Abs. 1 Mess- und Eichgesetz stehe dem entgegen, da hiernach nur Messgeräte verwendet werden dürfen, die den Bestimmungen dieses Gesetztes entsprächen.

Das Mess- und Eichgesetz verlangt weiter, dass Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät, einschließlich solcher durch elektronisch vorgenommene Maßnahmen, für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, längstens für fünf Jahre, aufbewahrt werden. Entsprechende Dokumentation ist also – egal, ob der Besitzer des Messgerätes ein Dritter oder die Stadt selbst ist, zu führen und auf Verlangen vorzulegen. Erfolgt dies nicht vor der gerichtlichen Verhandlung, kann die Sache an die Verwaltungsbehörde zurückverwiesen werden. Bei Unaufklärbarkeit  trotz aller Bemühungen oder bei einer weiteren Weigerung der Verwaltungsbehörde ist dann die Konsequenz nach diesem Urteil vorbezeichnet: Eine Geldbuße müsste dann mangels – belegbarer – rechtmäßiger Messung ausscheiden. Also im Ergebnis dann doch ein positives Urteil.

SG Hessen, Urt. v. 05.02.2013 - L 1 KR 391/12

Ist eine stationäre Fettabsaugung medizinisch notwendig, kann sich die Krankenkasse nicht darauf berufen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss diese Behandlungsmethode nicht in Richtlinien empfohlen hat. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Darum geht es

Eine 29-jährige Frau aus Nordhessen leidet an Armen, Beinen und Gesäß an einer schmerzhaften Fettgewebsvermehrung, einem sogenannten Lipödem. Sie beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für eine Fettabsaugung (Liposuktion). Die Krankenkasse verwies darauf, dass die konservativen Therapiemöglichkeiten wie z. B. Gewichtsreduktion und Lymphdrainagen noch nicht ausgeschöpft seien. Die Frau ist hingegen der Ansicht, dass die bei ihr vorliegende Form des Lipödems II. Grades nicht durch Gewichtsreduktion verringert werden könne. Ferner würden Lymphdrainage wie auch Kompressionsstrümpfe lediglich eine temporäre Linderung bewirken. Das Sozialgericht wies die Klage ab, weil der Gemeinsame Bundesausschuss die Liposuktion nicht empfohlen habe. Eine stationäre Behandlung sei nicht erforderlich.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Hessische Landesgericht verurteilte die Krankenkasse dazu, die Kosten der stationären Liposuktion zu tragen. Die Klägerin habe eine deutlich bauchige Oberarmsilhouette sowie einen Oberschenkelumfang von 80 cm. Bei der erheblichen Fettmenge sei eine stationäre Behandlung notwendig. Dies ergebe sich aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie zur Liposuktion, die für die Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Behandlungsbedürftigkeit heranzuziehen seien. Danach könne im ambulanten Bereich maximal 2 Liter reines Fettgewebe abgesaugt werden. Bei der Klägerin seien hingegen 3 bis 4 Liter Fettmasse pro Behandlung zu entfernen.

Es sei unbeachtlich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Liposuktion nicht positiv bewertet habe. Denn dies sei nur für ambulante Behandlungen erforderlich, da insoweit hinsichtlich neuer Behandlungsmethoden ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gelte. Für den stationären Bereich seien solche Behandlungsmethoden auf Kosten der Krankenkassen hingegen nur dann ausgeschlossen, wenn eine negative Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Dies sei hinsichtlich der Liposuktion nicht der Fall.

Auch habe die Klägerin die konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft. Dass eine Gewichtsreduktion die lipödem-typischen Fettansammlungen beeinflussen könne, sei wissenschaftlich nicht gesichert.

Kindesunterhalt: Fiktives Einkommen

Schuldet ein Vater einem minderjährigen Kind Unterhalt, kann ihm im Rahmen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit ein fiktives monatliches Nettoeinkommen zugerechnet werden. Bei einer ungelernten Arbeitskraft kann nach einer Entscheidung des OLG Hamm ein fiktives Einkommen von über 1.300,00 € angenommen werden, wenn der Vater bei einer früheren Beschäftigung ein derartiges Einkommen erzielt hat.

Darum geht es

Der im Jahre 1985 geborene Antragsgegner aus Marl ist der Vater der im April 2013 geborenen Antragstellerin. Mit der im Jahre 1985 geborenen Kindesmutter aus Marl, die die Antragstellerin betreut, lebt der Vater seit Juli 2015 nicht mehr in einem Haushalt zusammen. Der Antragsteller hat den Hauptschulabschluss nach der Klasse 10 erworben. Eine im gärtnerischen Bereich begonnene Berufsausbildung hat er abgebrochen, zeitweise bei unterschiedlichen Zeitarbeitsfirmen gearbeitet und in einer Autowäsche für einige Monate monatlich über 1.300,00 € netto verdient.

Diese Arbeitsstelle verlor er - nach eigenen Angaben schuldlos - im Herbst des Jahres 2014 und seitdem arbeitslos. Mittlerweile bezieht er Leistungen nach dem SGB II. Die Antragstellerin begehrt Kindesunterhalt. Diesen hat ihr das Familiengericht Marl für die Zeit ab September in Höhe von monatlich 236,00 € zugesprochen, berechnet nach einem fiktiven Einkommen des Antragsgegners.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Familiengerichts Marl hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm zurückgewiesen.

Zu Recht habe das Familiengericht, so der Senat, dem Antragsgegner ein fiktives Einkommen angerechnet, das die Zahlung des begehrten Kindesunterhalts ohne Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts zulasse.

Eltern seien gegenüber minderjährigen, unverheirateten Kindern verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht). Seine eigene Arbeitskraft habe der unterhaltspflichtige Elternteil einzusetzen. Unterlasse er dies, könnten auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil eine reale Beschäftigungschance habe.

Dabei habe der Unterhaltspflichtige das Fehlen der Beschäftigungschance darzulegen und zu beweisen. Für gesunde Arbeitnehmer in mittleren Erwerbsalter gelte insoweit selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz, nach welchem sie auch als ungelernte Kräfte nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien. Unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel habe sich der Unterhaltspflichtige nachhaltig darum zu bemühen, eine angemessene Vollzeittätigkeit zu finden.

Die bloße Meldung bei der Agentur für Arbeit genügt nicht. Ebenso nicht, wenn sich der Unterhaltspflichtige lediglich auf die vom zuständigen Jobcenter unterbreiteten Stellenangebote bewerbe. Er müsse nachprüfbar vortragen, welche Schritte er im Einzelnen in welchem zeitlichen Abstand unternommen habe, um eine Erwerbsmöglichkeit zu finden.

Im vorliegenden Fall habe der Antragsgegner offensichtlich keine Erwerbsbemühungen entfaltet. Dazu fehle jeglicher Vortrag. So könne nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner das vom Familiengericht geschätzte monatliche Nettoeinkommen von über 1.300,00 € nicht erzielen könne. Bei seiner Tätigkeit in einer Autowäsche habe er dieses Einkommen tatsächlich für einige Monate erhalten.

Durchgreifende Gründe dafür, dass der Antragsgegner bei ausreichenden Bemühungen ein solches Nettoeinkommen inklusive Überstundenvergütung nicht wieder erzielen könnte, habe er nicht benannt. Zudem komme die Aufnahme einer Nebentätigkeit in Betracht, wenn der Antragsgegner den Kindesunterhalt nicht mit dem aus einer Haupterwerbstätigkeit erzielbaren Einkommen sicherstellen könne. Auch darauf habe bereits das Familiengericht zu Recht hingewiesen.

 

OLG Hamm, Beschl. v. 23.12.2015 - 2 UF 213/15

Klage auf Schadensersatz wegen Kind mit Down-Syndrom zurückgewiesen

Der vorsitzende Richter des Oberlandesgerichtes München erklärte den Eltern: „Es tut mir leid für Sie“. Er verstehe gut, dass sie von der Behinderung hätten wissen wollen. Es gehe um ein schweres Schicksal. Aber: „Sie werden bei uns nicht gewinnen, so wenig wie vor dem Landgericht“.

Was war geschehen?

Eine Frauenärztin hatte das Down-Syndrom und einen Herzfehler in der Schwangerschaft nicht erkannt. Das Elternpaar hatte von der Frauenärztin Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangt.

Der beklagten Medizinerin sei aber kein Vorwurf zu machen. Ein Sachverständiger hatte dem Gericht dargelegt, dass das im Ultraschall vor der Geburt sichtbare, womöglich geringfügig verkürzte, Nasenbein kein signifikanter Hinweis auf eine Trisomie 21 gewesen sei. Deshalb sei es gerechtfertigt gewesen, dass die Frauenärztin dieses Detail gar nicht mit der werdenden Mutter besprochen habe, um diese nicht unnötig in Sorge zu stürzen. Weitere Parameter, wie die Länge des Oberschenkelknochens, hätten keinerlei Auffälligkeiten ergeben. Auch der Herzfehler des Mädchens hätte zwar evtl. festgestellt werden können, aber nicht festgestellt werden müssen. Nur in 40 - 50% der Fälle würden Herzfehler schon während der Schwangerschaft erkannt.

Die Eltern, die bereits 3 Kinder hatten, argumentierten, sie hätten die Schwangerschaft abbrechen lassen, wenn sie von der Behinderung gewusst hätten. Die Mutter war damals 28 Jahre alt und 2009 selbst an MS erkrankt. Als sie 2010 wieder schwanger war, wollte sie mit den Ärzten mögliche Risiken für das Ungeborene durch die Medikamente abklären, die sie wegen ihrer MS-Erkrankung nehmen musste. Ein behindertes Kind schien die Grenzen der Belastbarkeit zu überschreiten, sagen die Eltern heute - auch wenn die kleine Jasmine heute das geliebte Nesthäkchen der Familie sei.

Revision ist nicht zugelassen worden, ob die Eltern die Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, ist derzeit noch offen.

 

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Tragen eines Hörgerätes: Darauf kann die Fahrerlaubnisentziehung nicht gestützt werden

Sachverhalt:

Der Antragsteller ist schon 1930 geboren und beantragte im Juli 2015 bei der Fahrerlaubnisbehörde die Umschreibung seiner Fahrerlaubnis. Die alte Fahrerlaubnis war aufgrund des Alters (Erwerb 1962) unansehnlich geworden.

Als er bei der Behörde war, die Mitarbeiterin fest, dass der Antragsteller ein Hörgerät trug. Sie fragte ihn, ob er mit dem Hörgerät gut zurechtkomme, was dieser bejahte. Daraufhin wurde er aufgefordert, ein ärztliches Attest zu seinem Hörvermögen vorzulegen. Das machte der Antragsteller auch, er war nämlich regelmäßig beim HNO-Arzt. Der bescheinigte ihm, dass er aufgrund des Hörgerätes ein „altersnormales Hörvermögen“ habe. Beeinträchtigungen im Straßenverkehr seien nicht zu erwarten.

Die Fahrerlaubnisbehörde verlangte daraufhin eine Ergänzung des Attestes, dass der Hörverlust in Prozent nach der Tabelle von Röser beurteilt werden müsse. Der Antragsteller legte ein Attest vor, in dem der prozentuale Hörverlust anhand der Tabelle nach Bönninghaus und Röser angegeben war.

Daraufhin ordnete die Fahrerlaubnisbehörde im Oktober 2015 an, dass der Antragsteller bei einer Begutachtungsstelle für Fahreignung ein Gutachten beibringen solle. Als Frist wurde ihm der 15.12.2015 genannt. Er hielt diese Frist nicht ein, daraufhin entzog die Fahrerlaubnisbehörde ihm mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 21.12.2015 die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller trage ein Hörgerät, aufgrund des ohrenärztlichen Attestes läge ein Hörverlust von 56% des rechten und 100% des linken Hörvermögens vor. Deshalb bestünde an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen Bedenken, weshalb die Beibringung eines Gutachtens angeordnet worden sei. Da er das Gutachten nicht beigebracht habe, sei von seiner Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, deshalb sei ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Der Antragsteller legte Eilantrag ein. Das Verwaltungsgericht hat diesem stattgegeben.

Kurz und knapp hat das Gericht entschieden, dass einem 85 Jahre alten Bürger (dem Antragsteller) zu Unrecht die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, nachdem dieser sich geweigert hatte, ein ärztliches Gutachten über seine Fahrtauglichkeit beizubringen. Selbst eine hochgradige Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit sei kein Mangel, der generell und allein für das Führen von Fahrzeugen ungeeignet mache. Die Orientierung im motorisierten Straßenverkehr erfolge überwiegend über das optische System, da verkehrsrelevante Informationen maßgeblich über visuelle Signale vermittelt würden. Da durch eine vorhandene Hörminderung eine Steigerung anderer sensorischer Leistungen erreicht werden könne, seien hörgeminderte oder gehörlose Fahrer in der Lage, durch besondere Umsicht, Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Dass bei dem Antragsteller neben der bei ihm fachärztlich attestierten Beeinträchtigung der Hörleistung, wegen der er ein Hörgerät trage, gleichzeitig andere schwerwiegende gesundheitliche Mängel vorlägen, sei nicht ersichtlich und auch von der Fahrerlaubnisbehörde nicht ansatzweise behauptet. Es liege daher nahe, dass die Fahrerlaubnisbehörde allein aufgrund des Alters des Antragstellers eine weitere Untersuchung angeordnet habe.

 

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MPU-Anordnung kann nicht selbständig gerichtlich angefochten werden

Sachverhalt: Anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung, bei der Cannabis-Pflanzen gefunden wurden, hatte der Kläger gegenüber der Polizei eingeräumt, dass er in der Vergangenheit auch Amphetamine konsumiert hatte. Später hatte er die Aussage dahingehend eingeschränkt, dass die Droge ihm von einer anderen Person unbemerkt ins Getränk gemischt worden sei.

Die Polizei teilte dies der Fahrerlaubnisbehörde mit, welche eine MPU von dem Kläger verlangte und diesen darauf hinwies, dass bei Nichtvorlage des Gutachtens die Entziehung der Fahrerlaubnis drohe.

Diese Entscheidung wollte der Kläger nicht abwarten und erhob Klage gegen die Anordnung der MPU. Damit hatte er keinen Erfolg.

MPU lediglich vorbereitende Verfahrenshandlung

Das Gericht führt aus: Bei der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) handelt es sich um eine lediglich vorbereitende Verfahrenshandlung der Verwaltung zur Aufklärung des Sachverhaltes, wenn Zweifel an der Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen. Eine solche MPU-Anordnung kann deshalb nicht selbst Gegenstand einer gerichtlichen Klage sein, so entschied das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße in einem Urteil vom 20.01.2016.

Das Gericht führt aus, dass es sich bei der Anordnung einer MPU lediglich um eine vorbereitende Verfahrenshandlung der Verwaltung zur Aufklärung des Sachverhaltes handeln würde. Nämlich dann, wenn Zweifel an der Eignung des Betroffenen zum Führen von Kfz bestehen, z.B. wegen des Verdachtes auf Drogenkonsum oder Alkoholkonsum. Eine MPU soll Zweifel aufklären. Erst dann kann eine abschließende Entscheidung über die Erteilung oder aber auch die Entziehung der Fahrerlaubnis getroffen werden.

Die Entscheidung über die Fahrerlaubnis dürfe deshalb negativ ausfallen, wenn der Betroffene, hier der Kläger, die Untersuchung verweigert. Dann bestehen nämlich weiterhin Zweifel, diese werden nicht ausgeräumt.

Solche behördlichen Verfahrenshandlungen sind nicht selbständig anzugreifen, sondern nur zusammen mit der abschließenden Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde.

Der Betroffene müsse also, wenn er die Untersuchung weiterhin verweigere, die negative Entscheidung über die Entziehung seiner Fahrerlaubnis abwarten und erst dann könne er gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gerichtlich vorgehen. Und in diesem gerichtlichen Verfahren werde dann auch allerdings umfassend geprüft, ob die medizinisch psychologische Untersuchung zu Recht von ihm verlangt wurde.

Diese Rechtslage biete dem Betroffenen einen ausreichenden, effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.

 

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Vom Arbeitgeber geleistete Sonderzahlungen können auf Mindestlohn angerechnet werden

Sachverhalt:

Der vereinbarte Stundenlohn der Klägerin beträgt weniger als 8,50 € brutto pro Stunde. Bekanntlich beträgt der Mindestlohn 8,50 €. Im Arbeitsvertrag der Klägerin waren aber 2 Sonderzahlungen in Höhe von je ½ Monatslohnes vereinbart. Hierzu hatten die Arbeitgeberin und der im Betrieb bestehende Betriebsrat vereinbart, diese Sonderzahlungen auf alle 12 Monate zu verteilen, d.h. jeden Monat 1/12 der Sonderauszahlung auszuzahlen.

Mit dieser zusätzlichen anteiligen Sonderauszahlung ergibt sich ein Stundenlohn der Klägerin von mehr als 8,50 €.

Das Landesarbeitsgericht hat bestätigt, dass es sich bei den Sonderzahlungen um Arbeitsentgelt für die normale Arbeitsleistung der Klägerin handeln würde, weshalb eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich ist. Die Betriebsvereinbarung, die die Fälligkeit der Sonderleistungen zu einem 1/12 auf jeden Monat verschiebe, sei wirksam und verstoße nicht gegen den Arbeitsvertrag der Klägerin.

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Konsum der Kräutermischung „After Dark“

Sachverhalt:

Dem Antragsteller wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Als er Neuerteilung beantragte, forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) zur Überprüfung der Fahreignung für alle Fahrzeuge, einschließlich fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge, beizubringen. Dieser Aufforderung kam der Antragsteller nicht nach, verzichtete aber auf seine Fahrerlaubnis. Daraufhin untersagte die Fahrerlaubnisbehörde ihm sofort das Führen von Fahrzeugen, u.a. von Fahrrädern! Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.

Vorangegangen war, dass der Antragsteller von der Polizei aufgegriffen wurde, er war mit seinem e-Bike unterwegs und verfiel in einen Wahnzustand, zog sich aus, rannte über die Straße, zog sich wenige Minuten später wieder an und fuhr mit seinem e-Bike davon. Eine ihm entnommene Blutprobe ergab die Aufnahme von Cannabis und synthetischen Cannabinoiden.

Das Verwaltungsgericht hat die für sofort vollziehbar erklärte Untersagung des Führens von Fahrzeugen bestätigt.

Der Antragsteller habe nachweislich dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende psychoaktiv wirkende Stoffe konsumiert. Den Polizeibeamten gegenüber hatte er angegeben, die Kräutermischung „After Dark“ geraucht zu haben.

Synthetische Cannabinoide riefen eine ähnliche Beeinflussung wie der Cannabis-Wirkstoff THC hervor. Die Wirkung dieser Substanzen sei in der Regel noch deutlich ausgeprägter als bei THC selbst. Wegen des bei der Einnahme dieser Stoffe gegebenen starken Risikopotentials verbiete sich von vornherein eine Gleichbehandlung derartige synthetischer Drogen mit THC. Von solchen Stoffen gehe für den Straßenverkehr ein signifikant höheres Risiko aus. Das habe regelmäßig den Verlust der Fahreignung zur Folge, ohne dass es darauf ankäme, ob der Betreffende unter dem Einfluss eines Betäubungsmittels am Straßenverkehr teilgenommen habe.

Deshalb sei die Verkehrsbehörde zur Anforderung eines MPU-Gutachtens berechtigt gewesen.

 

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Oberlandesgericht Hamm: Rückfahrkamera

Ohne Orientierungslinien ist Sachmangel.

Die Klägerin bestellte im März 2012 bei dem beklagten Autohaus einen Mercedes zum Preis von ca. 77.000,00 €. Unter anderem sollte dieser mit den Sonderausstattungen Rückfahrkamera, aktiver Park-Assistent inklusive Parktronic und Command APS ausgestattet sein. Die Sonderausstattung kostete knapp 4.000,00 €.

Die Klägerin erhielt vor dem Verkauf eine Broschüre über den Pkw. Zur Rückfahrkamera war ausgeführt, dass sich diese automatisch beim Einlegen des Rückwärtsganges einschalten würde. Der Fahrer würde beim Längs- und Quereinparken unterstützt und Hilfslinien würden dem Fahrer Lenkwinkel und Abstand anzeigen.

Nach Auslieferung des Fahrzeugs monierte die Klägerin, dass die aktivierte Rückfahrkamera im Display keine Orientierungslinien anzeigte.

Sie erhielt die Auskunft, dass die Fahrzeugelektronik keine Anzeige von Hilfslinien ermöglichen würde.

Das Oberlandesgericht Hamm hat das erstinstanzliche Urteil des Landgerichtes Bochum bestätigt: Eine aufgrund fehlender Orientierungslinien bestehende Funktionseinschränkung der Rückfahrkamera kann bei einem Mercedes Benz einen erheblichen Sachmangel darstellen, der den Käufer zum Rücktritt vom Fahrzeugkauf berechtigt.

Die Klägerin habe aufgrund des ihr überlassenen Verkaufsprospektes ein Bild der Rückfahrkamera einschließlich dieser Hilfslinien erwartet.

Dass dieser Aspekt für die Klägerin bedeutsam gewesen sei, zeige die von ihr in diesem Zusammenhang gewählte kostenträchtige Zusatzausstattung. Hinzu komme, dass der Mercedes bauartbedingt beim Blick nach hinten unübersichtlich sei und das Rückwärtsfahren wie das Einparken mit der ausgewählten Zusatzausstattung erleichtert werden sollten.

Und der Mangel ist auch nicht unerheblich! Deshalb musste der Pkw zurückgenommen werden gegen Erstattung des Kaufpreises (abzgl. Nutzungsentschädigung).

 

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Verkehrsgerichtstag 2016 gibt Empfehlung ab

Zur Geschichte des Deutschen Verkehrsgerichtstages: Mitte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stieg mit der Zunahme der Motorisierung die Zahl der Verkehrsunfälle und damit auch die Anzahl verkehrsrechtlicher Straf- und Zivilverfahren sprunghaft an. Die Straßenverkehrsordnung des Jahres 1934 und die zersplitterte Rechtsprechung konnten mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten; den Verkehrsteilnehmern war kaum noch zu vermitteln, „was in Deutschland Recht ist“.

So ergriffen Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Journalisten die Initiative. So wurde der Deutsche Gerichtstag 1961 in Hamburg gegründet. Es handelt sich um einen gemeinnützigen Verein, welcher verkehrsrechtliche Seminare durchführt.

Am 29.01.2016 tagte der Verkehrsgerichtstag in Goslar.

MPU bundesweit ab 1,1 Promille

Der Verkehrsgerichtstag empfahl, dass Alkoholsünder bei der ersten Auffälligkeit künftig bundesweit einheitlich schon ab einem Promillewert von 1,1 die MPU absolvieren müssen, wenn sie den Führerschein zurückerhalten wollen.

Derzeit liegt die Grenze in den meisten Bundesländern bei 1,6 Promille, so auch hier in Nordrhein-Westfalen.

Es gibt aber auch einige Bundesländer, die die 1,1 Promille-Grenze bereits aufgrund richterlicher Entscheidungen anwenden.

Zum Überblick: Jährlich müssen rund 45.000 Kraftfahrer wegen Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr zur MPU (sog. „Idiotentest“). Fachleute gehen davon aus, dass diese Zahl nach einer Herabsetzung der Promillegrenze durch den Gesetzgeber stark ansteigen wird.

Klare Regelung für Dashcams

Außerdem verlangt der Verkehrsgerichtstag eine klare gesetzliche Regelung zur Nutzung von Dashcams in Kraftfahrzeugen.

Bekanntlich ermöglichen die Aufzeichnungen die Aufklärung von Unfallhergängen und Straftaten. Sie führen aber auch zu einer Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten.

Derzeit fehlt es an einer klaren Rechtsgrundlage zur Verwendung der Kameras.

Deshalb empfiehlt der Verkehrsgerichtstag anstelle eines generellen Verbotes oder einer generellen Zulassung von Dashcams, dass Aufnahmen „anlassbezogen“ zulässig sein sollen, etwa bei einem drohenden Unfall. Das würde einen Ausgleich zwischen Beweisinteresse und Persönlichkeitsrecht gewährleisten.

Die Verfolgung von Verkehrsverstößen ohne gravierende Folgen dürfe weiterhin nicht auf Dashcam-Aufnahmen gestützt werde! Und: Der Missbrauch von Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten, etwa durch eine Veröffentlichung im Internet, sei zu bestrafen.

Beibehalten der Blutprobe

Entgegen der Forderung der Polizei soll es bei der Blutprobe für Alkoholsünder im Straßenverkehr bleiben. die Atemalkoholanalyse, die bei niedrigen Promillewerten ausreicht, sei bei Werten im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit über 1,1 Promille kein ausreichendes Beweismittel, meint der Verkehrsgerichtstag.

Die Polizei hatte sich nämlich vom Wegfall der Blutprobe eine große Zeitersparnis versprochen.

Einrichtung spezieller Verkehrsgerichts-Prozesse

Um die zahllosen langwierigen Zivilprozesse um Verkehrsstreitigkeiten zu beschleunigen, hat der Verkehrsgerichtstag die Spezialisierung von Richtern und Anwälten vorgeschlagen. Bei einzelnen Gerichten sollten zudem besondere Kammern für Verkehrsrecht eingerichtet werden, die dann auch überörtlich tätig sind. Nach Angaben von Experten schleppen sich nämlich Verkehrsprozesse zum Teil jahrelang hin.

Spezialisierte Kammern bei Schadensersatz

Weil die korrekte Berechnung des Verdienstausfalls für Verkehrsopfer komplex und problematisch ist, sollen Fachanwälte in der Ausbildung darauf vorbereitet werden, empfiehlt der Verkehrsgerichtstag. Die Gerichte sollen bei Schäden ab einer bestimmten Größenordnung spezialisierte Kammern einsetzen. Fachleute meinen, dass Verkehrsopfer durch falsche Berechnung eines jahrelangen Verdienstausfalls Einbußen im sechsstelligen Eurobereich erleiden können.

Mehr Kompetenz bei der Fahrlehrerausbildung

Fahrlehrer sollen künftig in ihrer Ausbildung mehr pädagogische Kompetenzen erwerben, empfiehlt der Verkehrsgerichtstag.

Dazu solle zunächst die Ausbildung der Ausbildungs-Fahrlehrer verbessert werden. Ausbildungs-Fahrlehrer sollen zukünftig mindestens einen mittleren Bildungsabschluss haben. Bisher war ein Hauptschulabschluss ausreichend. Das Mindestalter für den Fahrlehrerberuf soll aber um 1 Jahr herabgesetzt werden, auf 21 Jahre.

 

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Unfallforscher fordern verbindliche Testfahrten für Senioren

Der Verkehrsgerichtstag befasst sich immer mit dem Thema „Verkehrsrecht“. So hatte man vor einigen Jahren sich mit dem Thema „Senioren im Straßenverkehr“ befasst. Man forderte, dass ältere Autofahrer ihre Fahreignung freiwillig überprüfen lassen.

Unfallquote höher als bei 18 - 24 jährigen Fahrern

Die Unfallforscher sehen trotzdem weiterhin Handlungsbedarf. Die Zahl der Autofahrer im hohen Alter wird in den kommenden Jahren noch weiterhin stark zunehmen. Damit wachse auch die Unfallgefahr. Wenn Senioren über 75 Jahren in Unfälle verwickelt sind, haben sie diese zu rund 75% selbst verursacht. Die Quote liegt damit höher als bei der Hochrisikogruppe der 18 - 24 Jährigen, sagen die Unfallforscher.

Dennoch halten sich die meisten Senioren für gute Fahrer und lassen sich nur schwer auf Fehler ansprechen. Freiwillige Maßnahmen würden kaum angenommen.

Deshalb wird gefordert. Ältere Autofahrer sollten mittelfristig gesetzlich dazu verpflichtet werden, Testfahrten mit geschulten Beobachtern durchzuführen.

Das haben jetzt die Unfallforscher der Versicherer aus dem Verkehrsgerichtstag in Goslar angeregt.

Auf diese Weise könnten Senioren von unabhängigen Fachleuten überprüfen lassen, wie fit sie noch im Straßenverkehr sind und ob von ihnen eine erhöhte Unfallgefahr ausgeht, sagt der Leiter der Deutschen Presseagentur.

Medizinische Labortests seien aber kaum geeignet, um „gefährliche Senioren“ zuverlässig zu erkennen. Deshalb sei es nicht sinnvoll, den Erhalt des Führerscheins von solchen Tests abhängig zu machen.

Es müssen verbindliche Testfahrten durchgeführt werden, denn nur die verbindlichen Testfahrten könnten die Selbsteinschätzung verbessern. Ziel sei es dabei nicht unbedingt, dass Senioren den Führerschein abgeben.

Deshalb sollten auch nicht die Führerscheinbehörden, sondern nur die getesteten Personen selbst eine detaillierte Rückmeldung bekommen. Ansonsten bleibt das Geheimnis geheim.

Die Betroffenen können sich nach den Testfahrten dann selbst besser einschätzen. Sollten sie Defizite feststellen, so können die Senioren ihre Fahrweise auf das Testergebnis abstellen, beispielsweise nur in bekannten Gebieten fahren oder das Auto bei Dunkelheit in der Garage stehen lassen.

Mit dem Alter steigt das Unfallrisiko. Und mancher, der sich für einen guten Fahrer hält, würde bei der Wiederholung der Fahrprüfung durchfallen. Verkehrsjuristen geht die Forderung der Unfallforscher deshalb nicht weit genug. Verbindliche Testfahrten wären in Ordnung, aber es wäre gut, wenn sich zum Fahren ungeeignete Senioren auf Basis der Selbsterkenntnis einschränken oder den Führerschein abgeben, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltsvereins.

Gesundheitstests werden auch von Lkw-Fahrern schon ab dem Alter von 50 Jahren gefordert.

Vollkaskoversicherung muss bei Totalschaden nicht für die Abschleppmaßnahme aufkommen

Dies hat das OLG Karlsruhe am 17.12.2015 entschieden. Die Klägerin ist eine Transportfirma, Eigentümerin eines LKWs. Mit diesem Fahrzeug war sie bei der Beklagten Kfz-Vollkaskohaftpflichtversicherung versichert.

In den zugrundeliegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Vollkaskoversicherung heißt es, … versichert ist Ihr Fahrzeug gegen Beschädigungen, Zerstörungen, Verlust oder Totalschaden in Folge eines Ereignisses… ein Totalschaden liegt vor, wenn die erforderlichen Kosten der Reparatur des Fahrzeugs dessen Wiederbeschaffungswert übersteigen… bei Beschädigung des Fahrzeuges ersetzen wir die Kosten für das Abschleppen vom Schadensort bis zur nächstgelegenen für die Reparatur geeigneten Werkstatt.

Der LKW der Klägerin brannte aus, der Restwert des Fahrzeuges betrug nur 52,00 €. Das Fahrzeug wurde auf Veranlassung der Polizei abgeschleppt, Kosten: 5.252,72 €.

Der Fahrzeugschaden wurde von der Vollkaskoversicherung reguliert.

Die Klägerin trug im Prozess vor, dass der Versicherungsschutz auch das Abschleppen mit umfasse, denn die Bergung habe dazu gedient, den Restwert des Fahrzeugs sowie die nicht völlig verbrannte Ladung zu sichern. Außerdem habe auch eine Beseitigungspflicht nach dem Straßenverkehrsrecht bestanden.

Die Vollkaskoversicherung verweist darauf, dass der Abschleppauftrag nicht der Restwerterhaltung gedient hätte, weil ein nennenswerter Restwert ja nicht bestanden hätte.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Vollkaskoversicherung müsse nur den Schaden des Fahrzeugwertes ersetzen. Die Abschleppkosten seien zur Schadensminderung erkennbar nicht geeignet gewesen.

Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein, hatte aber keinen Erfolg.

Ein unmittelbarer vertraglicher Anspruch aus der Vollkaskoversicherung auf Ersatz der Abschleppkosten bestehe nicht. Auch einen gesetzlichen Anspruch habe sie nicht.

Erstattungsfähig seien auch nur solche Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer für geboten halten dürfe, es müsse jedem Laien einleuchten, dass das Fahrzeugwrack keinerlei Wert mehr verkörpere.

Kurz und gut: Die Entscheidung ist für die Praxis wesentlich. Die Abschleppkosten müssen in einem angemessen Verhältnis zu dem erzielten Erfolg stehen. Da hier von vorneherein klar war, dass nichts mehr zu retten war, schied eine Pflicht zur Eintritt durch den Vollkaskoversicherer aus.

Ein Versicherungsnehmer hat also gegenüber der Vollkaskoversicherung keinen Anspruch, wenn das versicherte Fahrzeug weitgehend zerstört ist und erkennbar über keinen relevanten Restwert mehr verfügt.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Mangelndes Trennvermögen bei Cannabiskonsum weiterhin ab THC-Wert von 1,0 ng/ml anzunehmen

Die Bundesregierung wird von einer sogenannten Grenzwertkommission, das ist eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, hinsichtlich Cannabiskonsum und Fahrerlaubnis beraten. Im September 2015 hatte diese Arbeitsgruppe einen Grenzwert von 3,0 ng/ml im Blutserum empfohlen.

In der Rechtsprechung ist ein Grenzwert entwickelt worden von 1,0 ng/ml.

In der Vergangenheit ist behördliche und gerichtliche Praxis den Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Grenzwertkommission“ gefolgt.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat aber entschieden, den in der Rechtsprechung entwickelten Grenzwert beizubehalten. Nach Anhörung des Vorsitzenden der Grenzwertkommission habe es keinen Anlass gesehen, von der bisherigen Bewertungen abzuweichen, eine cannabisbedingte Beeinträchtigung der Fahrsicherheit weiterhin bereits ab THC-Wert von 1,0 ng/ml anzunehmen.

Grundsatz: Ein mangelndes Trennvermögen bei Cannabiskonsum ist auch weiterhin schon ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml im Blutserum anzunehmen. Dieser Wert führt selbst bei gelegentlichen Konsumenten zum Führerscheinverlust.

OLG Hamm: Land haftet für gestürzte Motorradfahrerin wegen ungenügend griffiger Fahrbahn

Im Juli 2012 befuhr die Klägerin mit ihrem Motorrad die L967. Auf regennasser Fahrbahn hinter der Ortsdurchfahrt Lemgo stürzte sie. An ihrem Motorrad entstand ein hoher Sachschaden von ca. 2.100,00 €. Sie fordert Schadensersatz vom Land und macht eine Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend. Die Klägerin trägt vor, sie sei nur deshalb gestürzt, weil die Fahrbahnoberfläche im Bereich der Unfallstelle nicht „griffig“ genug gewesen sei.

Sie hatte überwiegend Erfolg.

In der ersten Instanz verlor sie, das OLG Hamm hat der Klägerin aber in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichtes Detmold Schadensersatz in Höhe von ca. 1.600,00 € zugesprochen, also 75 % ca. der Klageforderung. Das lag daran, dass das OLG Hamm unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr des Motorrades die Haftungsquote des Landes nicht auf 100 % ansetzte, sondern nur auf 75 %. Im Grunde hat das OLG Hamm aber ausgeurteilt, dass das beklagte Land die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.

Im Bereich der Unfallstelle sei der Fahrbahnbelag mindestens seit 2008 nicht „griffig“ genug gewesen. Deshalb sei nicht mehr gewährleistet gewesen, dass auch ordnungsgemäß fahrende Motorradfahrer den Streckenabschnitt bei Nässe gefahrlos passieren können.

Das OLG Hamm hat weiter ausgeführt, dass schon im Jahr 2008 im Rahmen einer Straßenüberprüfung festgestellt wurde, dass die Fahrbahn nicht „griffig“ sei. Dem Landesbetrieb wurde das spätestens im Jahr 2010 mitgeteilt. Deshalb sei das Land gehalten gewesen, im Bereich der Unfallstelle durch eine Beschilderung durch die bei Nässe bestehende Schleuder- und Rutschgefahr hinzuweisen und die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei Nässe auf maximal 30 km/h zu begrenzen. Diese Beschilderung ist unterblieben und das wurde dem Land vorgeworfen.

Bereits deshalb haftet das Land wegen der fehlenden Beschilderung.

Ob das Land auch verpflichtet sei, den betreffenden Fahrbahnabschnitt baulich zu sanieren, ließ das Gericht offen.

Kurz und gut: Hat eine Fahrbahn keine ausreichende Griffigkeit, gebietet die Verkehrssicherungspflicht jedenfalls das Aufstellen einer Warnbeschilderung und eine Begrenzung der Geschwindigkeit. Da das Land NRW diese Pflicht verletzt hatte, verurteilte das OLG Hamm zu Schadensersatz unter Annahme einer Haftungsquote von 75 %.

Führerschein bereits nach einmaligem Kokainkonsum entziehbar

Der Antragssteller fuhr mit seinem Fahrzeug im Mai 2015, er geriet in eine Verkehrskontrolle. Die Beamten stellten Ausfallerscheinung des Antragsstellers fest. Er führte freiwillig einen Drogentest durch, den sogenannten MAHSAN-Test, welcher positiv verlief auf Kokain. Direkt danach wurde er zum Arzt verbracht, der ärztliche Untersuchungsbericht von diesem Tag hat unter anderem eine Beeinflussung durch Drogen diagnostiziert. Es erfolgte eine Blutentnahme, der toxikologische Befund belegte die Auffassung, dass der Antragssteller Kokain zu sich genommen hatte. Daraufhin entzog die zuständige Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises Trier‑Saarburg die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung.

Dagegen wendete sich der Antragssteller, das Verwaltungsgericht Trier bestätigte aber den Entzug der Fahrerlaubnis. Zur Begründung wiesen die Richter daraufhin, die entsprechenden Regelungen der Fahrerlaubnisverordnung beinhalteten den Erfahrungssatz, dass bereits die einmalige Einnahme von Kokain regelmäßig die Fahreignung ausschließe. Das sei unabhängig von der Höhe der nachgewiesenen Betäubungsmittelkonzentration.

Daher sei in den Fällen, in denen feststehe, dass Kokain konsumiert worden sei, aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich, dass Führen von Kraftfahrzeugen mit sofortiger Wirkung zu unterbinden und die Fahrerlaubnis sofort zu entziehen.

Fakt ist also: Steht der Konsum von Kokain aufgrund entsprechender Untersuchungen fest, kann bereits der einmalige Konsum zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen.

 

Arzt muss Krankenakten vollständig herausgeben

Die Klägerin ist eine Krankenkasse. Bei ihr versichert ist eine Patientin, die bei der beklagten Zahnärztin eine Zahnbehandlung zwischen Dezember 2012 und Januar 2013 hatte.

Die Patientin gab nach der Behandlung gegenüber der Krankenkasse an, die Zahnärztin habe eine Behandlung vorgenommen, die gar nicht abgesprochen war.

Bei dieser Behandlung sei eine Krone zerstört worden.

Die Patientin leide an Schmerzen und einem bitteren Geschmack im Mund.

Die Krankenkasse wollte das überprüfen, die Patientin hat die Zahnärztin von der Schweigepflicht entbunden und erklärte sich mit der Herausgabe der Krankenunterlagen an die Krankenversicherung einverstanden.

Die Krankenversicherung forderte dann die Krankenunterlagen bei der Zahnärztin an. Diese reagierte überhaupt nicht.

Deshalb erhob die Krankenkasse Klage gegen die Zahnärztin auf Herausgabe der Krankenunterlagen in Kopie gegen Erstattung der Kopierkosten.

Daraufhin legte die beklagte Zahnärztin nur einen Teil der Krankenunterlagen vor, wobei die Kopien der Röntgenaufnahmen nicht auswertbar waren wegen ihrer schlechten Qualität.

Erst im Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht übergab die Zahnärztin den elektronischen Karteikartenauszug über die Behandlung der Patientin und erklärte, dass in ihren Praxisräumen das Original der Röntgenaufnahmen von der Krankenkasse angesehen werden könne. Diese solle sich in die Praxisräume begeben. Außerdem machte die Zahnärztin ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen geltend, da die Rechnung für die Behandlung von der Krankenkasse noch nicht bezahlt worden sei.

Die zuständige Richterin gab aber der klagenden Krankenkasse Recht: Das Recht der Patientin ist auf die Krankenkasse übergegangen. Und die Patientin könne verlangen, dass die Zahnärztin gegen Kostenerstattung Kopien von den kompletten Patientenunterlagen fertigt und an die Versicherung herausgibt. Der Patient habe Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen, ohne dass er dazu ein besonderes Interesse darlegen müsse.

Hier würde sogar möglicherweise ein Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung vorliegen, so dass die Krankenunterlagen auf jeden Fall herauszugeben seien, da die Patientin sogar ein besonderes Interesse darlegen kann.

Das Einsichtsrecht in die Patientenakte ist ein Hilfsrecht, welches zuerst durchgesetzt werden muss, um zur weiteren Durchsetzung eventueller Schadensersatzansprüche Einsicht in die Unterlagen zu nehmen.

Der Anspruch besteht auch in vollem Umfang fort, auch wenn die Zahnärztin einen Teil der Unterlagen im Prozess vorgelegt hat.

Denn sie hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine lesbaren Kopien der Röntgenunterlagen vorgelegt. Und das Einsichtsrecht in die Patientenunterlagen sei erst dann erfüllt, wenn die vollständigen Patientenunterlagen vorliegen.

Es würde auch kein Zurückbehaltungsrecht der Zahnärztin bestehen, weil die Behandlungsrechnung nicht bezahlt wurde. Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen soll gerade die Feststellung eines möglichen Behandlungsfehlers ermöglichen, aufgrund dessen die Zahlung der Rechnung verweigert werden kann!

Kurz und gut:

Das Amtsgericht München hat entschieden: Der Anspruch auf Herausgabe der Patientenunterlagen in Kopie ist nur erfüllt, wenn der Arzt sämtliche Unterlagen in lesbarer Kopie gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellt. Ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen wegen einer noch offenen Behandlungsrechnung besteht nicht…

Bundesarbeitsgericht: Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds

Allgemein bekannt ist, dass ein Betriebsratsmitglied nicht gekündigt werden kann, lediglich unter ganz besonderen Umständen. Manchmal wird eine derartige Kündigung durch eine Abmahnung vorbereitet, wie im vorliegenden Fall.

Der Betriebsratsvorsitzende hatte vom Arbeitgeber eine Abmahnung erhalten. Er hatte nämlich eine für den Betrieb abgeschlossene Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitern per Email an alle Arbeitnehmer des Konzerns versandt. Die Arbeitgeberin erteilte dem Betriebsratsvorsitzenden daraufhin eine „Abmahnung als Betriebsrat“, die zu dessen Personalakte genommen wurde.

Die Arbeitgeberin meint, der Betriebsratsvorsitzende habe gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit verstoßen, er sei nur berechtigt, sich an die betroffenen Arbeitnehmer zu wenden und nicht an alle Arbeitnehmer des Konzerns.

In dem Abmahnschreiben wurde für den Wiederholungsfall ein Ausschluss als Betriebsratsmitglied gem. § 23 BetrVG und ggf. eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht.

Der Betriebsratsvorsitzende verlangt, die Unwirksamkeit der Abmahnung festzustellen und die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Das Bundesarbeitsgericht hat dem Betriebsratsvorsitzenden Recht gegeben: Der Arbeitgeber wurde zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verpflichtet. Zur Begründung führt das Bundesarbeitsgericht aus, Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen.

Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltes des Arbeitsnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Der Anspruch auf Entfernung der Abmahnung besteht auch dann, wenn bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an dem Verbleib in der Personalakte besteht.

LAG Berlin-Brandenburg: Amazon-Betriebsräte nicht in unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen

Amazon ist bekannt. Alle nutzen Amazon. Insbesondere in der Weihnachtszeit boomt dort das Geschäft. Deshalb stellt die Amazon-Logistik Potsdam GmbH jeweils für das Weihnachtsgeschäft mehrere 100 Arbeitnehmer befristet ein.

Ein Teil von Ihnen, abhängig vom Arbeitsbedarf und natürlich auch von der Arbeitsleistung und Beurteilung des Arbeitnehmers, werden auch in weitere befristete oder unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen.

Den Klägern wurde nur für einen Monat befristete Beschäftigung angeboten. Sie hatten in ihrer Klage geltend gemacht, sie seien in das befristete oder unbefristete weitere Arbeitsverhältnis nur deshalb nicht übernommen worden, weil sie Mitglieder des Betriebsrates seien.

Vor dem Arbeitsgericht blieb ihre Klage erfolglos. Zwar könne ein Anspruch auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehen, wenn diese nur wegen einer Betriebsratstätigkeit verweigert werde. Denn das würde eine verbotene Benachteiligung wegen des Betriebsratsamtes darstellen, § 78 BetrVG.

Auch vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg scheiterten die Kläger. Sie konnten leider noch nicht einmal konkret vortragen, dass ihre Benachteiligung aufgrund des Betriebsratsamtes bestehen würde.

Das würden die Kläger nur vermuten. Denn schließlich besteht bei Amazon weiterhin ein Betriebsrat, so dass durch die Nichtübernahme der beiden Kläger die Betriebsratstätigkeit nicht aufhört. Außerdem sei die Auswahl der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer nach einem formalen Verfahren erfolgt, dazu hätten auch andere Betriebsratsmitglieder gehört. Allein die Vermutung der Kläger, sie seien wegen ihrer Betriebsratstätigkeit nicht übernommen worden, genüge nicht.

OLG Oldenburg: Anschließen eines Handys zum Aufladen während der Fahrt nicht erlaubt

Vielfach wird über Handyverstöße gestritten, man darf ein Handy beispielsweise während der Autofahrt auch nicht in die Hand nehmen, um die Uhrzeit abzulesen. Jetzt gibt es eine weitere Entscheidung zu Handys:

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat entschieden, dass das Anschließen eines Handys zum Aufladen während der Fahrt gem. § 23 Abs. 1 a StVO verboten ist und ein Bußgeld begründet.

Der betroffene Lkw-Fahrer befuhr die A28 in Oldenburg, er hielt ein Handy in der Hand, um es zum Laden anzuschließen. Dabei wurde er von der Polizei beobachtet. Das Amtsgericht Oldenburg verurteilte den Mann wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons zu einer Geldbuße von 60,00 €.

Der Betroffene stellte daraufhin einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, die Rechtsbeschwerde wurde auch zugelassen. Sie bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichtes.

Beide Hände zum Fahren erforderlich

Zur Begründung führten die Richter aus, dass für denjenigen, der ein Fahrzeug führe, die Nutzung eines Mobil- oder Autotelefons verboten sei.

Und unter Nutzung eines Mobil- oder Autotelefons ist auch zu verstehen, das Gerät hierfür mit der Hand aufzunehmen oder halten zu müssen (§ 23 Abs. 1 a StVO).

Das Anschließen eines Handys zum Laden stelle eine Nutzung in diesem Sinne dar.

Denn es solle durch § 23 Abs. 1 a StVO gewährleistet werden, dass der Fahrzeugführer beide Hände für die Bewältigung der Autofahrt frei habe.

Die Nutzung schließe daher sämtliche Bedienungsfunktionen (dazu gehört auch das Versenden von Kurznachrichten) oder wie oben bereits beschrieben, das Aufnehmen des Handys, um die Uhrzeit abzulesen.

Und:

Dazu gehört auch die Tätigkeit zur Vorbereitung der Nutzung, wie das Anschließen zum Laden.

Bewährungsstrafe für Raser nach Autorennen mit tödlichem Ausgang

Zwei junge Männer wurden nach einem Autorennen mit tödlichem Unfall vor dem Kölner Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Die beiden 20-Jährigen hatten sich im März 2015 nachts eine spontane Wettfahrt mit bis zu 115 km/h auf einer Straße in der Kölner Innenstadt geliefert.

Es kam, wie es kommen musste:

Bei einem Zusammenstoß mit einem Taxi beim Überqueren einer roten Ampel starb ein Taxifahrgast, 4 weitere Menschen wurden verletzt (!).

Die jungen Männer hatten vor Gericht ein Geständnis abgelegt und sich entschuldigt. Die Reue der bis dahin unbescholtenen Angeklagten sei glaubhaft, meinte der Richter.

Deshalb wurden sie nach dem illegalen Autorennen mit tödlichem Ausgang und Verletzungen vom Kölner Amtsgericht zu 12 und 16 Monaten Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.

Der Richter meinte, die Tat sei absolut „jugendtypisch“.

Sie wurden unter anderem wegen fahrlässiger Tötung nach Jugendstrafrecht verurteilt. Ihren Führerschein bzw. ihre Fahrerlaubnis müssen sie für mind. 1 Jahr abgeben.

Nach Ansicht des Gerichtes handelte es sich um „eine absolut jugendtypische Tat“, bei der die Angeklagten nicht über mögliche Folgen nachgedacht hätten.

Sie hätten das Rennen nicht geplant, sondern es sei aus der Situation heraus entstanden.

„Aber in dem Moment sind Sie ganz bewusst und völlig rücksichtslos ein Risiko eingegangen“, sagte der Richter an die Angeklagten gewandt.

„Das war ein Totalversagen.“

In Köln hatten 2015 mehrere schwere Raser-Unfälle und illegale Autorennen für Aufsehen gesorgt.

Strafgefangener hat keinen Anspruch auf tägliche Dusche

Der Betroffene ist 1959 geboren und verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt in Düsseldorf. In dieser Justizvollzugsanstalt können grundsätzlich Gefangene 2 x in der Woche duschen. Gefangene, die schweißtreibende körperliche Arbeiten verrichten, dürfen täglich duschen. Unbeschäftigte Gefangene können zudem nach jeder Teilnahme am Sport duschen. Außerdem sind die Hafträume mit modernen Nasszellen ausgestattet, die eine tägliche Körperpflege ermöglichen.

Der betroffene Strafgefangene selbst ist unbeschäftigt, geht also in der Justizvollzugsanstalt keiner Arbeitstätigkeit nach, er gehört auch keiner Sportgruppe an.

Er hat aber einen Antrag gestellt, ihm täglich, zumindest aber alle 2 Tage, eine Dusche zu ermöglichen. Die Anstaltsleitung der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf hat diesen Antrag zurückgewiesen.

Die Sache ging zur Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes Düsseldorf. Das Landgericht hat die Entscheidung der Anstaltsleitung bestätigt, weil die Waschmöglichkeit in der Nasszelle eine ausreichende Körperhygiene ermögliche.

Dagegen hat der betroffene Strafgefangene Rechtsbeschwerde vor dem Oberlandesgericht Hamm eingelegt. Erfolglos.

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass ein Strafgefangener, der nicht körperlich arbeitet und keinen Sport treibt, grundsätzlich keinen Anspruch auf eine tägliche Dusche hat.

Zwar habe die Justizvollzugsanstalt für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlbefinden des Strafgefangenen zu sorgen. Im vorliegenden Fall sei nicht erkennbar, dass das körperliche Wohlbefinden des Betroffenen unter den gegebenen Umständen (zweimaliges Duschen in der Woche mit der Möglichkeit des normalen Waschens in der Nasszelle) leide.

Dadurch, dass der Strafgefangene alternative Möglichkeiten der Körperpflege hat, werde tägliches Duschen auch im Allgemeinen nicht als notwendig angesehen.

Weiter führt das Oberlandesgericht Hamm aus:

Viele Dermatologen warnen auch vor zu häufigem Duschen! Dass das seelische oder geistige Wohlbefinden des Betroffenen leide, wenn er nicht täglich duschen könne, sei ebenfalls nicht feststellbar. Möglicherweise sei sein soziales Wohlbefinden vermindert, wenn er sich an 5 Tagen in der Woche mit einer normalen Waschung begnügen müsse. Allerdings beeinträchtige bereits die Inhaftierung als solche das soziale Wohlbefinden. Hier gegenüber sei der Umstand, an 5 Tagen der Woche auf eine normale Körperwäsche angewiesen zu sein, von so dringend zu zusätzlichem Gewicht, dass er das soziale Wohlergehen nur unwesentlich vermindere.

Tägliche Dusche nicht gesellschaftliche Norm

Auch die Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt, den Vollzug der Freiheitsstrafe so weit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, begründe keinen Anspruch auf eine tägliche Dusche. Mit den allgemeinen Lebensverhältnissen seien Lebensverhältnisse gemeint, die einer gesamtgesellschaftlich anerkannten Norm entsprächen. Gesellschaftliche Norm sei zwar eine mindestens tägliche Körperpflege. Diese könne aber auf unterschiedliche Weise, beispielsweise auch durch Waschen am Waschbecken, vollzogen werden. Eine gesellschaftliche Norm, nach der die tägliche Körperpflege stets eine Dusche oder ein Bad verlange, sei dem gegenüber, auch unter Berücksichtigung von im Internet zugänglichem statistischem Material, nicht feststellbar. Das hat das Oberlandesgericht Hamm betont.

Neues Verkehrsschild „Baumunfall“ macht angeordnetes Tempolimit nicht unwirksam

In Niedersachsen wurde ein neues Verkehrsschild „Baumunfall“ eingeführt. An der Unfallstelle war ein Tempolimit vorgesehen.

Ein Mann befuhr mit seinem PKW diese Landstraße. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 70 km/h. An den Tempo-Limit-Schildern war ein Zusatzschild angebracht, auf dem ein Auto zu sehen ist, das gegen einen Baum prallt. Der Mann fuhr mit einer Geschwindigkeit von 97 km/h, wurde geblitzt und erhielt einen Bußgeldbescheid über 80,00 €.

Dagegen legte er Einspruch ein, weil er meinte, die Bedeutung des Zusatzschildes sei unklar und deshalb sei das angeordnete Tempolimit unwirksam.

Man könne als Verkehrsteilnehmer auf die Idee kommen, dass die Geschwindigkeit nur dann 70 km/h betrage, wenn ein Fahrzeug vor einem Baum gefahren sei.

Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil zurückgewiesen. Das angeordnete Tempolimit sei nicht unwirksam. Das Zusatzschild weise auf die Gefahr von Baumunfällen hin. Dieser Hinweis sei als Grund für die Geschwindigkeitsbegrenzung zu sehen. Eine andere Auslegung komme ernsthaft nicht in Betracht.

Ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer könne nicht davon ausgehen, dass das Tempolimit nur dann gelte, wenn ein Fahrzeug vor einem Baum gefahren sei. Man könne auch nicht ernsthaft auf die Idee kommen, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung nur dann gelte, wenn mitten auf der Fahrbahn ein Baum stehe, oder dass man nicht mit einer höheren Geschwindigkeit als 70 km/h gegen einen Baum fahren dürfe.

Motorradfahrer trägt auch selbst Verantwortung für das Tragen geeigneter Schutzkleidung, auch wenn er Fahrschüler ist

Das Amtsgericht Ansbach hat die Klage eines Fahrschülers abgewiesen, der wegen eines Unfalls und seiner Verletzungen beim Fahrunterricht die Fahrschulkosten nicht hatte begleichen wollen. Das Urteil ist bereits vom Landgericht Ansbach bestätigt worden und rechtskräftig.

Zwar muss ein Fahrlehrer seinen Schülern, die den Motorradführerschein machen, auch beibringen, geeignete Schutzkleidung zu tragen. Die Schüler tragen aber auch selbst Verantwortung für geeignete Kleidung.

Der Fahrschüler war im Unterricht zweimal gestürzt und hatte sich dabei am Sprunggelenk verletzt. Er trug zwar knöchelhohe Stiefel, die konnten seine Verletzungen jedoch nicht verhindern. Deshalb wollte der Fahrschüler die Fahrschulkosten nicht bezahlen.

Der Fahrlehrer hat die Vorschriften eingehalten, danach müssen die Stiefel nämlich knöchelhoch sein. Der Fahrschüler müsse im öffentlichen Straßenverkehr auch selbst eine gewisse Reife mitbringen, das heißt, dass er eine vernünftige Wahl bei der Schutzkleidung treffen muss.

Landgericht Limburg verurteilt Geisterfahrer wegen Mordes

Ein Mann fuhr als Geisterfahrer. Bei seiner Flucht vor der Polizeikontrolle hat er einen tödlichen Unfall verursacht. Das Landgericht Limburg verurteilte den 45-Jährigen am 18.12.2015 wegen Mordes. Da er Freigänger war, wurde er zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Mit dem Urteil übte das Gericht auch Kritik an der Justizvollzugsanstalt in Diez: Dem Häftling hätte kein offizieller Vollzug gewährt werden dürfen. Die Staatsanwaltschaft kündigte Ermittlungen gegen das Gefängnis an.

Die Staatsanwaltschaft als Ankläger hatte Ihrem Plädoyer beantragt, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Das schließt nämlich eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren aus. Dies wies das Gericht aber wegen einer möglichen staatlichen Mitverantwortung zurück. Auch die Verfolgungsfahrt der Polizeibeamten sei unverhältnismäßig gewesen.

Der Verurteilte war Freigänger und war mit gestohlenen Nummernschildern an seinem Auto und ohne Führerschein unterwegs. Die Polizeistreife wollte ihn stoppen. Daraufhin wendete der 45-Jährige und bog in falscher Richtung auf die Bundesstraße 49 bei Limburg ab.

Dort raste er gegen den PKW einer 21-Jährigen Frau. Die Frau starb im Krankenhaus.

Der Angeklagte war bereits wegen Fahrens ohne Führerschein verurteilt worden und verbüßte deswegen eine Haftstrafe.

Das Gericht urteilte, dass er das Risiko einer Geisterfahrt in Kauf genommen hat, um die Vorzüge des offenen Vollzugs nicht zu verlieren.

Der Angeklagte hatte argumentiert, er sei aus großer Angst heraus in den Gegenverkehr geraten, er habe nämlich die ganze Zeit über Blaulicht hinter sich gesehen.

Das ließ das Gericht nicht gelten: „Wer eine solche Flucht unternimmt, zeigt Nervenstärke und keine Panik."

Das Verkehrsschild „Ende der Autobahn“ ordnet keine Geschwindigkeitsbegrenzung an

Es gibt ein Verkehrsschild „Ende der Autobahn“. Das zeigt aber lediglich an, dass die besonderen Regeln für die Autobahn nicht mehr gelten. Es ordnet keine Geschwindigkeitsbeschränkung an.

Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden und die Sache an das erstinstanzliche Gericht wieder zurückverwiesen. Dort muss erneut entschieden werden.

Der Autofahrer fuhr in Essen von der Autobahn ab und sah das Schild „Ende der Autobahn“. Er fuhr dann weiter, in Höhe eines Fußweges gab es eine Geschwindigkeitskontrollmessung. Der Autofahrer fuhr 76 km/h. Die Behörde meinte, dass an dieser Stelle innerhalb der geschlossenen Ortschaft eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gelte.

Deshalb wurde der Autofahrer wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft zu einer Geldbuße von    120,00  € verurteilt. Er hätte nach dem Verkehrsschild „Ende der Autobahn“ die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h einhalten müsse. Das gelte unabhängig davon, ob nach dem Schild „Ende der Autobahn“ noch ein weiteres geschwindigkeitsbeschränkendes Schild oder ein Ortseingangsschild aufgestellt sei.

Der Autofahrer legte Rechtsbeschwerde ein.

Das OLG Hamm hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und das Bußgeldverfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückgewiesen. Das OLG meint, dass der Vorgang keine Verurteilung des Betroffen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften rechtfertige.

Das Verkehrsschild „Ende der Autobahn“ zeige lediglich an, dass die besonderen Regelungen für die Autobahn nicht mehr gelten. Es enthalte keine Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung. Das Amtsgericht hätte daher aufklären müssen, ob der Autofahrer ein Ortseingangsschild passiert hätte oder ob der Charakter einer geschlossenen Ortschaft am Ort der Geschwindigkeitskontrolle offensichtlich und eindeutig war.

Wenn eine Ortstafel fehlt, beginnt die geschlossene Ortschaft da, wo die eindeutig geschlossene Bauweise erkennbar anfängt.

Bundesgerichtshof: Der Ex muss intime Fotos löschen

Nach dem Ende einer Beziehung müssen intime Fotos oder Videos gelöscht werden, wenn das verlangt wird. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.10.2015 entschieden.

Der Ex war Fotograf und hatte viele Sexfotos von seiner damaligen Freundin gemacht.

Diese hatte in einigen Fällen sogar selbst auf den Auslöser gedrückt und dem Mann die Fotos geschenkt.

Nachdem die Beziehung aufgelöst war, wollte die Frau verhindern, dass ihr Ex die Fotos veröffentlicht.

Der BGH hat entschieden, dass der Mann die Fotos und Videos löschen muss. Der hatte sich nämlich damit verteidigt, dass die Frau damals zugestimmt hatte. Deshalb könne sie jetzt nichts anderes verlangen.

Das ist aber falsch!

Bremsen bei grüner Ampel ohne zwingenden Grund erschüttert Anscheinsbeweis gegen Auffahrenden

Grundsätzlich gilt: Wer auffährt, hat Schuld.

Bremst der Vordermann aber während der Grünphase ohne zwingenden Grund vor dem Kreuzungsbereich stark ab und fährt das nachfolgende Fahrzeug auf, ist der entsprechende Anscheinsbeweis erschüttert.

Die Fahrzeuge standen hintereinander in einer Reihe an einer rotlichtzeigenden Ampel. Als die Ampel auf Grün umgeschaltet hatte, fuhren die Fahrzeuge an. noch vor dem Kreuzungsbereich bremste das erste Fahrzeug ab, weil es von rechtskommend eine Radfahrerin wahrgenommen hatte und fürchtete, diese würde in die Straße einfahren. Das zweite Fahrzeug fuhr auf das erste Fahrzeug auf.

Das zweite Fahrzeug bzw. der Halter forderte nun Schadensersatz. Er ließ sich 1/3 Mithaftungsquote anrechnen und machte und machte 2/3 der Aufwendungen geltend. Zur Begründung trug das zweite Fahrzeug vor, dass mitten aus der Beschleunigung heraus das erste Fahrzeug abrupt zum Stillstand kam, obwohl die Radfahrerin keine Anstalten gemacht hatte, die Fahrbahn zu überqueren.

Es fand eine Beweisaufnahme statt, das Gericht der ersten Instanz gab der Forderung des zweiten PKW´s nicht statt, sondern führte aus, dass das erste Fahrzeug zwar grundlos stark gebremst hatte, das zweite Fahrzeug aber ein schweres Verschulden treffe, weil es unaufmerksam gewesen sei.

Die Berufung hatte Erfolg. Zwar sei der Ausgangspunkt des Erstgerichtes richtig, ein zwingender Grund für eine Bremsung setze aber eine plötzlich drohende ernste Gefahr voraus.

Der PKW, der grün hatte, durfte grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Querverkehr still steht und deshalb sei er auch gehalten, die Grünphase zu nutzen, um einen ungehinderten Verkehrsfluss auf seiner Spur zu gewährleisten.

Damit wurde der Anscheinsbeweis erschüttert. Das zweite Fahrzeug treffe zwar ein Verschulden, jedoch sei dieses geringer anzusetzen als das Verschulden des ersten Fahrzeuges:

Fazit: Jedenfalls beim Anfahren bei Grün ist die Pflicht zur Einhaltung des Mindestabstandes  außer Kraft gesetzt. Das aber muss der Vordermann auch in seiner Fahrweise mit berücksichtigen. Deshalb war die Erschütterung des Anscheinsbeweises folgerichtig.

Bestrafter Taxifahrer darf keine Fahrgäste befördern

Einem seit 2009 als Taxifahrer tätigen Mann wurde die Fahrerlaubnis zur Personenbeförderungen und die Taxikonzession entzogen. Er war bereits mehrfach strafrechtlich Auffällig geworden. Er wurde wegen Beleidigung und unerlaubten Besitzes nach dem Waffengesetz und wegen Wohnungseinbrüchen sowie vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt. Nach Bekanntwerden der Freiheitsstrafe hatte die Stadtverwaltung dem Mann unter Anordnung des sofort Vollzuges die Fahrerlaubnis zur Personenbeförderungen entzogen. Die Taxikonzession wurde widerrufen.

Der Eilantrag des Taxifahrers wurde abgelehnt.

Der Taxifahrer biete nicht die notwendige persönliche Zuverlässigkeit, so das Gericht. Es bestehe die ernsthafte Befürchtung, dass er die besonderen Sorgfaltspflichten, die ihm bei der Beförderungen anvertrauter Personen obliegen, auch künftig missachten würde.

Das Gericht stützte diese Ansicht insbesondere auf die Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Diese Körperverletzung hatte nämlich mit einer Taxifahrt zu tun. Der Taxifahrer hatte einem Fahrgast, nachdem man sich gestritten hatte, gegen den Körper getreten. Der Fahrgast schlug auf dem Straßenboden auf und erlitt schwere Körperverletzungen, mit andauernden Beeinträchtigungen.

Zwischen einem Taxifahrer und seinen Fahrgästen besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis, das nicht nur ein sichere führendes Taxis, sondern auch die Sicherheit des Fahrgastes vor Straftaten und Belästigungen durch den Taxifahrer umfasst. Das Gericht meinte, die Straftat der Körperverletzungen gebe Grund zur Sorge, dass der Taxifahrer in Konflikt lagen, wie sie im Berufsalltags eines Taxifahrers häufig auftreten könnten, nicht situationsangemessen reagieren kann.

Behandlungsfehlerhafte Speiseröhrenverletzungen: 20.000,00 € Schmerzensgeld

Ein Patient, der aufgrund der Verletzungen seiner Speisröhre mehrere Monate mit einer Magensonde ernährt werden musste und dauerhaft Schluckbeschwerden hat, hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 € erhalten.

Die Speiseröhre war im Verlauf der Operation verletzt worden. Das ist ein Behandlungsfehler, da die Verletzung durch eine ärztliche Überprüfung der Lage der Speiseröhre während der Operation vermieden werden können. Bei dem Eingriff mit Cage-Fusion und Prothesenimplantation kam es zur Verletzung der Speiseröhre, die durch einen weiteren Eingriff als Notfalloperativ versorgt werden musste.

Der Patient musste ca. fünf Monate mit einer Magensonde ernährt werden. Bis heute hat er Schluckbeschwerden, durch die er dauerhaft beeinträchtigt sein wird.

Das OLG Hamm entschied nach Beweisaufnahme, dass ein Behandlungsfehler vorliegt. Der Patient hatte 40.000,00 € gefordert, 20.000,00 € hat er zugesprochen erhalten.

Das Gericht wies darauf hin, dass bei derartigen Operationen die Speiseröhre auch bei einem regelgerechten ärztlichen Vorgehen verletzt werden könne. Es habe aber ein Behandlungsfehler vorgelegen, weil die Lage der Speiseröhre während der Operation nicht hinreichend überprüft wurde. Bei einer ordnungsgemäßen Überprüfung, wäre die Verletzung nämlich vermieden worden. Der Sachverständige bestätigte, dass die Überprüfung medizinisch geboten gewesen sei. Das Unterlassen der Kontrolle, die sonst eine mögliche Schädigung des Patienten verhindert hätte, stellt den Behandlungsfehler dar.

OLG Hamm: Ärzte müssen wegen grob fehlerhafter Behandlung einer Patientin mehrere 100.000,00 € Schadensersatz leisten

Wegen einer grob fehlerhaften Behandlung einer Patientin müssen zwei Mediziner mehrere 100.000,00 € Schadensersatz und ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 € zahlen. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden und damit Urteile des Landgerichtes Bochum bestätigt.

Die Urteile vom 04.12.2015 sind aber noch nicht rechtskräftig. Gegen sie wurde jeweils Revision eingelegt, die beim Bundesgerichtshof laufen wird.

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Patientin war 1944 geboren, eine Geschäftsfrau. Sie fiel im März 2006 auf ihr Gesäß und begab sich in die ambulante Behandlung eines des beklagten Chirurgen. Dieser diagnostizierte einen Knochenhautreizzustand an der Steißbeinspitze und behandelte die Patientin mit mehreren Infiltrationen.

Die Beschwerden verschlimmerten sich. Deshalb suchte die Patientin im April 2006 das vom erstbeklagten Mediziner geleitete therapeutische Institut in Bochum auf.

Dort wurde ein MRT der Lendenwirbelsäule und des Iliosakralgelenk angefertigt. Erneut wurde die Patientin mit mehreren Injektionen behandelt. Sie hatte weiterhin Schmerzen und suchte den Zweitbeklagten wieder auf, die Schmerzen waren mittlerweile fast unerträglich geworden. Dieser leitete dann bei einem Hausbesuch wiederum schmerzstillende Infiltrationen ein.

In der weiteren Behandlung musste sie zu einem mehrmonatigen stationären Aufenthalt, hier stellte sich heraus, dass bei der Patientin schon vor längerer Zeit eine Kreuzbeinfraktur bestand. Außerdem hatte die Patientin sich mit einem Bakterium infiziert. Durch die Infektion erlitt sie mehrere Abszesse, ein multiples Organversagen mit zeitweilig lebensgefährlichem Verlauf und musste sich mehrfach Revisionsoperationen unterziehen. Noch heute leidet die Patientin unter Narbenschmerzen, Mobilisations- und Bewegungseinschränkungen.

Die Patientin meinte, von beiden beklagten Medizinern grob fehlerhaft behandelt worden zu sein. Die Krankenversicherung verlangte in einem Prozess von den Beklagten materiellen Schadensersatz, also Kosten der Behandlung zurück. Die Patientin klagte in einem eigenen Verfahren auf Schmerzensgeld.

Es wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Danach hat das Landgericht Bochum der klagenden Patientin 100.000,00 € Schmerzensgeld und noch 12.000,00 € materiellen Schadensersatz zugesprochen. Die Krankenversicherung erhielt durch das erstinstanzliche Urteil ca. 530.000,00 € Schadensersatz für die Kosten medizinisch notwendiger Folgebehandlungen zugesprochen. Die Patientin hatte auch Verdienstausfallschäden geltend gemacht, darüber hat das Gericht aber noch nicht entschieden.

Gegen die Urteile für die Patientin und die Krankenversicherung haben beide Mediziner Berufung eingelegt. Diese Berufungen sind erfolglos geblieben. Nach ergänzender Befragung der medizinischen Sachverständigen hat das OLG Hamm die erstinstanzlichen Urteile in vollem Umfang bestätigt. Dem zuerst behandelnden Mediziner sei zumindest ein grober Behandlungsfehler unterlaufen, der seine vollständige Mithaftung für die Gesundheitsschäden der Patientin begründen würde, so das OLG Hamm. Der zweite beklagte Mediziner muss haften, weil er seine wenige Tage zuvor begonnene Injektionsbehandlung fortgeführt habe, ohne eine Steißbeinfraktur durch bildgebende Verfahren abzuklären. Zu Behandlungsbeginn habe er noch auf eine bildgebende Diagnostik verzichten dürfen. Einige Tage darauf hätte er diese jedoch durchführen müssen, weil sich die Beschwerden der Patientin nicht dauerhaft verringert hätten. Bei dieser Sachlage sei es dringend geboten gewesen, der Frage einer Steißbeinfraktur nachzugehen. Das hat er unterlassen und das sei grob behandlungsfehlerhaft.

Aufgrund der Steißbeinfraktur sei die von dem zweitbeklagten Mediziner fortgeführte Infiltrationstherapie kontraindiziert gewesen. Dieser Schaden und die weiteren Folgeschäden der Patientin und Klägerin seien von dem zweitbeklagten Mediziner aufgrund der mit der grob fehlerhaften Behandlung verbundenen Beweislastumkehr zuzurechnen.

Der erstbeklagte Mediziner hafte, weil seine Mitarbeiter bei der Auswertung des MRT eine Fraktur bzw. einen Frakturverdacht fehlerhaft nicht diagnostiziert hätten. Man habe zwar eine Kontrolle der Lage von Injektionsnadeln gefertigt, die CT-Aufnahme sei aber fehlerhaft bewertet worden, weil die sichtbare Fraktur nicht erkannt worden sei. Zudem sei eine aufgrund der Fraktur kontraindizierte Injektion fehlerhaft in den Frakturspalt gesetzt worden. Die Diagnosefehler und auch die Injektion in den Frakturspalt seien grobe Behandlungsfehler.

Da grobe Behandlungsfehler vorlagen, hat sich im Prozess die Beweislast umgekehrt. Deshalb haftet der Erstbeklagte ebenfalls in vollem Umfang. Bei beiden beklagten Medizinern sei nicht auszuschließen, dass die jeweils in ihrem Verantwortungsbereich durchgeführten Injektionen die Infektion der Patientin bewirkt hätten. Deswegen seien beiden gemeinsam die weiteren Folgeschäden der Klägerin zuzurechnen.

Kinderbetreuung in Ex-Bordell erlaubt

Eine ehemalige Bordellbetreiberin hat das Bordell geschlossen. Hier gingen früher die Freier ein und aus. Heute hat sie im Bordell ein großes Spielzimmer eingerichtet. Sie hat Wickeltische hingestellt, einen Platz zum Toben geschaffen, alles kindgerecht eingerichtet. In diesen Räumen, in denen noch vor etwas über einem Jahr ein privates Freudenhaus von ihr betrieben wurde, will sie nun eine Kinderbetreuung einrichten.

Die Stadtverwaltung ist dagegen. Die Stadtverwaltung weigerte sich hartnäckig, die Genehmigung für die Tagesstätte zu erteilen. Die Ex-Bordellbesitzerin klagte.

Am 08.01.2016 stellte das zuständige Verwaltungsgericht in Minden klar:

Die Kinder können kommen!

Die Sorge, die frühere Nutzung könne den Kleinen schaden, bezeichnete der Richter als nicht nachvollziehbar. „Das sind Erwachsenengedanken. Dem Kind, das dort spielt, ist es doch egal, was da früher war.“

Die Stadt sieht aber eine Gefahr für die Kinder durch den Ruf des Gebäudes. Die Verwaltung hat argumentiert, der Ruf des Gebäudes und seine Vergangenheit könnten den Kindern „einen Stempel aufsetzen“. Außerdem könnten alte Interneteinträge ehemalige Freier anlocken, die plötzlich vor der Tür stünden und schlimmstenfalls zudringlich würden. Tatsächlich ist es so, wer im Internet nach der Adresse der geplanten Kinderbetreuung sucht, stößt neben vielen Links auch auf die Spuren der früheren Internetnutzung. Dort preist eine Prostituierte mit dem Namen „Heidi“ auf einschlägigen Seiten in dem Haus „heiße Sachen“ und ein üppiges Dekolleté an.

Auf einer weiteren Seite kann man den Eintrag finden, dass es in dem Freudenhaus diskret zugehe, immer „heimisch“ sei und das bereits seit 25 Jahren.

Die Ex-Bordellbetreiberin ließ vor Gericht vortragen, dass diese Zeiten vorbei seien. Im Herbst 2014 sei das Gewerbe abgemeldet worden, die einstige Bordellbetreiberin wolle einen Neuanfang wagen. Sie hat einen Kurs als Tagesmutter gemacht, hat Kinder zunächst in deren Elternhäusern betreut. Dann wollte sie auch den Neuanfang für ihr ehemaliges Bordell. Sie begann mit Renovierungsarbeiten und stellte den entsprechenden Antrag.

Dann kam die Ernüchterung: Auch aus Misstrauen, unter dem Dach könne der Prostitutionsbetrieb weitergehen, lehnte die Stadt den Antrag ab. Es gehe dabei nicht um die persönliche Eignung der ehemaligen Bordelbetreiberin als Tagesmutter: „Ihre Qualifikation ist unstrittig.“ Das bestätigt die Vertreterin der Stadt vor Gericht. Allein die Örtlichkeit verursachte Ängste bei der Verwaltung. Wenn man die Einrichtung als Kindertagesstätte kennzeichne, könnte das weit über die Stadt hinaus bekannte Bordell sogar Pädophile anlocken, so war die Befürchtung.

Dieser Argumentation folgten die Richter nicht: Trotz der verruchten Internet-Werbung führten die dort ausgewiesenen Telefonnummern schon lange ins Leere. „Dass dort ein Freier auftaucht, halten wir für ausgeschlossen.“

In dem Gewerbe sei eine vorherige telefonische Kontaktaufnahme üblich.

Das Gericht gab sogar den Vorschlag, dass Schilder und Spielgeräte im Garten aufgebaut werden könnten. Das würde dann eindeutig klarmachen: „Hier werden Kinder betreut, keine Männer mehr!“.

 

Verkehrsrecht: Fahrverbot: Parallelvollstreckung

Das OLG Hamm hat darauf hingewiesen, dass die zeitgleiche Vollstreckung verhängter Fahrverbote in sog. „Mischfällen“ durch Gesetz untersagt ist.

Was heißt das?

Bei der Vollstreckung von Fahrverboten gibt es eine differenzierte Regelung.

Wenn in mehreren Bußgeldbescheiden jeweils ohne Gewährung einer 4-Monatsfrist ein Fahrverbot verhängt wurde, kann dieses grundsätzlich nebeneinander vollstreckt werden. Dies führt zu einer Parallelvollstreckung, wenn die Entscheidungen zur selben Zeit Rechtskraft erlangen.

Demgegenüber seien aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 25 Absatz 2 a Satz 2 StVG in verschiedenen Bußgeldverfahren jeweils unter Bewilligung der 4-Monatsfrist verhängte Fahrverbote nacheinander zu vollstrecken, d.h. die Verbotsfristen würden addiert. So solle verhindert werden, dass ein Betroffener mehrere kurz hintereinander verhängte Fahrverbote durch ein Ausnutzen der 4-Monatsfrist zusammenlege.

Genau so seien die sog. „Mischfälle“ zu beurteilen. Dabei geht es um die Vollstreckung zweier Fahrverbote, von denen eines mit der 4-Monatsfrist und das andere ohne diese Frist zu vollstrecken sei. Auch in diesen Fällen versage § 25 Absatz 2 a Satz 2 StVG, so der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm, eine Parallelvollstreckung. Bereits nach dem Wortlaut der Norm reiche es aus, wenn bei der Vollstreckung eines der verhängten Fahrverbote die 4-Monatsfrist gelte. Der Gesetzgeber habe gerade verhindern wollen, dass ein Betroffener die 4-Monatsfrist dazu verwende, ein gegen ihn verhängtes Fahrverbot mit einem weiteren Fahrverbot zusammenzulegen.

 

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Verwaltungsgericht München: MPU („Depperl-Test“ droht in Bayern, nach jeder Alkoholfahrt

Bayern kann mit Alkoholsündern im Straßenverkehr künftig härter ins Gericht gehen als „der Rest Deutschlands“. Fast jeder, der seinen Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer verliert, muss in Bayern in Zukunft damit rechnen, zum MPU-Test, den so genannten „Idioten-Test“ (in Bayern: „Depperl-Test“) zu müssen, egal, wie viel Alkohol er im Blut hatte.

Strafgericht: Führerscheinentziehung einzige Voraussicht

Im Urteil heißt es, dass nach strafrechtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis, die auf einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruht, im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der bei der Verkehrsteilnahme vorliegenden Blutalkoholkonzentration die Beibringung eines MPU-Gutachtens anzuordnen ist. Das gelte auch, wenn der Fahrer weniger als 1,6 Promille im Blut habe und zum ersten Mal erwischt werde.

Aber: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

In den meisten Bundesländern, auch in NRW, wird die MPU bei Ersttätern erst ab einem Schwellenwert von 1,6 Promille angeordnet. Im vorliegenden Fall hatte eine Frau, die mit 1,28 Promille erwischt wurde, dagegen geklagt, in Bayern zur MPU zu müssen, zum so genannten „Depperl-Test“. Die Klage wurde abgewiesen.

Ähnlich hatte aber im Sommer 2015 in einem anderen Fall auch schon der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden.

Also Achtung! Diese Rechtsprechung scheint sich durchzusetzen.

Das Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ist aber noch nicht rechtskräftig. Die Frage, ob nach der ersten Trunkenheitsfahrt ein MPU-Test („Idioten-Test“) fällig wird, ist rechtlich umstritten.

Die beiden Urteile sind für Betroffene sehr schwerwiegend, denn laut ADAC fallen 40% der Fahrer bei der MPU durch. Sie wird jährlich mehr als 90.000 Mal angeordnet, in der Hälfte der Fälle wegen Trunkenheitsfahrten. Und rund 40% der Fahrer fallen laut ADAC durch den Test durch.

 

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Bundesarbeitsgericht: Drohende Arbeitslosigkeit als Voraussetzung zur Abfindung, nicht aber für Klageverzichtsprämie

Ein Sozialplan kann die Zahlung einer Abfindung auf Arbeitnehmer beschränken, die wegen der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Hingegen darf eine Betriebsvereinbarung, nach der Arbeitnehmer eine Sonderprämie erhalten, wenn sie auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, nicht solche Arbeitnehmer ausschließen, die im Anschluss an ihre Entlassung anderweitig beschäftig werden und von der Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens absehen. Das hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 08.12.2015 entschieden.

Abfindung nach Sozialplan und Sonderprämie bei Klageverzicht

Die Beklagte Arbeitgeberin übernahm im Jahr 2008 ein Unternehmen aus dem Konzern der Deutschen Telekom AG. In diesem wurden im Rahmen von Arbeitsverhältnissen auch Beamte beschäftigt, die vor der Postreform bei der Deutschen Bundespost eingesetzt waren. Die Beklagte legte den Betrieb im Verlauf des Jahres 2013 still und kündigte den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern. In einem Sozialplan war die Zahlung von Abfindungen vorgesehen. Nach einer weiteren Vereinbarung erhielten Arbeitnehmer eine Sonderprämie, wenn sie gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses keine Klage erheben.

Beurlaubte Beamte von beiden Leistungen ausgeschlossen

Die vorherigen Beamten waren aber von den Leistungen ausgeschlossen. Das haben diese für gesetzeswidrig gehalten, weil auch solchen Arbeitnehmern eine Abfindung zustand, deren Arbeitsverhältnisse zur Deutschen Telekom AG oder einer ihrer Konzerngesellschaften bei Abschluss des Sozialplans nicht formgerecht beendet waren. Die unterschiedliche Behandlung bei der Sonderprämie sei ebenfalls nicht gerechtfertigt, weil diese allein an die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage anknüpfe.

Bundesarbeitsgericht: Abfindungsbeschränkung des Sozialplans rechtmäßig

Das Bundesarbeitsgericht hat den Beamten teilweise Recht gegeben. Der Sozialplan habe die Zahlung von Abfindungen auf solche Arbeitnehmer beschränken dürfen, die aufgrund der Betriebsschließung von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen wären. § 112 Abs. 5 Nr. 2 BetrVG erlaube den Abschluss von Sozialplanleistungen, wenn die entlassenen Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber weiterbeschäftigt werden könnten. Die beurlaubten Beamten seien nach der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse im Konzern der Deutschen Telekom AG amtsangemessen einzusetzen. Hingegen drohe Arbeitnehmern Arbeitslosigkeit, deren Arbeitsverhältnisse mit der Deutschen Telekom AG oder einer ihrer Konzerngesellschaften nicht formwirksam beendet seien. Deren vormalige Arbeitgeber hatten sich nicht zu einer Weiterbeschäftigung bereit erklärt.

Beamte dürfen nicht von Klageverzichtsprämie ausgenommen werden

Dem gegenüber hätten die beurlaubten Beamten nicht von der Zahlung der Klageverzichtsprämie ausgenommen werden dürfen. Diese Sonderzahlung habe der Planungssicherheit der kündigenden Arbeitgeberin gedient. Hierfür komme es auf das Bestehen einer Anschlussbeschäftigung nicht an.

 

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Bundesarbeitsgericht: Bei Dauer-Nachtarbeit erhöht sich Nachtarbeiterzuschlag auf

30 %

Nachtarbeitnehmer haben bei fehlenden tarifvertraglichen Ausgleichszahlungen nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage. Regelmäßig ist aber ein Zuschlag in Höhe von 25 % auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleisteten Nacht-Arbeitsstunden angemessen. Bei Dauernachtarbeit erhöht sich dieser Anspruch auf 30 %, wie das Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden hat.

Nachtarbeiter fordert höheren Zuschlag

Der Kläger ist bei der Beklagten als LKW-Fahrer tätig. Seine Arbeitszeit beginnt abends in der Regel um 20:00 Uhr und endet erst morgens um 06:00 Uhr. Eine Tarifgebundenheit besteht nicht. Der Arbeitgeber zahlte auf den Nachtzuschlag lediglich 11 %, zuletzt 20 %. Mit seiner Klage begehrte der Arbeitnehmer die Feststellung, dass der Nachtarbeitszuschlag 30 % des Stundenlohnes betrage bzw. Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden zu gewähren.

Die Klage war vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht nur teilweise. Die Erfurter Richter des Bundesarbeitsgerichtes gaben der Revision des Klägers statt und entschieden zu seinen Gunsten: Bestehe wie im Arbeitsverhältnis der Parteien keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung, hätten Nachtarbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage für die zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden. Regelmäßig sei dabei ein Zuschlag in Höhe von 25 % auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage angemessen. Allerdings käme eine Reduzierung der Höhe des Nachtarbeitsausgleichs in Betracht, wenn während der Nachtarbeit beispielsweise durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst eine spürbar geringere Arbeitsbelastung besteht.

Höherer Ausgleichsanspruch bei Dauernachtdienst

Umgekehrt könne eine höhere Arbeitsbelastung auch zu einem höheren Ausgleichsanspruch führen. Eine solche erhöhte Belastung liege nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen bei Dauernachtarbeit vor. In einem solchen Fall erhöhe sich der Anspruch regelmäßig auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % bzw. eine entsprechende Anzahl freier Tage. Da der Kläger Dauernachtarbeit erbringe, stehe ihm auch ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 30 % zu.

 

 

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Keine Fahrtenbuchauflage für gesamten Fuhrpark eines Handwerksbetriebes

Das Gericht hat folgendes entschieden:  Einem Fahrzeughalter kann die Führung eines Fahrtenbuches auferlegt werden, für das Fahrzeug, mit dem der Verkehrsverstoß begangen wurde. Eine Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf alle Fahrzeuge ist nur dann zulässig, wenn unaufklärbare Verkehrsverfehlungen auch mit den anderen Fahrzeugen zu befürchten sind.

Zum Sachverhalt: Die Antragstellerin ist Inhaberin eines Handwerksbetriebes und hat sechs Fahrzeuge. Mit einem Betriebsfahrzeug wurde eine erhebliche Abstandsunterschreitung zum vorausfahrenden Fahrzeug gemessen. Der verantwortliche Fahrer konnte nicht ermittelt werden. Daraufhin gab die Kreisverwaltung der Antragstellerin als Halterin für alle Fahrzeuge der Firma eine Fahrtenbuchauflage für die Dauer von sechs Monaten. Die Antragstellerin suchte um vorläufigen Rechtsschutz und hatte in dem Eilverfahren Erfolg. Die Fahrtenbuchauflage wurde zwar für das betroffene Fahrzeug nicht aufgehoben, aber hinsichtlich der übrigen Betriebsfahrzeuge hatte sie Erfolg.

Auflage in Bezug auf konkretes Kfz wegen unzureichender Mitwirkung bei Aufklärung gerechtfertigt

Rechtmäßig ist nämlich die Fahrtenbuchauflage für das Fahrzeug, mit dem die Abstandsvorschrift auch verletzt wurde. Nämlich deshalb, weil die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers nicht gelungen sei. Die Halterin des Fahrzeugs habe nicht in der notwendigen Weise an der Ermittlung des Verantwortlichen mitgewirkt, obwohl ihr das gegen Vorlage eines Lichtbildes möglich gewesen wäre.

Fahrtenbuchauflage für alle übrigen Kfz des Betriebes unverhältnismäßig

Der Eilantrag sei jedoch hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage für die übrigen Kfz unbegründet. Eine derart weitreichende Maßnahme sei nur verhältnismäßig, wenn die Ordnungsbehörde Ermittlung über Art und Umfang des Fahrzeugtags angestellt und darüber hinaus eine Abschätzung vorgenommen habe, ob zukünftig unaufklärbare Verkehrsverfehlungen mit anderen Fahrzeugen des Halters zu erwarten seien. Beide Anforderungen wurden aber nicht nachgewiesen.

 

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Arbeitsrecht: Oberster Gerichtshof in Wien: Arbeitgeber kann nicht via „whatsapp“ kündigen

Mal ein Fall von unseren Nachbarn:

Der OHG Wien hat entschieden, dass die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht via Übermittlung eines Fotos des Kündigungsschreibens über „whatsapp“ erfolgen kann. Eine solche Kündigung sei unwirksam, weil sie die erforderliche Schriftform nicht einhalte, so der Oberste Gerichtshof in Wien.

Streit um Kündigungsfrist

Über den Fall berichtete das österreichische „Wirtschafsblatt“ auf seinen online-Seiten. Ein derartiger Fall ist auch bei uns denkbar:

Zu Grunde lag nach Angaben der Zeitung der Fall einer Zahnarztfachangestellten, die am 31.10.2014 eine „whatsapp“-Nachricht ihrer Arbeitgeberin, einer österreichischen Zahnärztin, erhielt. Die Nachricht enthielt das Foto eines Schreibens, mit dem die Zahnärztin ihrer Mitarbeiterin kündigte. Das Schreiben selbst ging der Zahnarztgehilfin erst am 04.11.2014 zu. Vor Gericht ging es um die Frage der Kündigungsfrist. Die Zahnarztgehilfin berief sich auf die Unwirksamkeit der „whatsapp“-Kündigung und begehrte eine Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31.01.2015 beendet wurde, durch Zugang der schriftlichen Kündigung in Papierform.

Oberster Gerichtshof in Wien sieht Verstoß gegen Schriftformerfordernis

Die Klägerin hatte letztendlich Erfolg. Der Oberste Gerichtshof in Wien hob nach Angaben des „Wirtschaftsblattes“ die Beweisfunktion der Schriftform einer Kündigung hervor. Er stellte darauf ab, dass es nicht ohne Weiteres möglich sei, eine „whatsapp“-Nachricht auszudrucken. Eine Kündigung, die nur auf dem Display eines Smartphones erscheine, stelle aber nicht sicher, dass der Empfänger den Inhalt der Erklärung und den Absender derselben ausreichend zuverlässig feststellen kann.

Auch bei uns in Deutschland gilt das Schriftformerfordernis bei Kündigungen.

 

Lassen Sie deshalb jede Kündigung überprüfen, ob ein kurioser Fall vorliegt wie hier oder aber, ob der „Falsche“ unterschrieben hat. Das taucht nämlich in unserer Praxis immer wieder auf!

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Arbeitsrecht: Arbeitsgericht Berlin: Urlaubsanspruch wird nach Tod des Arbeitnehmers zu Abgeltungsanspruch der Erben

Ein Urlaubsanspruch geht mit dem Tod des Arbeitnehmers nicht unter, sondern wandelt sich in einen Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben um. Das entschied das Arbeitsgericht Berlin entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes!

Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, es kann Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt werden!

Arbeitsgericht bejaht Abgeltungsanspruch unter Verweis auf EU-Recht

Die Erblasserin stand in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten und hatte zum Zeitpunkt ihres Todes noch einen Erholungsurlaubsanspruch von 33 Tagen. Ihre Erben forderten von der Beklagten die Abgeltung dieses Urlaubsanspruches. Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen und wies auf § 7 Abs. 4 BUrlG hin. Danach sei der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden könne. Diese Voraussetzungen seien beim Tod des Arbeitnehmers gegeben. Soweit das Bundesarbeitsgericht darauf abstelle, mit dem Tod erlösche die höchstpersönliche Leistungspflicht des Arbeitnehmers und damit auch ein (abzugeltender) Urlaubsanspruch, widerspreche dies Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG in der vom Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 12.06.2014 erfolgten Auslegung; der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sei daher nicht zu folgen, so dass Arbeitsgericht.

 

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Schadensersatz nach Unfall: Wann gilt ein Kfz als Neuwagen?

Ein erst einige Wochen zum Straßenverkehr zugelassenes Fahrzeug kann nicht mehr als Neuwagen angesehen werden, wenn die Laufleistung nicht passt. Das hat das OLG Hamm entschieden. Nach einem Verkehrsunfall kommt eine Neuwagenentschädigung in der Regel nur bis zu einer Laufleistung von 1000 km/h und einer nicht länger als 1 Monat zurückliegenden Erstzulassung in Betracht.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger verlangt von der Versicherung Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall aus dem Jahr 2016. An dem Unfall waren der Porsche Macan des Klägers und ein Fiat Punto der Beklagten beteiligt.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, wie die Haftungsquote liegt, nämlich die Beklagten haften zu 100 % für den Unfallschaden und müssen dafür aufkommen.

Der Kläger hat den Porsche zum Kaufpreis in Höhe von 92.400,00 € erworben und zwar erst am 22.06.2016. Der Unfall fand statt am 05.08.2016. Zum Unfallzeitpunkt war er mit seinem Porsche erst 3291 km gefahren.

Auf der Grundlage eines Schadensgutachtens hat die beklagte Versicherung den Fahrzeugschaden wie folgt reguliert:

Netto Wiederbeschaffungswert                                                                    80.250,00 €

abzüglich Netto Restwert                                                                  -           55.090,00 €

somit                                                                                                             25.160,00 €.

Der Kläger hat den verunfallten Porsche verkauft und einen neuen Pkw gleichen Typs gekauft.

Er will aber weitere 12.150,00 € als weiteren Schaden ersetzt erhalten. Er meint nämlich, dass er den Schadensersatzanspruch auf Neuwagenbasis abrechnen kann, weil der Porsche beim Unfall noch keine 3000 km Strecke zurückgelegt habe (abzüglich einer Überführungsfahrt) und als hochwertiges Fahrzeug aufgrund der heutigen technischen Entwicklung länger als früher als Neufahrzeug anzusehen sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und das OLG Hamm auch.

Und zwar meint das OLG Hamm, dass sind Anwendungen der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach welcher ein Anspruch auf Neuwagenentschädigung in der Regel nur bei einer Fahrleistung von maximal 1000 km und einer nicht länger als 1 Monat zurückliegenden Erstzulassung in Betracht komme, keine Schadensregulierung auf Neuwagenbasis erfolgen könne.

Der vorliegende Fall sei davon nicht auszunehmen. Auch unter Berücksichtigung der weiteren technischen Entwicklung und nach heutiger wirtschaftlicher Verkehrsanschauung sei ein Fahrzeug, das zum Unfallzeitpunkt bereits knapp 3300 km gefahren sei und bereits über 6 Wochen zugelassen gewesen sei, nicht mehr als Neuwagen anzusehen.

Haben Sie Probleme bei der Schadensabwicklung?

Wir helfen Ihnen!

Telefon: 02365 42475

E-Mail: Post@MandantundAnwalt.de

 

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat zur elterlichen Sorge eine sehr interessante Entscheidung getroffen, die wir wiedergeben:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat zur elterlichen Sorge eine sehr interessante Entscheidung getroffen, die wir wiedergeben:

 

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.12.2017 - 1 UF 151/17

 

BGB §§ 1628, 1666, 1666a, 1671, 1696, 1697a; FamFG §§ 36a, 68, 155 Abs. 4 Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil trotz angebotener Sorgerechtsvollmacht

Das bloße Inaussichtstellen einer Sorgerechtsvollmacht führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit einer Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2

BGB. Eine erteilte Sorgerechtsvollmacht ist im Allgemeinen kein geeignetes Mittel der

Konfliktvermeidung und steht daher einer Sorgeübertragung gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2

BGB in aller Regel nicht dagegen.

 

G r ü n d e :

 

I.

 

Die Kindeseltern sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Ihre Trennung erfolgte im Mai 2009.

Seitdem betreut und versorgt die Kindesmutter den gemeinsamen Sohn A…. Der Kindesvater hat regelmäßig Umgang mit A…. Der Umgang und weitere kindbezogene Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern sind seit 2011 Gegenstand von insgesamt acht familiengerichtlichen Verfahren gewesen. In dem vor dem Amtsgericht im Jahr 2016 geführten, von der Kindesmutter mit dem Begehren auf Umgangsaussetzung eingeleiteten Verfahren (Az. 252 F 137/16) einigten sich die Kindeseltern mit vor dem Amtsgericht geschlossener Vereinbarung vom 07.06.2016 auf die Durchführung einer Familien- und Lebensberatung, wobei zunächst eine getrennte Beratung der beiden Elternteile erfolgen sollte. Diese Beratungen sind aufgenommen worden und laufen noch. Das Amtsgericht hat der Kindesmutter auf deren Antrag die elterliche Sorge für A… übertragen. Die gemeinsame elterliche Sorge sei aufzuheben, weil die Kindeseltern mangels Kooperationsfähigkeit, Konsensbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit nicht in der Lage seien, das Sorgerecht gemeinsam auszuüben. Die acht seit 2011 geführten Kindschaftsverfahren ließen eine tiefgreifende Zerrüttung auf der Elternebene erkennen. Verschiedene Beratungsansätze seien erfolglos verlaufen.

Das Kind werde durch den langjährigen und erheblichen Elternstreit belastet und befinde sich in einem Loyalitätskonflikt, wie schon die Kindesanhörung ergeben habe. Darauf, ob insoweit einem Elternteil Verschulden vorzuwerfen sei, komme es nicht an, da allein das objektiv zu bestimmende Kindeswohl den Ausschlag gebe. Die elterliche Sorge sei nach dem Kontinuitätsgrundsatz der Kindesmutter zu übertragen, da das Kind nach der Elterntrennung immer bei der Kindesmutter gelebt habe und das Kind nach dem Ergebnis der Kindesanhörung zu dieser eine engere Bindung habe.

Eine Entscheidung sei schließlich nicht mit Blick auf die im Umgangsverfahren (Az. 252 F 137/16) getroffene Vereinbarung vom 07.06.2016 entbehrlich, da die Erfahrungen der Vergangenheit eine Regelung im Interesse des Kindes geböten. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern bedürfe es nicht, erschienen doch beide Kindeseltern geignet, das Kind angemessen zu erziehen.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kindesvater weiterhin Zurückweisung des Sorgerechtsantragsder Kindesmutter. Er rügt, die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein, des Kindesvaters, Elternrecht dar, zumal die von den Kindeseltern aufgenommene Elternberatung gute Fortschritte mache, sich die Elternkommunikation positiv entwickle und Entscheidungen von erheblicher Bedeutung für das Kind nicht absehbar seien.

Unter dem Blickwinkel des Kindeswohls sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es für den Jungen von Bedeutung sei, den Kindesvater als Identifikationsfigur und als für seine, des Jungen, Entwicklung verantwortliche Person zu erfahren. Zumindest seien als mildere Maßnahmen die Übertragung lediglich von Teilbereichen der elterlichen Sorge oder die Erteilung einer Generalvollmacht zu erwägen. Die Übertragung des Sorgerechts reduziere nicht das möglicherweise noch vorhandene Streitpotenzial. Bei Zweifeln an der Kindeswohldienlichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge sei ein kinderpsychologisches Sachverständigengutachten einzuholen.

Kindesmutter und Verfahrensbeistand verteidigen die Entscheidung des Amtsgerichts.

II.

Die zulässige Beschwerde des Kindesvaters ist nicht begründet. Völlig zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Amtsgericht die elterliche Sorge für A… gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB der Kindesmutter übertragen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

 

1.

Die Voraussetzungen für eine gemeinsame Sorgetragung durch die Kindeseltern liegen nicht vor.

 

a)

Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich. Denn ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen (BGH, FamRZ 2008, 592, Rn.

11 ff.). Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die strengen Eingriffsvoraussetzungen nach Maßgabe der vom Kindesvater in der Beschwerdebegründung zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.03.2012 (Az. 1 BvR 206/12, FamRZ 2012, 938) erfüllt sind, da diese die auf eine Trennung des Kindes von beiden Eltern zielende Sorgerechtsentziehung zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung gemä1666 ,1666 §§ ? a BGB betrifft, nicht die hier gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB angeordnete Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil.

 

b)

Nach dem aufgezeigten Maßstab besteht mangels tragfähiger Kommunikation und Kooperation der Kindeseltern keine Grundlage für eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge.

 

aa)

Das ergibt sich maßgeblich, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, bereits aus dem Umstand, dass die Kindeseltern seit 2011 acht familiengerichtliche Kindschaftsverfahren geführt haben. Den Umgang des Kindesvaters konnten sie nur mit wiederholter familiengerichtlicher Hilfe regeln. Ein Umgangsverfahren wurde bis in die Beschwerdeinstanz betrieben (Az. 252 F 219/12, AG Düsseldorf = II-1 UF 102/14, OLG Düsseldorf). Bereits in jenem Verfahren waren, wie der Senat im Beschluss vom 29.09.2014 ausgeführt hat, erhebliche Spannungen im Verhältnis der Kindeseltern zu konstatieren und besondere Belastungen in der Familienkonstellation darin zu sehen, dass die Kindeseltern nicht miteinander reden und nicht die Belange des Kindes in den Vordergrund stellen (S. 7 des Senatsbeschlusses vom 29.09.2014). Mit Blick auf die eingeschränkte Elternkommunikation hielt der Senat eine jede Unklarheit schon im Ansatz ausschließende Konkretisierung der Ferienumgangszeiten für erforderlich (S. 8 des Senatsbeschlusses vom 29.09.2014). In weiteren Verfahren stritten die Kindeseltern um die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil nach § 1628 BGB, und zwar wiederum in einem Fall bis in die Beschwerdeinstanz (Az. 252 F 57/14, AG Düsseldorf = II-1 UF 188/14, OLG Düsseldorf). Seinerzeit erblickte der Senat jedenfalls hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge keine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Kindeseltern (S. 1 des Senatsbeschlusses vom 12.01.2015). Er sah das Unvermögen der Kindeseltern, in Kindesbelangen gemeinsam konstruktiv zu kommunizieren und zu kooperieren, durch den Umstand dokumentiert, dass die Kindeseltern über einen Zeitraum von mehr als anderthalb Jahren nicht in der Lage gewesen waren, gemeinsam die mit Zwischenvereinbarung vom 12.03.2013 verabredete Anmeldung A… zu einer Diagnostik bei einer Kinderpsychologin herbeizuführen (S. 2 des Senatsbeschlusses vom 12.01.2015).

 

bb)

Die so in den vielen familiengerichtlichen Kindschaftsverfahren dokumentierte fehlende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Kindeseltern ist in jüngerer Vergangenheit ferner in zumindest drei Streitpunkten zu Tage getreten.

(1)

Im August 2015 gab es Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Eröffnung eines Sparbuchs für A…. Dass der Kindesvater auf die Bitte um Zustimmung hierzu mit E-Mail vom 18.08.2015 antwortete, A… solle ihn fragen, dann erledige er das (vgl. S. 4 des Schriftsatzes der Kindesmutter vom 12.01.2017), belegt das Unvermögen der Kindeseltern, wesentliche Handlungen für A…untereinander abzustimmen. Die Einbeziehung des Jungen in die Klärung dieser Angelegenheit entspricht keinesfalls dem Leitbild einer kindeswohldienlichen gemeinsamen Sorgerechtsausübung, führt sie doch letztlich dazu, die erforderliche Abstimmung zwischen den Kindeseltern dem Kind aufzubürden. Die Argumentation des Kindesvaters in der Antragserwiderung, er habe zunächst mit dem Jungen - außerhalb der Umgangszeit - die Sparkasse aufsuchen wollen, um ihm die Vorgänge bei einer Bank sowie das Eröffnen und Verwalten eines Sparbuchs zu erklären (S. 4 der Antragserwiderung des Kindesvaters vom 13.12.2016), weist ebenfalls auf ein dem Kindeswohl abträgliches Defizit im sozialen Miteinander der Kindeseltern, da der Kindesvater die Eröffnung des Sparbuchs mit einer - wenn auch punktuellen - Umgangserweiterung verknüpfte, was angesichts des angespannten Elternverhältnisses weiteren Streit provozierte, wofür kein sachlicher Anlass bestand, konnte der Kindesvater doch dem Jungen die Vorgänge auch außerhalb der Räumlichkeiten der Sparkasse im Rahmen seines Umgangs erklären.

(2)

Ebenso wenig lässt sich bezüglich der Ausstellung eines Kinderreisepasses für F… ein dem Kindeswohl entsprechendes Zusammenwirken der Kindeseltern feststellen. Denn der Kindesvater knüpfte seine Zustimmung zur Ausstellung des Passes an die Weitergabe von Informationen zur Therapie des Jungen durch die Kindesmutter, wie der Kindesvater in der Antragserwiderung ausgeführt hat (S. 3 der Antragserwiderung vom 13.12.2016). Damit verquickte der Kindesvater zwei verschiedene Sachverhalte, ohne dass hierfür eine sachliche Rechtfertigung bestand. Insbesondere hat der Kindesvater keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die unter dem Blickwinkel des Kindeswohls gegen die Ausstellung eines Kinderreisepasses hätten sprechen können. Dies weist auf ein dem Kindeswohl abträgliches Defizit im sozialen Miteinander der Kindeseltern, das zur Blockade auch solcher Handlungen für das Kind führt, hinsichtlich derer zwischen den Kindeseltern in der Sache selbst kein Dissens besteht.

(3)

Schließlich besteht ein manifester Dissens der Kindeseltern in puncto religiöse Kindererziehung. Denn der Kindesvater lehnt die im Mai 2016 auf Betreiben der Kindesmutter erfolgte, vom Kindesvater ausdrücklich missbilligte, letztlich aber nicht blockierte Erstkommunion A… noch immer ab, wie seinem Schriftsatz vom 06.09.2017 (S. 10) zu entnehmen ist. Auch insoweit ist es den Kindeseltern nicht gelungen, im Wege konstruktiver Kommunikation zu einer einvernehmlichen Entscheidung zu gelangen. Vielmehr haben sie ihre gegensätzlichen Positionen ohne jede Annäherung in der Sache aufrecht erhalten.

cc)

Dass das Elternverhältnis von Dissens geprägt ist und die Elternkommunikation hochgradig gestört, dokumentiert nicht zuletzt auch die im Mai/Juni 2017 geführte E-Mail-Korrespondenz der Kindeseltern (Anlage zum Schriftsatz der Kindesmutter vom 10.08.2017). In fast jeder seiner Nachrichten hat der Kindesvater der Kindesmutter vorgeworfen, ihn unzureichend zu informieren, und zwar z.T. in anklagender und belehrender Diktion, die nicht Ausdruck einer - im Rahmen eines kooperativen Miteinanders unabdingbaren - konstruktiven Kommunikation auf Augenhöhe ist, sondern eher Züge polemisch zuspitzender Schärfe zeigt.

(1)

So hat der Kindesvater in der E-Mail vom 22.05.2017 geäußert, die Kindesmutter versuche, „alles Mögliche auf Null zu reduzieren"; die Informationsweitergabe der Kindesmutter sei „nichts anderes als mangelhaft"; die Kindesmutter betrachte Informationen als „Machtinstrument", weshalb sie „so wenig wie möglich" weitergebe, taktiere, verhindere, versuche, in ihrem Sinne zu lenken, und dabei die Interessen und das Wohl des Sohnes aus dem Blick verliere. Sie, die Kindesmutter, eine „studierte Erwachsene, hoffentlich aufmerksam und fit im Kopf", habe Informationspflichten. Selbst wenn der Vorwurf der Sache nach berechtigt sein sollte, was seinerzeit mit Blick auf das Sorgerecht des Kindesvaters und dessen eigenes Informationsrecht gegenüber Schule und Einrichtungen zweifelhaft erscheint, sind solche Vorhaltungen im Sinne einer konstruktiven Elternkommunikation jedenfalls auf ein Minimum zu reduzieren, da sie eine Verständigung und eine Abstimmung bezüglich konkreter Kindesbelange klar absehbar zumindest erschweren, zumal der despektierliche Unterton die Kommunikation schon atmosphärisch übermäßig belastet. Die hierin angelegte Konflikthaftigkeit gipfelt in der der E-Mail vom 22.05.2017 in der Bekundung, er, der Kindesvater, habe „A… als Zeugen" für seitens der Kindesmutter geäußerte Beschuldigungen. Damit ist das Konfliktniveau eines Rechtsstreits erreicht und die Ebene vertrauensvoller Elternkommunikation verlassen.

(2)

Die E-Mail des Kindesvaters vom 30.05.2017 ergeht sich in Vorwürfen betreffend das Verhalten der Kindesmutter hinsichtlich der vom Kindesvater als möglich erachteten Auswahl eines Wunsch-Klassenlehrers des Kindes auf dem Gymnasium. Der Kindesvater hat dort der Kindesmutter vorgehalten, ihre Begleitung des Kindes zur Anmeldung sei „schlecht" gewesen; für die Kindesmutter gelte „ja nichts und niemand".

(3)

In der E-Mail vom 01.06.2017 hat der Kindesvater der Kindesmutter Vorhaltungen bezüglich ihrer Kindeserziehung gemacht und geäußert, die Kindesmutter erziehe „ein unmündiges Kind"; sie zeige dem Sohn ständig, dass es so, wie sie es sich vorgestellt habe, nicht geklappt habe, weshalb Frederic denken müsse, er sei blöd und unfähig; er, der Kindesvater, sei das absolute Gegenteil von der Kindesmutter, was gut für das Kind sei. Selbst wenn diese Einschätzung der Erziehungskompetenzen zutreffen sollte, ist ihre Hervorhebung in der Kommunikation zur Abstimmung der gemeinsamen Sorgerechtsausübung bei unstreitiger Obhut der Kindesmutter über den Jungen destruktiv, da sie den anderen Elternteil in eine Verteidigungsposition hinsichtlich seiner Kindeserziehung drängt und so einen offenen, vertrauensvollen Austausch zumindest ganz erheblich erschwert.

(4)

Entsprechendes gilt für die in der E-Mail des Kindesvaters vom 09.06.2017 geäußerte Kritik des Kindesvaters, die Kindesmutter vergesse bei den von ihr vorgebrachten Argumenten, die „leider wieder nicht alle Punkte" beantworteten, sondern nur die, die ihr „gerade in den Kopf" kämen oder „genehm (‚passend')" seien, das „Allerwichtigste: A… ursprüngliches Interesse, sein Ziel und seinen Wunsch". Auch hier findet sich kein Austausch auf Augenhöhe, sondern eine Würdigung der Argumentation der Kindesmutter im Stil einer Leistungsbewertung mit belehrendem Unterton.

(5)

Die in der E-Mail-Korrespondenz dokumentierten Kommunikationsmuster offenbaren daher ein kommunikations- und Konfliktniveau, das ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern vermissen lässt. Hinzu kommt, dass die E-Mails des Kindesvaters nach Anzahl und Umfang das Ausmaß eines schon rein zeitlich angemessenen und dem mitsorgeberechtigten, betreuenden Elternteil zumutbaren Austauschs deutlich überschreiten.

dd)

In der Gesamtschau dieser Umstände vermag der Senat ebenso wie das Amtsgericht eine tragfähige Kommunikation und Kooperation der Kindeseltern nicht zu erkennen, was auch der Bewertung aus Kindessicht durch den Verfahrensbeistand und der fachlichen Einschätzung des Jugendamts entspricht und sogar im Vortrag des Kindesvaters angeklungen ist, hat dieser doch in der Antragserwiderung vom 13.12.2016 selbst den Umgang der Kindeseltern miteinander als „schwierig" eingestuft (S. 3 der Antragserwiderung vom 13.12.2016).

ee)

Dass insoweit aktuell eine Besserung eingetreten wäre, die nunmehr Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben könnte, ist nicht festzustellen. Schon die erörterte E-Mail-Korrespondenz, die erst kurze Zeit zurückliegt, lässt keine Änderung der Kommunikationsmuster erkennen. Die Elternberatung, die im Zuge der Umsetzung der im Umgangsverfahren (Az. 252 F 137/16) getroffenen Vereinbarung vom 07.06.2016 aufgenommen worden ist, ermöglicht keine Schlüsse auf eine nunmehr hinreichende Elternkommunikation und steht der Entscheidung auch im Übrigen nicht entgegen, da es sich um keine Mediation und kein Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung im Sinne des § 36 a FamFG handelt, sondern lediglich um eine Beratung, zumal die Maßnahme jedenfalls in zeitlicher Hinsicht keine Sachentscheidung mehr hindern würde, ist doch ein weiteres Zuwarten mit der Klärung des streitigen Sorgerechts nach Ablauf von knapp anderthalb Jahren keinesfalls mehr zumutbar, auch wenn die Zeitschranke des § 155 Abs. 4 FamFG (in der Regel drei Monate) mangels Streits um den Aufenthalt des Kindes nicht gilt.

c)

Angesichts der fehlenden Kommunikationsbasis kommt es auch nicht darauf an, ob für sämtliche Sorgerechtsbereiche ein konkreter Regelungsbedarf besteht. Zwar ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob zur Konfliktbereinigung - als milderes Mittel - eine Teilentscheidung bezüglich derjenigen Angelegenheiten der elterlichen Sorge ausreicht, für die ein Mindestmaß an Übereinstimmung nicht festgestellt werden kann (vgl. BGH, FamRZ 2008, 592, Rn. 16). Da aber aus den genannten Gründen insgesamt keine tragfähige Übereinstimmung zwischen den Eltern festzustellen ist, reicht die Übertragung einzelner Regelungsbereiche der elterlichen Sorge nicht aus.

d)

Ebenso wenig ist die vom Kindesvater allgemein in den Raum gestellte Möglichkeit der Erteilungeiner Generalvollmacht ein geeignetes milderes Mittel zur Konfliktvermeidung. Dies gilt schon  deshalb, weil der Kindesvater keine Vollmacht vorgelegt hat. Abgesehen davon stellt eine Sorgerechtsvollmacht grundsätzlich kein geeignetes Mittel der Streitvermeidung dar, weil sie jederzeit frei widerruflich ist, während eine Sorgerechtsregelung nach § 1671 BGB nur unter den Voraussetzungen des § 1696 BGB, also bei Vorliegen triftiger, das Kindeswohl nachhaltig berührender Gründe abänderbar ist. Vor diesem Hintergrund muss im Allgemeinen befürchtet werden, dass sich der lediglich die Möglichkeit einer Vollmachtserteilung in den Raum stellende, demAntrag auf Sorgerechtsübertragung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB entgegentretende Elternteil durch die Beschränkung des anderen Elternteils auf eine Vollmacht rechtliche Vorteile erhofft, die weiteres Konfliktpotenzial mit sich bringen können, das indes mit Blick auf das rechtlich maßgebliche Kindeswohl (§§ 1671, 1697a BGB) und die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung über einen Antrag nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB gerade vermieden oder weitestgehend eingeschränkt werden soll. Hinzu kommt, dass die elterliche Sorge des die Vollmacht erteilenden Elternteils nur formal aufrecht erhalten bliebe, begäbe sich dieser Elternteil mit der Bevollmächtigung doch seiner Mitbestimmungsbefugnisse und behielte lediglich die „leere Hülle" eines Sorgerechts, was auf eine nicht sachlich dem Kindeswohl dienende, sondern lediglich symbolisch die Rechtsposition des vollmachtserteilenden Elternteils wahrende Sorgegestaltung hinausliefe.

2.

Mit Blick darauf, dass die Kindesmutter den Jungen bereits seit der im Mai 2009 erfolgten Trennung vom Kindesvater beanstandungsfrei betreut und versorgt, entspricht es dem Kindeswohl am besten, die elterliche Sorge der Kindesmutter zu übertragen, zumal der Kindesvater für sich nicht die alleinige elterliche Sorge reklamiert.

3.

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen verbleibt kein tatsächlicher Klärungsbedarf, weshalb die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens nicht veranlasst ist.

4.

Das Vorbringen des Kindesvaters rechtfertigt keine Entlassung des Verfahrensbeistands. Eine solche Entlassung kommt in Betracht, wenn der Verfahrensbeistand nicht mehr geeignet erscheint oder hierfür sonst ein sachlicher Grund besteht. Solches ist dem Vortrag des Kindesvaters nicht zu entnehmen. Der allgemeine Verweis auf eine persönliche Bekanntschaft mit dem Verfahrensbeistand ermöglicht insoweit keine hinreichenden Feststellungen. Auch im Übrigen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Verfahrensbeistand das Interesse des Kindes nicht angemessen feststellen und zur Geltung bringen könnte.

5.

Die mit der Klärung der Sorgerechtsfrage intendierte Beruhigung des Elternverhältnisses mag die Grundlage schaffen für einen weiteren nachhaltigen und von allen Beteiligten unterstützten persönlichen Umgang des Kindesvaters mit A…, der für das künftig gelebte Vater-Sohn-Verhältnis und die Entwicklung der Bindungen des Kindes zum Kindesvater entscheidend sein dürfte und daher im Mittelpunkt der Bemühungen der Beteilgten stehen sollte.

III.

Von einer persönlichen Anhörung der Beteiligten hat der Senat gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen, weil diese bereits vom Amtsgericht vorgenommen wurde und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die maßgeblichen Umstände sind bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen.

IV.

Die Kostenentscheidung rechtfertigt sich aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG. Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

 

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Oberlandesgericht Hamm: Eltern müssen keine Zweitausbildung bezahlen

Das OLG Hamm hat entschieden, dass Eltern grundsätzlich nicht verpflichtet sind, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu finanzieren, wenn sie ihm bereits eine angemessene Ausbildung, welche den Begabungen und Neigungen des Kindes entspricht, finanziert haben und es in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle findet.

Hintergrund der Entscheidung ist, dass das Land Nordrhein-Westfalen von den Eltern Zahlung von Ausbildungsunterhalt verlangt hat. Das Kind war im Jahr 1991 geboren, eine Tochter. Das Land Nordrhein-Westfalen bewilligte dieser Tochter Ausbildungsunterhalt in Höhe von ca. 6.400,00 €, d.h. also BAföG, und zwar für den Zeitraum Oktober 2015 bis September 2016.

Nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) haben Eltern dem Land derartige Zahlungen zu erstatten, wenn sie für die geforderte Ausbildung Unterhalt schulden.

Die Tochter hatte sich zunächst in der 9. Schulklasse, als sie damals 15 Jahre alt war, entschieden, den Beruf einer Bühnentänzerin zu erlernen. Sie hatte deswegen bereits nach der mittleren Reife die Schule verlassen und in der Folgezeit an einer Hochschule in Mannheim den Studiengang Tanz absolviert.

Diesen Studiengang konnte sie 2011 mit einem Tanzdiplom abschließen. In der Folgezeit gelang es der Tochter allerdings nicht, eine Anstellung als Tänzerin zu erhalten.

Aus diesem Grund nahm sie 2012/2013 die Schulausbildung wieder auf, erwarb die allgemeine Hochschulreife und begann 2015/2016 in Münster Psychologie zu studieren. Dafür beantragte sie BAföG-Leistungen und erhielt diese auch.

In der 1. Instanz unterlag das Land, deshalb ging es in die Beschwerde. Das OLG Hamm hat die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts schulden die Eltern für das Hochschulstudium ihrer Tochter keinen Ausbildungsunterhalt und haben daher die BAföG-Leistungen nicht zu erstatten.

Grundsatz: Eltern schulden ihren Kindern grundsätzlich eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtungswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern halte. Sofern Eltern ihrem Kind eine solche erste Berufsausbildung bereits gewährt haben, sind sie grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, die Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen.

Ausnahmen davon gibt es nur unter besonderen Umständen. Z.B., wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann. Ferner kommt eine weitere fortdauernde Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung als eine in engem sachlichen und zeitlichem Zusammenhang mit der Erstausbildung stehende Weiterbildung anzusehen sei und von vornherein angestrebt gewesen sei oder wenn während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erforderte Begabung deutlich werde.

Im vorliegenden Fall hatten die Eltern bereits die Erstausbildung zur Bühnentänzerin finanziert. In diesem Beruf fand die Tochter keine Anstellung. Die Eltern schulden aber keinen weiteren Ausbildungsunterhalt. Die Tochter habe mit dem Diplom eine staatlich anerkannte Berufsausbildung zur Bühnentänzerin abgeschlossen. Das spätere Studium der Psychologie stelle keine Weiterbildung dar, die im Zusammenhang mit der ersten Ausbildung stehe. Die Tochter habe bei der Aufnahme ihrer Tanzausbildung auch keinen weiteren Besuch der allgemeinbildenden Schule mit anschließendem Studium angestrebt.

Außerdem meinte das Oberlandesgericht, dass nicht zu erkennen sei, dass die Ausbildung zur Bühnentänzerin den damaligen Neigungen und Fähigkeiten und der Begabung der Tochter nicht entsprochen habe. Die Tochter hatte nämlich bereits seit dem 5. Lebensjahr das Ballett durchgeführt. Im Grundschulalter hatte sie Ballett-Unterricht, die Aufnahmeprüfung an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Mannheim hat sie bestanden und eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes absolviert. Danach gab es ein erneutes Auswahlverfahren an der Hochschule, welches die Tochter mit Erfolg abschloss. Deshalb war sie dann zum Studiengang „Tanz“ zugelassen worden. Bei diesem Werdegang seien die Neigungen und Fähigkeiten der Tochter, bezogen auf den Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns, nicht falsch eingeschätzt worden.

Eine solche Fehleinschätzung lasse sich auch nicht dem Abschluss der Tanzdiplomprüfung entnehmen, in dessen praktischem Teil die Tochter nur einen befriedigenden Notendurchschnitt erzielt habe. Dass sie später keine Anstellung als Tänzerin gefunden habe, beruhe nicht auf der Note „befriedigend“, sondern auf einer verschlechterten Arbeitsmarktsituation. In der Zeit nach Abschluss ihres Studiums hätten sich bis zu 3.000 Bewerber auf eine Stelle im Bereich des Bühnentanzes beworben. Deswegen sei für die Tochter erkennbar geworden, dass Bewerbungen mit ihren praktischen Noten im Bühnentanzberuf aussichtslos gewesen seien.

Ein derartiges Risiko der Nichtbeschäftigung ihres Kindes nach Abschluss der geschuldeten Erstausbildung, haben unterhaltsverpflichtete Eltern grundsätzlich nicht zu tragen. Ihnen fällt das allgemeine Arbeitsplatzrisiko nicht zur Last. Vielmehr müsse ein Volljähriger, der nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitslos sei, primär für seinen Unterhalt sorgen und jede Arbeitsstelle annehmen, auch außerhalb des erlernten Berufes. Das gilt auch dann, wenn im erlernten Beruf tatsächlich keine Verdienstmöglichkeit mehr besteht

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Unterhaltsansprüche BGH ändert Rechtsprechung zum Abänderungsverfahren

Der BGH hat jetzt Folgendes entschieden:

Ein Herabsetzungsantrag des Unterhaltsschuldners kann nach einem vorangegangenen erfolglosen Antrag des Gläubigers auf Erhöhung des Unterhaltes ggf. auch auf solche Tatsachen gestützt werden, die schon im vorherigen Verfahren zu berücksichtigen gewesen wären.

Das ist eine grundsätzliche Entscheidung zur Präklusion im unterhaltsrechtlichen Abänderungsverfahren.

Der Sachverhalt ist folgender:

Der Ehemann wurde zu Unterhaltszahlungen verurteilt, im Jahr 1997. Die Ehefrau hat eine Abänderungsklage eingereicht und zwar wurde damals der laufende Unterhalt im Jahr 2003 vom OLG Düsseldorf erhöht. In einem weiteren Abänderungsverfahren hat das Amtsgericht Geldern im Jahr 2009 dann den Unterhalt für den Zeitraum August 2007 bis Januar 2010 erhöht. Für die Zeit danach wurde die Abänderungsklage der Ehefrau abgewiesen.

Jetzt begehrt der Ehemann Abänderung des Urteils des OLG Düsseldorf dahingehend, dass er gar keinen Unterhalt mehr zu zahlen habe. Die Ehefrau wendet dagegen die Präklusion ein.

Der BGH führt dazu folgendes aus:

Beim mehreren Abänderungsentscheidungen ist auf die im letzten Abänderungsverfahren ergangene Entscheidung abzustellen. Ein Abänderungsantrag ist nur zulässig, wenn Abänderungsgründe vorliegen, die erst nach Schluss der Tatsachenverhandlung des letzten Verfahrens eingetreten sind. Ist dann das Abänderungsverfahren eröffnet, ermöglicht es weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts, noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits in der Vorentscheidung eine Bewertung erfahren haben.

Das bedeutet also, wenn eine Herabsetzung oder aber auch zeitliche Begrenzung des Ehegattenunterhaltes bereits im Ausgangsverfahren hätte geltend gemacht werden können, ist ein Abänderungsantrag unzulässig, weil er das gleiche Ziel verfolgt, welches man bereits im Ausgangsverfahren hätte verfolgen können.

Deshalb kann eine Entscheidung über eine Unterhaltsbegrenzung dann im Rahmen eines Abänderungsverfahrens grundsätzlich nicht nachgeholt werden.

Das nennt man Präklusion. Diese Präklusion von so genannten Alt-Tatsachen (also Tatsachen, die schon im Ausgangsverfahren vorlagen) setzt allerdings voraus, dass die Umstände schon für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erheblich waren. Sie hätten also bereits im Ausgangsverfahren zu einer abweichenden Entscheidung führen müssen. Eine derartige Sachlage besteht jedoch nicht, wenn der Unterhaltsschuldner im Vorverfahren als Gegner des Abänderungsverlangens hinsichtlich des laufenden Unterhaltes voll obsiegt hat, es also auf die weiteren Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch nicht ankam.

In früheren Entscheidungen hatte der BGH auch dann eine Präklusion angenommen, wenn der Gegner eines auf eine Unterhaltserhöhung gerichteten Abänderungsverlangens bereits im Vorverfahren Abänderungswiderklage- bzw. Abänderungswiderantrag hätte erheben können!

Das bedeutet also, dass man heute, also nach der BGH-Entscheidung, die Zulässigkeit von Abänderungsverfahren unter einem neuen Gesichtspunkt entscheiden muss.

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